Schon wieder weg……

Ja, ich bin schon wieder weg. Diesmal anders als vorher. Als ich im September 2018 meine (überraschenderweise ziemlich lange dauernde) Auszeit „nahm“, gab es einen konkreten (und aus meiner Sicht unschönen) Anlaß für diese Auszeit. Ich fühlte mich damals beobachtet, wußte nicht, wie ich damit umgehen sollte und konnte keine gute Entscheidung treffen. Damals habe ich aber – trotzdem – bei Twitter mitgelesen. Ich wußte, wie es den Menschen in meiner Timeline geht, was sie bewegt, worüber sie sich freuen oder worüber sie traurig sind.

Als ich im Winter „zurückgekehrt“ bin, hätte ich daher irgendwie dort anknüpfen können, wo ich aufgehört hatte. Ich habe es zumindest versucht. Es gab ein paar lustige Tweets und Gespräche, es gab ein paar ernstere Gespräche. Trotzdem war es nicht „wie vorher“. Denn was ich nicht beachtet hatte: ich hatte mich ja selbst in den letzten Monaten verändert.
Meine Timeline sprach von Hoffnung, von Sehnsucht, von (schönen) Gefühlen, von erhofften oder erträumten Begegnungen mit Menschen. Eigentlich schöne Themen – aber halt Themen, die für mich nach dem tiefen Nachdenken im Herbst einfach nicht mehr paßten. Bei ganz vielen Tweets habe ich „nein“ gedacht, bei vielen habe ich auch mit „nein“ oder einer anderen negativen Bemerkung geantwortet. Ja, für mich stimmt das halt so, gleichzeitig ist das für diejenigen, die etwas Schönes oder Positives getwittert haben, nicht wirklich schön. Anfang des Jahres fiel es mir zwar leichter, das „nein“ öfter nur noch zu denken und seltener hinzuschreiben. An meiner Haltung geändert hatte sich dadurch aber nichts. Gleichzeitig fühlte ich immer stärker, daß meine grundsätzlichen Entscheidungen von vielen nicht „akzeptiert“ wurden. Wie viele „Diskussionen“ habe ich immer wieder geführt, weil Menschen meinten sie müßten mich von dem überzeugen, woran sie zutiefst glauben. Ja, alles lieb gemeint, aber wenig „hilfreich“. Ich freue mich wirklich für jede/jeden, der/die Hoffnung hat, der/die glaubt, daß das Beste im Leben erst noch kommt oder der/die an die große Liebe im Alter glaubt. Es sind halt Einstellungen, die ich nicht teilen kann. Schwierig war es, daß diese Diskussionen oft unter Tweets stattfinden, bei denen ich mir gar keine Diskussionen gewünscht hatte, während da, wo ich mir ein Gespräch/eine Diskussion gewünscht hätte, nichts „passierte“. Vielleicht bezeichnend: mein Tweet dazu, welche Fragen mich 2018 besonders beschäftigt hatten, führte zu umfangreichen Gesprächen. Wenige wollten meine „Antworten“ wissen, einige wollten mich „beraten“ (ohne daß ich irgendwie nach einem Rat gefragt hatte).

Einige Tage später habe ich „meine Fragen“ für 2019 getwittert – verbunden mit der Frage, welche Fragen sich meine Timeline für 2019 stellt. Interessanterweise kamen dort wenig „Antworten“ (also Fragen als Antworten). Es war ein irritierender Moment. Ich habe festgestellt, daß die Themen und Fragen, die mir im Moment wichtig sind, für meine Timeline keine Bedeutung haben. Ja, ich könnte scherzen, ich könnte plaudern. Aber das würde mich nur davon abhalten, mich mit den für mich wirklich wichtigen Themen und Fragen auseinanderzusetzen. Meine Twitternutzung hatte irritierenderweise plötzlich eine Art „Ersatzfunktion“ für nicht (beziehungsweise nicht mehr) bestehende reale Kontakte. Mit dem Lesen und „Plaudern“ oder „Scherzen“ gaukelte ich mir eine Art von Gemeinschaft vor, die nicht besteht und die auch nie bestanden hat. Dazu paßt es auch, daß Gespräche sich meistens dann ergaben, wenn ich auf Tweets von anderen geantwortet habe. Meine eigenen Tweets haben eher selten Gespräche ausgelöst. Ja, das ist alles normal und nichts, was ich irgendwie kritisieren möchte. Und ja, ich weiß, daß es vielen anderen Twitternutzern auch so geht. Trotzdem führte es dazu, daß ich in den letzten Tagen sehr intensiv über meine Art der Twitternutzung nachgedacht habe. Ja, ich hätte einfach weitermachen können. Aber wollte ich wirklich nach den letzten anderthalb Jahren noch mehr „weiter so“? Noch mehr „Selbstbetrug“? Nein, das erschien mir keine Alternative.

Deshalb habe ich mich erneut zurückgezogen. Diesmal halt anders, denn ich habe seit Samstag nicht mehr in meine Timeline geschaut. Soweit die App von Twitter mir einzelne Tweets besonders „mitteilt“, bekomme ich diese mit, ansonsten bin ich „draußen“. Ich nutze die durch diesen Rückzug gewonnene Zeit für einsame Spaziergänge, für das Lesen von Büchern und natürlich auch zum Nachdenken. Ich habe keine Ahnung, wo ich gedanklich landen werde, aber das ist ohnehin nur für mich von Bedeutung, nicht für Euch.

Und nein, ich möchte nicht undankbar sein. Es liegt an mir und meiner Art der Twitternutzung, daß es nicht mehr paßt. Ich bin Euch allen für viele Tweets, Retweets, ernste und heitere Gespräche dankbar. Es war – zum größten Teil – eine schöne Zeit! Dafür danke ich Euch von ganzem Herzen!

Gedanken über meine Twitterauszeit

Seit über zwei Monaten nutze ich Twitter nicht mehr aktiv und ein Ende dieser Auszeit ist im Moment nicht abzusehen. Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt, um meine Gründe für die Auszeit und meine Gedanken hier festzuhalten.

Der Auslöser
Meine Auszeit hatte einen konkreten Auslöser. Ich fühlte mich Anfang September auf sehr unangenehme Weise beobachtet. Ich hatte hier schon berichtet, daß mich jemand in diesem Sommer mehrfach zutiefst verletzt hat. Seit Ende August folge ich diesem Menschen nicht mehr auf Twitter. Anfang September führte ich ein thematisch relativ banales Twittergespräch. Zufällig bekam ich mit, daß dieser Mensch die Tweets meiner Gesprächspartnerin favte (meine selbstverständlich nicht). Ich war sehr unangenehm überrascht. Normalerweise ist es mir selbstverständlich völlig egal, wer welche Tweets favt oder nicht favt, in der konkreten Situation fand ich dieses Verhalten völlig daneben und unglaublich unangenehm und geschmacklos.
Ich war sprachlos und ratlos und wußte zunächst nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Um eine vorschnelle und falsche Reaktion zu vermeiden, habe ich beschlossen, mich erst einmal zurückzuziehen und nachzudenken.

Was tun?
Ich zog mich also zurück und dachte über Reaktionsmöglichkeiten nach.
* Ihn ansprechen? Nein, das kam nicht in Frage. Abgesehen davon, daß er ohnehin jedes persönliche Gespräch verweigert, hat jeder Kommunikationsversuch von meiner Seite bisher nur zu weiteren Verletzungen geführt.
* Mein Twitter-Profil privat schalten? Das hätte nichts daran geändert, daß er mir immer noch folgt.
* Ihn blockieren? So unangenehm ich sein Verhalten fand und immer noch finde, so wenig finde ich ein „Blockieren“ als Reaktion angemessen. Das Blockieren ist für mich der Schritt der ultimativen Notwehr.
* Das unangenehme Verhalten einfach ignorieren? Nein, dafür störte es mich zu sehr.

Wie ich es auch drehte und wendete, ich fand keinen Weg, den ich in dem Moment als gut und richtig empfand. Also schwieg ich.

Die Eigendynamik der Auszeit
Ich war davon ausgegangen, daß mir Twitter und die Twittergespräche schnell fehlen würden. Aber je länger ich schwieg und nachdachte, desto geringer wurde meine „Twittersehnsucht“. Anfangs las ich noch im „alten Ausmaß“ mit, aber nach und nach schaute ich nur noch gelegentlich vorbei. Twitter wurde unwichtig und das in mehrfacher Hinsicht. Ich nutzte es zwar noch als Informationstool (insbesondere zur DSGVO), aber eben nicht mehr für Gespräche. Ich hatte nicht das Bedürfnis, irgendetwas zu erzählen. Alles, was ich in dem Moment machte, las oder dachte kam mir unwichtig vor (das ist auch immer noch so!) und die Tatsache, daß meine Abwesenheit nur wenigen Menschen auffiel, empfand ich in diesem Punkt als wunderbar passende Bestätigung. Es ging mir nie darum, „vermisst“ zu werden – aber die Tatsache, daß meine Abwesenheit nur wenigen Menschen auffiel, hat es mir viel leichter gemacht, wegzubleiben. Und so verstärkte sich nach und nach das Gefühl, das ich gar nicht twittern möchte. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Bisherige Erkenntnisse
Da meine Auszeit – bis auf das Verlinken von Blogbeiträgen – ja noch nicht vorbei ist, kann ich nur von meinen vorläufigen Erkenntnissen berichten.

Sieht man, wer fehlt?
Twitter lebt von der Sichtbarkeit. Wer schreibt wird gesehen, wer nicht schreibt, existiert (zumindest virtuell) nicht. Ich glaube nicht, daß mir die Abwesenheit von Twitterern aus meiner Timeline wirklich aufgefallen wäre, noch weniger glaube ich, daß ich sie (wenn ich es gemerkt hätte) auf ihre Abwesenheit angesprochen hätte. Das führt zu der spannenden Frage, ob virtuell überhaupt Nähe und Verbindung entstehen kann. Bis Mitte Juni hätte ich diese Frage bejaht, mittlerweile bin ich da sehr skeptisch. Es ist erst einmal eine scheinbare Nähe. Wirkliche Nähe und Verbindung können meines Erachtens erst dann entstehen, wenn der Kontakt über das öffentliche Twittergespräch hinausgeht – ohne persönliche Gespräche (egal über welchen „Kanal“) können Bekanntschaft oder Freundschaft weder entstehen noch bestehen. Dabei kommt es gar nicht auf die Häufigkeit der Kontakte an, wichtig ist meines Erachtens vielmehr der Aspekt der Gegenseitigkeit. Einseitigkeit tötet sowohl das Entstehen als auch das Bestehen von Bekanntschaft oder Freundschaft. Ich als Meisterin der gekappten und nicht mehr angeknüpften Gesprächsfäden weiß, wovon ich rede.

Die Rolle als stille Beobachterin
In meiner Rolle als stille Beobachterin habe ich meine Timeline ganz anders wahrgenommen als in meiner vorherigen Rolle als aktiv Twitternde. Das Blickfeld verändert sich, wenn man nicht durch Interaktionen abgelenkt wird. Ich habe sowohl die Vielfalt als auch die Problematik von Polarisierung und Ausgrenzung anders wahrgenommen. Meine Timeline habe ich bewußt sehr bunt zusammengestellt – das ist einerseits bereichernd, andererseits manchmal auch schwer zu ertragen – gerade dann wenn Menschen, denen ich folge Inhalte twittern, die ich politisch und/oder gesellschaftlich völlig ablehne. Als stille Beobachterin ist mir diese Bandbreite mit ihren Vor- und Nachteilen noch einmal sehr deutlich bewußt geworden.

Folgen und Entfolgen
Folgen und Entfolgen sind im Moment sowohl für mich persönlich als auch allgemein heikle Themen.
Persönlich entfolge ich eher selten. Gelegentlich paßt die thematische Ausrichtung nicht oder nicht mehr, gelegentlich stört mich die Sprachwahl, oft sind dies dann Twitternde, die mir ohnehin nicht folgen. Meist denke ich auch relativ lange darüber nach, ob ich entfolge oder nicht.
Auch die Entscheidung, dem Menschen nicht mehr zu folgen, der mich verletzt hat, habe ich mir nicht leicht gemacht. Eine gewisse Zeit lang hatte ich – so wie von ihm gewünscht – noch auf Freundschaft oder Bekanntschaft gehofft. Als sich sehr deutlich abzeichnete, daß beides völlig unerreichbar war, habe ich meine Entscheidung getroffen. Es war eine Entscheidung, die mir schwer gefallen ist, aber sie war notwendig und sie enthält eine sehr klare Botschaft: ich glaube nicht mehr an die Möglichkeit einer Freundschaft oder Bekanntschaft mit ihm. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ich kann die Verletzungen auch nicht einfach vergessen. Ich habe ihm meine Entscheidung (daß ich still leise und gehen werde) sogar in einer Antwort auf einen mich verletzenden Tweet mitgeteilt. Die Tatsache, daß er mir trotzdem weiterfolgt, fühlt sich zusammen mit dem oben geschilderten Verhalten falsch an.
Ein anderer Bereich, den ich im Moment heikel finde und der mir erst als Beobachterin wirklich aufgefallen ist: die Aufrufe bestimmten Menschen zu entfolgen, weil sie zu weit nach rechts gerutscht sind. Ich folge einigen Menschen, deren politische Ausrichtung ich so gar nicht teile. Aber auch diese Ansichten fallen unter die Meinungsfreiheit und ich finde es nicht unwichtig, die Gedanken und Argumente gelegentlich zu lesen (auch wenn ich dann oft sehr schwer schlucke). Soweit möglich versuche ich aber das Faven und Retweeten dieser Accounts zu vermeiden. Ich möchte an diese Accounts gerade keine positiven Signale senden. Der Hinweis, daß ein Account sich inhaltlich verändert hat, mag durchaus richtig und wichtig sein, Entfolgeaufrufe empfinde ich aber als Einschränkung meiner Informationsfreiheit.

Was nun?
Gute Frage! Ich habe mich unglaublich weit von meinen „alten“ Twitteraktivitäten entfernt und dabei einige Klarheit gewonnen, aber auch viele neue Fragen gefunden, die ich für mich noch gar nicht beantworten kann.

Was mir auf der persönlichen Ebene klar geworden ist: ich wünsche mir, daß „er“ mir nicht mehr folgt. Auch wenn ich Twitter im Moment nicht aktiv nutze, finde ich, daß es ihn nichts angeht, was ich mache, lese oder denke. Ich habe von seiner Seite kein einziges Bemühen um das Entstehen einer Freundschaft oder Bekanntschaft erkennen können, nur das schweigende Folgen. Daran kann ich nichts Positives, nichts Verbindendes erkennen – diese Beharrlichkeit hätte ich mir für das Bemühen um eine Freundschaft oder Bekanntschaft gewünscht, aber so war es halt nicht und dann paßt das weitere Folgen einfach nicht.
Blockieren empfinde ich nach wie vor als Notlösung, die ich nicht ergreifen möchte. Mir ist aber auch klar geworden, daß die Frage, ob er mir noch folgt oder nicht nur ein kleiner Mosaikstein in meiner Entscheidung ist. Die Verletzungen im Sommer haben mich verändert. Mir fehlen die Leichtigkeit, der Mut, die Spontanität und die Freude, mich auf virtuelle öffentliche Gespräche einzulassen (per DM geht es einigermaßen, wobei ich selten Gespräche beginne). Ich mag einfach nichts spontan und ungefiltert erzählen oder berichten, ich brauche den (gedanklichen) Filter von Zeit und Korrekturrunde, so daß ich mich im Moment auf (durchaus persönliche) Blogbeiträge beschränke.

Ganz allgemein beschäftigt mich, ob Twitter eigentlich ein virtuelles Panoptikum ist und wie Menschen generell im virtuellen Bereich miteinander umgehen. Aber dazu werde ich vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt etwas schreiben.

Und nein, im Moment sieht es nicht so aus, als ob ich „bald“ zu Twitter „zurückkomme“. Wer mich „vermisst“, kann mich aber problemlos per DM, Threema oder unter den Kontaktdaten im verlinkten Impressum erreichen! Meistens antworte ich relativ schnell….