Drei „Ereignisse“ haben für mich die letzte Woche geprägt: das eMarketingCamp der IHK Mittlerer Niederrhein in Krefeld, mein Besuch der Malewitsch-Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn und die Dozenten-Weiterbildung der LVQ in Mülheim an der Ruhr. Drei Veranstaltungen, die auf den ersten Blick völlig unterschiedlich sind und die doch ein „roter Faden“ verbindet.
Der rote Faden
„Haben Sie in den letzten 12 Monaten etwas Neues ausprobiert?“ fragte am Samstag die Dozentin Martina Jensen in der Dozenten-Weiterbildung der LVQ. Eine sehr gute Frage. Konkret bezogen auf die Nutzung „neuer Methoden“ in den Kursen der LVQ, läßt sich diese Frage auch allgemein stellen. Ich mußte die Frage für mich erst einmal sacken lassen. In den letzten 24 Monaten habe ich durchaus einiges Neues ausprobiert – ich habe „mein“ Urheberrechtsquiz entwickelt, ich habe Hangouts für mich entdeckt und meine Leidenschaft für das Live-Twittern. Die Ausbeute in den letzten 12 Monaten sieht etwas magerer aus – wirklich „Neues“ konnte ich auf den ersten Blick nicht entdecken.
Was ist denn überhaupt „neu“?
Habe ich tatsächlich 12 Monate lang gar nichts Neues ausprobiert? Oder verlange ich gerade zuviel von mir und möglicherweise auch von anderen?
Eine spannende Frage – gerade auch, wenn ich an das Barcamp in Krefeld und die Malewitsch-Ausstellung in Bonn denke. Malewitsch hat seine Liebe zur Kunst und seine künstlerische Berufung erst relativ spät entdeckt. Umso faszinierender ist es, daß er mit dem Bild „Das Schwarze Quadrat“ und der Stilrichtung des Suprematismus etwas völlig Neues entwickelt hat, in dem er sich von Gegenständen völlig gelöst hat. Welche Wirkung müssen diese Kunstwerke damals (1915) auf die Ausstellungsbesucher gehabt haben? Malewitsch hat – folgerichtig – aus der Sicht des Künstlers drei Tätigkeitskategorien unterschieden: das Erfinden als Gestaltung des Neuen, das Kombinieren als Umgestaltung des Vorhandenen und das Reproduzieren als Nachbildung des Vorhandenen. Auch wenn Malewitsch diese Einteilung auf die künstlerische Arbeit bezog, läßt sich die Unterteilung auch auf andere Bereiche anwenden. Aber in welchen Bereich fällt dann das eMarketingCamp der IHK in Krefeld? Als themenfokussiertes Barcamp ist es keine „Neuerfindung“ – Themenbarcamps findet man in relativ großer Auswahl. Ist das eMarketingCamp also eher eine Umgestaltung oder eine Nachbildung des Vorhandenen?
Der subjektive Aspekt
Würde ich mich jetzt nur an dieser Frage orientieren, dann würde wohl ich einen wichtigen Aspekt außer Acht lassen – die persönliche oder subjektive Seite. Es mag ja durchaus sein, daß es schon irgendwo ein Barcamp zum Thema eMarketing gegeben hat. Auch mag es sein, daß irgendwo in Deutschland eine IHK schon einmal ein Barcamp veranstaltet hat. Aber: für die IHK Mittlerer Niederrhein war es etwas Neues! Es war nicht einfach eine Kombination bereits vorhandener Veranstaltungselemente und es war auch kein Wiederholen eines bereits durchgeführten Veranstaltungsformats. Für die IHK (unterstützt durch einschlägige Experten) und viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war diese Veranstaltung sicher etwas komplett Neues, etwas Gewagtes – und der eingesetzte Mut wurde mit einer erfolgreichen Veranstaltung belohnt.
Das große Aber: die Angst vorm Scheitern
So weit so gut. Leider wissen wir alle, daß nicht jedes Experiment mit neuen Formaten oder neuen Inhalten „gut“ ausgeht. Viele Faktoren können über das „Gelingen“ oder „Scheitern“ entscheiden. Gute Vorbereitung (wie im Beispiel der IHK Mittlerer Niederrhein beim eMarketingCamp) kann entscheidend zum Erfolg beitragen, ein Garant für den glücklichen und guten Ausgang ist sie jedoch nicht. Zu einer guten Vorbereitung gehört es meines Erachtens auch, sich darüber Gedanken zu machen, welche Faktoren von Bedeutung sind und welchen Einfluß sie auf das „Ergebnis“ haben. Checklisten können in mancher Hinsicht hilfreich sein – vor allem, weil man wichtige Punkte nicht so schnell vergißt. Andererseits kann der Wunsch nach (vermeintlicher) Perfektion auch zu einem Hindernis werden. Mehr Vorbereitung kann auch zu mehr Angst vor dem „Mißerfolg“ und damit zu einem ständigen Herauszögern führen. Später halt …..
Später ….. oder: wann ist der richtige Zeitpunkt für Neues?
Ein wichtiger Aspekt ist der „richtige“ Zeitpunkt. Malewitsch erwischte mit der Ausstellung seiner bahnbrechend neuen Werke einen „unglücklichen“ Zeitpunkt – die Ausstellung fand 1915 statt, als Europa sich im ersten Weltkrieg befand. Hätte er warten sollen? Hätte er überhaupt warten können?
Hier möchte ich die Abschlußfrage aus der Dozenten-Weiterbildung der LVQ aufgreifen: Was möchten Sie in der nächsten Zeit neu ausprobieren? Eine Frage, die mich hoffentlich länger begleiten wird, denn ich finde sie sehr wichtig. Für manche Ideen werde ich einen „Testlauf“ brauchen (zum Beispiel auf einem Barcamp), andere Ideen kann ich sicher schnell – und notfalls auch ausdrücklich als „Test“ – ausprobieren. Ja, das ist nicht immer leicht und sicher wird nicht jeder Versuch nach meinem eigenen Verständnis „gut laufen“. Aber auch (oder gerade) mißglückte Anläufe haben einen großen Lerneffekt.
Auf den Weg machen ….
Mein Fazit der letzten Woche: es ist wichtig, daß ich mich auf den Weg mache. Dabei geht es gar nicht um die „großen“ Ziele, das radikal Neue. Auch die kleinen Schritte, die ich neu unternehme, sind wichtig – natürlich auch die kleinen und großen Schritte anderer Menschen. Vielleicht sind die kleinen Schritte sogar wichtiger als die großen Schritte, weil so von „Altbewährtem“ nicht nur „Stagnation“ übrig bleibt. Ich wünsche mir, daß ich sowohl bei mir als auch bei anderen mehr auf diese kleinen Schritte achte und wir uns wohlwollend mit den kleinen (und großen) Schritten anderer Menschen befassen.
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