Twittern in englischer Sprache? Ein Experiment!

Gelegentlich finde ich in meiner deutschsprachigen Twittertimeline Tweets in fremden Sprachen. Manchmal sind es Tweets in Sprachen, die ich verstehe, manchmal aber auch nicht. Auf den ein oder anderen englischsprachigen Tweet habe ich bisher schon reagiert – allerdings immer mit dem „unguten“ Gefühl, daß es zwei gedankliche Hindernisse gibt:
(1) Tweets in Fremdsprachen passen nicht wirklich in meine deutschsprachige Timeline
(2) Fremdsprachige Follower haben eigentlich keinen Grund mir zu folgen, da ich eben überwiegend in deutscher Sprache twittere.

Mehrere Sprachen in einem Twitteraccount?
Auf den ersten Blick erscheint es am einfachsten, tatsächlich in deutscher und englischer Sprache in einem Account zu twittern. Anfangs hatte ich das auch so überlegt und einen Account auch mit einer englischsprachige „Bio“ angelegt. Irgendwie ist es dann nur selten dazu gekommen. Zwar habe ich an einem englischsprachigen MOOC teilgenommen, der größte Teil meines Twitteraustausches fand trotzdem in deutscher Sprache statt. Das war vielleicht auch gut so, denn in meiner Muttersprache konnte ich – ohne allzu großes Nachdenken über sprachliche Feinheiten und Fallen – Twitterkontakte aufbauen und spannende Twittergespräche führen.

Trotzdem finde ich den Gedanken, nicht nur in deutscher Sprache zu twittern, sehr attraktiv. Ich habe also länger überlegt, wie ich am besten vorgehe. Den Gedanken, im Rahmen eines Accounts in mehreren Sprachen zu twittern, habe ich nach längerem Überlegen verworfen. Ja natürlich, die meisten deutschsprachigen Twitterer werden verstehen, was ich in englischer Sprache schreibe. Im Hinblick auf andere Sprachen (ich liebäugele „heimlich“ mit Französisch und Spanisch) sieht das schon anders aus. Und potentielle Follower aus anderen Ländern, werden selber eher selten gute Deutschkenntnisse haben.

Ich selbst habe für mich die Erfahrung gemacht, daß Tweets in Sprachen, die ich so gar nicht verstehe, mich schon irgendwie „stören“. Ein Tweet in einer Sprache, die ich weder spreche noch verstehe, erreicht mich nicht. Ich kann weder angemessen reagieren noch sonst irgendetwas damit tun. Einzelne Tweets gehen sicherlich in der Menge unter, je mehr Tweets ich jedoch in einer mir unbekannten Fremdsprache sehe, desto weniger fühle ich mich angesprochen. Insofern ist eine „Mischung von Sprachen“ nur dann spannend, wenn die Empfänger/Leser dieselben Sprachen beherrschen.

Ein eigener englischsprachiger Twitter-Account?
Gedanklich folgte für mich aus meinen Überlegungen, daß ich mir einen eigenen englischsprachigen Twitter-Account zulegen „muß“. Den Gedanken hatte ich schon vor einiger Zeit, umgesetzt habe ich das Projekt erst vor ein paar Tagen.

Über meinen neuen Twitternamen hatte ich natürlich auch nachgedacht. Es war mir einerseits wichtig, daß mein Name darin vorkommt, andererseits wollte ich (da ich langfristig auch in anderen Fremsdsprachen twittern möchte) für mich ein „Sprachkürzel“ anfügen – für Englisch also „en“. Herausgekommen ist dann: @AChristofori_en

Die Registrierung bei Twitter überraschte mich etwas – liegt es daran, daß meine letzte Registrierung schon länger her ist (und ich die „Tücken“ vergessen habe) oder hat sich da etwas geändert? Jedenfalls sollte ich – nach den persönlichen Daten – meine Interessenfelder angeben. Trifft man dort eine Auswahl, so bekommt man „Celebrities“ aus diesen Bereichen vorgeschlagen, denen man sofort folgen sollte. Ich fand die Auswahl für mich nicht passend. Leider sah ich keine Möglichkeit, mit einem einfachen Klick, diese Vorschläge abzulehen – ich mußte jeden einzelnen Vorschlag wegklicken (es waren 40 …..).

Das eigentliche Experiment ….
Da war er nun – mein erster englischsprachiger Twitteraccount. Ich habe einen ersten Tweet formuliert und mir überlegt, wem ich denn folgen könnte. Hier tauchte die eigentliche Herausforderung auf: es gibt natürlich viele Themen, die mich interessieren und mir sind auch sofort ein paar „Namen“ eingefallen, aber persönliche Kontakte zu englischsprachigen Twitterern habe ich (bisher) nicht. Das macht das „Ankommen“ schwieriger.

Seit meinem Start am 16. September habe ich 7 Tweets geschrieben (davon 2 Antworten), ich folge 48 Twitterern, zwei davon folgen mir auch. Zwei weitere Twitterer folgen mir, deren Inhalte mich persönlich aber nicht ansprechen. Die Inhalte in meiner englischsprachigen Timeline sind spannend – aber im Moment eher „unpersönlich“.

Wie wird es sich entwickeln? Meine deutschsprachigen Twitteraccounts sind natürlich langsam und über einen langen Zeitraum gewachsen. Trotzdem war es „dort“ einfacher, weil mir bei Barcamps, Konferenzen und anderen Veranstaltungen immer mal wieder Menschen begegnet sind oder weil die Diskussion bei Twitter über ein Barcamp/eine Konferenz zu Twitteraustausch und damit zu neuen Kontakten geführt hat. Diese Ebene fehlt bei meinem Experiment natürlich. Läßt sich trotzdem ein persönliches und von Dialog geprägtes Twitternetzwerk aufbauen? Ich bin gespannt und stelle mir natürlich auch die neugierige Frage, wie es wohl aussieht, wenn ich das Ganze mit Französisch oder Spanisch ausprobiere …….

Twitter und die Relevanz unerwünschter Inhalte ….

Seit 2009 nutze ich Twitter. Gerade in den letzten zwei bis drei Jahren habe ich mir eine spannende Timeline aufgebaut, in der ich Inhalte finde, die mich interessieren, die mich „stören“ und die mich zum Nachdenken anregen. Im Laufe der Zeit habe ich über Twitter viele gute Gespräche geführt – gerade auch da, wo ich mich mit völlig anderen Ansichten und Lebenserfahrungen auseinander gesetzt habe. Auch wenn „meine“ Zusammenstellung sicher nicht perfekt ist, so habe ich im Laufe der Zeit doch ein gewisses Gefühl für wichtige Strömungen und ein gewisses Grundvertrauen in meine Timeline und die darin angesprochenen Themen entwickelt. Dieses gute Gefühl beruht zu einem großen Teil darauf, daß ich eben nicht „jedem“ folge und durchaus Zeit und Sorgfalt in die Zusammenstellung meiner Timeline stecke.

Und jetzt?
In den letzten Wochen mehren sich die Anzeichen, daß unangenehme Neuerungen ins Haus stehen. Unangenehm deshalb, weil die von Twitter angedachten „Neuerungen“ meine Auswahl und Autonomie in Frage stellen. Auf Twitter selbst findet man mittlerweile eine „erweiterte“ Beschreibung der „Timeline“. Irritierend ist dabei für mich vor allem der dritte Absatz:

Außerdem fügen wir möglicherweise auch einen Tweet, einen Account, dem Du folgen solltest oder sonstige beliebte bzw. relevante Inhalte zu Deiner Timeline hinzu. Das bedeutet, dass Dir manchmal Tweets von Accounts angezeigt werden, denen Du nicht folgst. Wir wählen jeden Tweet anhand vieler Faktoren einschließlich der Beliebtheit und der Interaktion von Personen in Deinem Netzwerk damit aus. Unser Ziel besteht darin, Deine Timeline auf der Startseite noch bedeutungsvoller und interessant zu gestalten.

Neben einer Zunahme von gesponsorten Tweets (die in der Timeline-Beschreibung auch ausdrücklich erwähnt werden) drohen also weitere „fremde“ Inhalte. So tauchen wohl mittlerweile fremde Tweets, die von Followern ein „fav“ erhalten haben, in manchen Timelines auf. Nach ersten Berichten sind viele Twitternutzer wenig begeistert. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es zunehmend Berichte über die möglichen Neuerungen und die Reaktionen der Nutzer.

Fremde Inhalte – na und?
Bisher sind die in den Berichten erwähnten Änderungen in meiner Timeline noch nicht aufgetaucht – und darüber bin ich auch sehr froh. Trotzdem habe ich über dieses Thema in den letzten zwei Wochen intensiv nachgedacht. Ganz klar: über die möglichen Neuerungen freue ich mich nicht. Für gesponsorte Tweets habe ich – unter dem Aspekt der Finanzierung – Verständnis. Ich würde mich zwar über andere Modelle (zum Beispiel eine bezahlte „werbefreie“ Timeline) freuen, aber in einem gewissen Sinn ist Werbung die „Kröte“, die ich für die kostenfreie Nutzung von Twitter halt „schlucken“ muß. Aber damit hört mein Verständnis auch schon auf. Ich möchte weder Tweets, die von Menschen aus meiner Timeline gefavt wurden noch „beliebte“ oder „relevante“ Inhalte von Personen erhalten, denen ich bisher nicht folge. Warum?

Twitterer nutzen die Fav-Funktion sehr unterschiedlich. Manche drücken darüber ihr Einverständnis aus, ihr Schmunzeln über lustige Sprüche oder Begegebenheiten, andere wiederum nutzen Favs, um Links oder Tweets für später zu „merken“ oder direkt (zum Beispiel in Evernote) zu speichern. Ich selbst unterscheide für mich sehr deutlich, ob beziehungsweise wie ich auf einen Tweet reagiere. Ein „Fav“ ist für mich eher eine Interaktion im Dialog – ein kleines Dankeschön, ein virtuelles Lächeln oder Winken. Diese Dialoginteraktion ist natürlich auch für andere sichtbar – für Tweetdecknutzer zum Beispiel in der Spalte „Activity“. Es ist aber ein Unterschied, ob etwas für andere „sichtbar“ ist oder ob sie es „ungewollt“ in ihrer Timeline finden. Wenn ich etwas in die Timeline meiner Follower bringen möchte, dann entscheide ich mich bewußt für einen Retweet. Diese – bewußte – Entscheidung übergeht Twitter, wenn plötzlich gefavte Tweets in der Timeline auftauchen. Und ganz ehrlich: gerade eben habe ich mir auch die Frage gestellt, ob ich unter dieser Maßgabe die Fav-Funktion überhaupt noch nutzen möchte ……

Noch ärgerlicher finde ich den Gedanken, daß völlig fremde Tweets in meiner Timeline auftauchen, weil es sich um „beliebte“ oder „relevante“ Themen handelt. Gerade die Erklärung von Twitter, daß die Auswahl von vielen Faktoren – unter anderen Beliebtheit und Interaktion von Personen in meinem Netzwerk – abhängt, bereitet mir Bauchschmerzen. Meine Timeline ist sehr bunt und enthält damit auch immer wieder Themen, die ich „freundlich ignoriere“, weil sie mich persönlich nicht berühren, aber mich bei den Menschen in meiner Timeline auch nicht stören. Spontan fallen mir Themen wie Fußball, Fernsehsendungen à la „Bachelorette“ und Twitter-Chats wie zum Beispiel der #edchatde ein. Zu den entsprechenden Zeiten sind diese Themen in meiner Timeline sehr beliebt und es finden dazu viele Interaktionen statt. Trotzdem sind diese Themen für mich nicht relevant. Ein „mehr“ an Tweets zu diesen Themen ist daher eher abschreckend als „bedeutungsvoll und interessant“.

Angst vor fremden Inhalten?
Schon im August hat Daniel Fiene in einem Blogpost gefragt, ob wir Angst vor fremdem Wissen haben. Grundsätzlich eine gute Frage – aber gleichzeitig auch eine Frage, die den Kern des Problems für mich nicht trifft. Es ist kein „Angebot“ von Twitter, mir zusätzlich – wenn ich denn will – interessante Inhalte vorzuschlagen. Damit hätte ich kein Problem und vermutlich würde ich (aus Neugier) eine solche zusätzliche Spalte sogar bei Tweetdeck einrichten. Es ist nicht die Angst vor den Inhalten oder dem damit verbundenen Wissen – denn auch Retweets dieser Inhalte könnten ja jederzeit in meine Timeline kommen – sondern das Nichtachten meiner Auswahl. Es mag durchaus sein, daß mir gelegentlich spannende Themen und Inhalte entgehen und daß es Menschen gibt, denen ich unbedingt auch noch folgen sollte. Meine bisherige Erfahrung mit Twitter ist, daß mich wichtige Themen „irgendwie“ erreichen. Für mich reicht das – vor allem, da ich Twitter mehr zum Gespräch als zur reinen Information nutze. Insofern stört es mich, wenn Twitter (oder ein anderer Dienst) mir nicht nur Vorschläge macht, sondern tatsächlich über die Werbung hinaus in „meine“ Timeline eingreift. Letztendlich hat @PickiHH recht, wenn sie schreibt „Es ist halt eben nicht DEINE Timeline, sondern Twitters Timeline“.

Gerade eben habe ich noch ein „Beispiel“ entdeckt, wie gravierend die Auswirkungen sein können. Das konkrete Beispiel macht mich gerade nachdenklich und ratlos. Jeder „unerwünschte“ Tweet ist eigentlich schon ein Tweet zuviel – aber gar 40%?

Unerwünschte Inhalte sind ….
…. halt unerwünscht. Es ist der Gedanke der „Zwangsbeglückung“, die Idee des „wir wissen besser als Du selbst, was Du lesen möchtest“, der mich stört. Genauso genervt bin ich, wenn Anrufer mir Wein und Teppiche anbieten. Die üblichen „cold calls“ eben. Ähnlich genervt wäre ich, wenn ich mir im Fernsehen eine Dokumentation anschauen möchte und mir plötzlich stattdessen – mit der Begründung „Dein Netzwerk schaut das“ – eine völlig andere Sendung eingeblendet werden würde. Der unerwünschte Inhalt ist ein Störfaktor und gerade bei Twitter empfinde ich den Störfaktor stärker, weil es „bisher“ anders war (in meiner Timeline noch anders ist).

Die Folge?
Noch habe ich die Hoffnung, daß sich Twitter eines Besseren besinnt (und die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt). Insofern denke ich weder an Weggang noch an Streik. Natürlich werde ich die Entwicklung und meine Timeline jetzt kritischer beobachten. Enttäuscht bin ich trotzdem, denn ich habe den Eindruck, daß Twitter selbst den eigenen Vorteil gegenüber anderen Plattformen überhaupt nicht verstanden hat. Schade! Aber vielleicht ist Twitter ja lernfähig, denn unerwünschte und damit „kalte“ Tweets sind eben nicht für alle Nutzer bedeutungsvoll und interessant.