Das „Wie“ bestimmt den Nutzen …..

„Was ist der Nutzen von Barcamps“ fragt Rouven Kasten im Rahmen der Blogparade des Callcenter-Barcamps. Eine spannende Frage, die für mich aber ganz deutlich davon abhängt, wie ich als „Besucherin“ ein Barcamp nutze. Im folgenden möchte ich mir ein paar Gedanken über „Barcamp-Nutzungsarten“ und die daraus folgenden „Ergebnisse“ machen.

Grundsätzlich ermöglichen Barcamps – gerade auch im Gegensatz zu klassischen Konferenzen – eine sehr aktive Teilnahme. Doch auch eher zurückhaltende oder passive „Nutzungsarten“ sind möglich.

Zuhören und lernen
Was bei klassischen Konferenzen, Workshops und Vorträgen möglich ist, paßt natürlich auch bei Barcamps: man kann zuhören und dabei lernen. Es mag ungewohnt sein, daß man vorher nicht weiß, wer über welche Themen sprechen wird. Aber wenn ich zurückdenke, wie oft sich ein verheißungsvoll klingender Vortragstitel als inhaltlich enttäuschend herausgestellt hat, dann nehme ich diese „Unsicherheit“ gerne in Kauf. Bisher habe ich auf jedem Barcamp eine große Vielfalt unterschiedlicher Themen und Fragestellungen erlebt. So manche „unspektakulär“ klingende Session hat sich im Nachhinein als Lernjuwel herausgestellt. Ein Beispiel: die Session von Roland Judas beim Barcamp Köln zum Thema „Uberfication“. Was zunächst nur nach einem Taxi-/Mietwagenthema klang, entpuppte sich für mich beim weiteren Nachdenken als eine Diskussion über grundlegende Fragen zum Internet und zu digitalen Geschäftsmodellen.

Erfahrungen und Wissen teilen
Beim Thema „Uberfication“ habe ich tatsächlich nur zugehört, getwittert und nachgedacht. Bei vielen Themen kann ich jedoch meine Erfahrungen und mein Wissen einbringen. Gerade Sessions in denen Fragen diskutiert werden, bieten viele Möglichkeiten, über eigene gute oder schlechte Erfahrungen zu berichten, selber Fragen zu stellen, Buchtipps oder Links zu guten Internetquellen zu teilen. Meine Erfahrung: gerade wenn ich mich in den Sessions geäußert habe, haben sich für mich gute Gespräche ergeben. Selbst ein einfacher Buchtipp kann ein guter Gesprächsanlaß sein.

Vernetzen
Zugegeben: die „körperliche Anwesenheit“ auf einem Barcamp führt nicht automatisch zu guter Vernetzung – genausowenig wie die Teilnahme an Konferenzen. Vielmehr erfordert Vernetzung das aktive Tätigwerden. Am frühen Morgen fällt mir das manchmal durchaus schwer ….
Ein wichtiger Baustein meiner Barcampteilnahme ist die digitale Vernetzung. In der Regel twittere ich live aus den Sessions. Wahrscheinlich hat der ein oder andere Follower darüber auch schon mal leicht genervt geseufzt, aber interessanterweise ergeben sich durch das Twittern immer wieder spannende inhaltliche Diskussionen in der Timeline. Manchmal kann ich sogar Fragen und Informationen aus meiner Timeline in die Session zurückgeben. Für mich ist Twitter und die damit verbundene digitale Vernetzung daher ein wichtiger „Erfolgsfaktor“.
Aber auch die „reale“ (oder „analoge“) Vernetzung vor Ort darf nicht zu kurz kommen. Sessionthemen, gemeinsam besuchte Sessions oder auch die Frage nach schon besuchten Sessions oder auch Barcamps bieten gute Gesprächsanlässe. Klar ist aber auch, je aktiver man sich eingebracht hat, desto einfacher ist der Gesprächseinstieg!
Und nicht vergessen: mit interessanten Gesprächspartnern kann man sich auch „online“ vernetzen!

Fragen stellen!
Kein Mensch ist als Experte auf die Welt gekommen. Wir alle haben irgendwann mit einem Thema angefangen und uns – auch durch Fragen – unser Wissen und unsere Erfahrungen erarbeitet. Bei einem Barcamp sind Fragen mehr als willkommen. In der Regel (Ausnahmen bestätigen natürlich auch diese Regel) steht bei den Sessions das Interesse am Thema und nicht das Selbstmarketing im Vordergrund. Barcamps sind insofern ein guter Ort, um Experten einfach mal das zu fragen, was man schon immer mal fragen wollte – in einem Gespräch, in der entsprechenden Session oder gar als eigene „Fragesession“.

Eigene Session anbieten
Den größten „Nutzen“ hatte ich bisher immer dann, wenn ich selber eine Session angeboten habe. Dabei kann man an das Thema „eigene Session“ durchaus sehr unterschiedlich herangehen:
– man kann eine Frage stellen und (Experten-)Antworten sammeln
– man kann zu einem Thema eine Diskussionsrunde vorschlagen (zum Beispiel gab es beim Barcamp Köln Diskussionssession zu „Big Data“ und zur „Zukunft von Foren“)
– man kann etwas (zum Beispiel eine Methode) ausprobieren (ich habe bei meinem allerersten Barcamp – dem Barcamp Düren – ganz spontan eine Session mit der Pre-Mortem-Methode angeboten. Für mich war es eine spannende Herausforderung, der Lerneffekt war enorm.)
– man kann „sein Thema“ als Session anbieten.

Das Schöne: Barcampbesucher sind zwar durchaus kritisch, sie erwarten aber gerade keine „perfekte“ Präsentation. Schließlich sind wir ja auf einem Barcamp und nicht auf einer Konferenz!

Mein Fazit
Der Nutzen einer Barcampteilnahme hängt nach meiner Meinung klar vom Grad der eigenen Aktivität ab. Je mehr ich mich selbst sichtbar und hörbar einbringe, desto größer ist in der Regel mein „Nutzen“ – desto mehr lerne ich, desto interessanter sind meine Gespräche und desto besser ist meine Vernetzung.

Wie traurig: Schlechte Tweets?

Vor ein paar Tagen fand ich in meiner Timeline einen überraschenden Tweet mit einem Link zu „Sad Tweets„:

Ein Tweet, der mich sofort zur Reaktion bewegte (in diesem Sinne also ein „guter Tweet“), denn ich empfinde einen großen Unterschied zwischen „schlecht“ und „traurig“. Ist aber ein Tweet, auf den niemand (sichtbar) reagiert, ein schlechter oder trauriger Tweet? Ist ein Tweet, der dazu führt, daß einem einige Twitterer entfolgen, ein mißlungener Tweet? Wenn man den Berichten über Sad Tweets folgt (hier und hier zum Beispiel), dann könnte man das durchaus so sehen, aber ist das wirklich so?

Wann ist ein Tweet gut oder schlecht?
Wenn ich über gute oder weniger gute Tweets nachdenke, dann gibt es natürlich zwei mögliche Blickwinkel. Als Twitternde schaue ich auf meine eigenen Tweets und frage mich, ob ich meine eigenen Ansprüche erfülle; als Lesende nehme ich Tweets in meiner Timeline wahr. Diese zweite Perspektive erscheint für die Frage, wann ein Tweet gut oder schlecht ist, zunächst leichter.

Da gibt es Tweets, die mich (immer mal wieder) nerven und gelegentlich sogar zu genervten Reaktionen oder zum Entfolgen motivieren, zum Beispiel:
– Links auf FB (oder andere Plattformen), wo sich wiederum ein Link auf eine andere Seite versteckt
– „Ich habe ein neues Foto auf XXX gepostet
– (vermutlich automatisierte) Tweets mit Angaben zu Mentions, neuen Followern und/oder Reichweite
– Massen-FF-Tweets am Freitag
– morgendliche Massentweets à la „Guten Morgen liebe @X @X1 @X2 @X3 @X4 @X5
– Retweets von „Massentweets“
– Erklärungen zu vorhergehenden Tweets (#lasttweet)
– wiederholte gleichlautende „Werbetweets“ à la „wir sind gut, bucht uns endlich“

Dann gibt es Tweets, die ich eher am Rande wahrnehme und selten aufgreife, die mich aber auch nicht stören, zum Beispiel:
– Infos, wer wo mit wem gerade ißt/Kaffee trinkt (ggfs. mit Bildern vom Essen/Ort)
– Urlaubstweets (gelegentlich mit Bildern)
– Themen rund um Mode, Kosmetik und Sport

Und dann gibt es da die vielen Tweets, die ich (zumindest zeitweilig) überfliege und wahrnehme – auch wenn ich nicht immer reagiere, beispielhaft möchte ich diese nennen:
– Tweets, die Freude, Schmerz, Trauer oder Angst zum Ausdruck bringen
– Tweets, die Fragen enthalten
– Tweets, die auf (Blog-)Beiträge verweisen
– Tweets, die interessante Links enthalten
– Tweets, die interessante oder provokante Thesen aufstellen
– Tweets, die mein Weltbild/meine Einstellungen hinterfragen
– Tweets, die interessante Veranstaltungen ankündigen
– Tweets, die von interessanten Veranstaltungen berichten

Ja, ich könnte sicherlich noch mehr unterschiedliche Kategorien von Tweets finden. Aber für meine Überlegungen zum Thema „gute oder schlechte Tweets“ reicht diese grobe Einteilung schon aus. Tweets aus der dritten Gruppe sind – auch wenn ich nicht reagiere – nach meiner persönlichen Einschätzung eher „gute“ Tweets, Tweets aus der ersten Kategorie sind für mich eher „schlechte“ Tweets. Interessanterweise basiert meine Einteilung stark auf inhaltlichen Kritieren – also auf der Frage, ob beziehungsweise wie ich als Leserin erreicht werde. Die Frage, ob/in welchem Ausmaß ich auf Tweets reagiere, hat für meine Einordnung keine Bedeutung.

Wann und warum reagiere ich auf Tweets?
Twitternutzung ist natürlich – immer wieder – eine Zeitfrage. Auch wenn ich Tweetdeck praktisch den ganzen Tag über „offen“ habe, so heißt dies nicht, daß ich meine Timeline ständig im Blick habe. Ich bekomme also ohnehin nur Ausschnitte mit (wobei ich oft neugierig ein bißchen zurückscrolle). Auch die Frage ob beziehungsweise wie ich reagiere ist natürlich stark zeitabhängig. Wenn ich stark unter Zeitdruck stehe, dann maile ich mir schon mal interessante Tweets, um sie nicht zu vergessen und natürlich speichere ich interessante Links (damit ich sie „irgendwann“ lese). RTs und Favs sind – soweit sie keine Links enthalten – natürlich schnell gemacht, bei verlinkten Seiten möchte ich aber erst die Quelle lesen, bevor ich entsprechend reagiere. Spannender sind natürlich Unterhaltungen auf Twitter – zeitlich paßt das für mich oft am Morgen oder am Abend, einmal angefangene Gespräche versuche ich natürlich auch zu verfolgen – vor allem ohne größere Gesprächspausen. Je wichtiger mir das Thema ist, desto stärker versuche ich natürlich, mir auch „zwischendurch“ für das Gespräch und das Thema Zeit zu nehmen – aber das klappt (logischerweise) nicht immer.
Unabhängig davon, ob ich sichtbar reagiere, bekomme ich lesend schon relativ viel auf Twitter mit. Die vielen guten Tweets in meiner Timeline informieren mich reichhaltig und ich bin sehr dankbar dafür.

Ist die fehlende Reaktion auf einen Tweet ein Zeichen der Undankbarkeit?
Müßte ich – gerade wenn ich über gute Tweets so dankbar bin – meine Dankbarkeit nicht auch durch die entsprechenden Reaktionen zeigen und damit die guten Tweets von den schlechten Tweets unterscheiden? Das Problem ist nicht die fehlende Reaktion, sondern die fehlende Sichtbarkeit der Reaktion. Wenn ich einen Tweet lese, mir den Link abspeichere (und später lese), wenn ich über das Thema nachdenke, wenn ich mich mit einem Menschen freue oder darüber nachdenke, ob es ihm/ihr gut geht, dann sind das auch Reaktionen, die aber nicht als sofortige Reaktion auf einen konkreten Tweet sichtbar sind. In manchen Situationen kommt die Sichtbarkeit später („geht es Dir wieder gut“) – manchmal auch eher im Austausch privater Nachrichten, in anderen Situationen ist das Nachdenken über eine Frage oder einen kritischen Beitrag wertvoller als die schnelle sichtbare Reaktion. Das Problem ist natürlich, daß wir über Twitter dieses (Mit-)Lesen und (Mit-)Denken nicht messen können. Das mag auf den ersten Blick ein Nachteil sein (ich denke hier an das Stichwort „ROI“), aber ich vermute, daß ich weniger unbefangen mitlesen würde, wenn mein Mitlesen so nachvollziehbar wäre wie meine sichtbaren Reaktionen.

Folgen und Entfolgen als klare Botschaft?
Auf den ersten Blick stellen sich sowohl das Folgen als auch das Entfolgen als klare Botschaft und damit Aussage über die Tweets dar. Allerdings habe ich beim zweiten Blick schon das Bedürfnis, ein bißchen zu differenzieren. Einzelne gute Tweets bringen mich auf jeden Fall dazu, mir das Profil und die Timeline eines Twitterers anzuschauen. Gefällt mir, was ich dort lese, dann folge ich meistens – wobei gefallen nicht unbedingt bedeuten muß, daß ich Ansichten teile. Gerade das Infragestellen meiner Ansichten und Gewohnheiten kann wertvoller sein als eine „Bestätigung“. Meine Entscheidung, einem Twitter-Account zu folgen ist daher meistens schon eine qualitative Aussage. Aber es gibt natürlich Ausnahmen: angefangen mit der Tatsache, daß auch in einer spannende Timeline gute und weniger gute Tweets enthalten sein können bis hin zum Folgen, weil man sich persönlich kennt und schätzt.
Etwas schwieriger ist das Thema „Entfolgen“. Manchmal verändern sich die Interessen und damit auch die Themen, manchmal auch die Frequenz mit der bestimmte Themen angesprochen werden oder die Sprache (sowohl bezogen auf die Wortwahl als auch auf das Schreiben von Tweets in Fremdsprachen). Diese Veränderungen machen die Timeline vielleicht für viele Menschen interessanter, für mich nicht unbedingt und je mehr mich einzelne Tweets „stören“ – weil sie mich nicht mehr „treffen“, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß ich mich für ein Entfolgen entscheide. Entfolgen kann insofern auch Ergebnis einer sinnvollen Fokussierung sein und sagt damit nichts über die Qualität der Tweets.

Schlechtes Timing?
Der richtige Zeitpunkt ist für die Frage, ob ein Tweet wahrgenommen wird, von zentraler Bedeutung. Interessanterweise könnte ich jetzt keinen konkreten Zeitpunkt nennen, der für mich gut oder schlecht ist. Spätabendliche Tweets haben oft zu spannenden Twittergesprächen geführt, werktägliche Tweets während der normalen Arbeitszeiten und Wochenendbarcamptweets ebenso. Eine „Grundregel“ kann ich daher nicht aufstellen. Vielmehr habe ich das Gefühl, das Themen, die mir wichtig sind, ihren Weg in die Timelines und in die Gedanken der Leserinnen und Leser schon finden werden.

Was wirklich traurig wäre …….
Wenn ich twittere, dann teile ich meine Gedanken zu einem bestimmten Thema mit der Welt „draußen“. Natürlich freue ich mich, wenn sich aus meinen Tweets oder aus meinen Antworten auf Tweets Gespräche ergeben – durchaus auch kritische und hinterfragende Gespräche. Twittern mit dem Ziel, eine maximale Zahl von Reaktionen (Favs, Retweets oder Antworten) zu erhalten, fände ich persönlich traurig. Es klingt für mich nach einem beifallheischenden Twittern und nicht nach dem nachdenklichen Twittern, das ich in meiner Timeline suche und um das ich mich selber bemühe. Ja, da sind sicher viele „reaktionslose“ Tweets dabei. Wahrscheinlich belege ich bei einem Dienst wie „Sad Tweets“ sogar einen Spitzenplatz. Ja, und? Wichtig ist nicht, was ein „Dienst“ über mich und meine Tweets sagt, sondern wie es mir und meinen Followern bei unserem Austausch geht und dieser Austausch ist alles andere als traurig – einen großen Dank dafür an meine Timeline!