Gedanken über meine Twitterauszeit

Seit über zwei Monaten nutze ich Twitter nicht mehr aktiv und ein Ende dieser Auszeit ist im Moment nicht abzusehen. Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt, um meine Gründe für die Auszeit und meine Gedanken hier festzuhalten.

Der Auslöser
Meine Auszeit hatte einen konkreten Auslöser. Ich fühlte mich Anfang September auf sehr unangenehme Weise beobachtet. Ich hatte hier schon berichtet, daß mich jemand in diesem Sommer mehrfach zutiefst verletzt hat. Seit Ende August folge ich diesem Menschen nicht mehr auf Twitter. Anfang September führte ich ein thematisch relativ banales Twittergespräch. Zufällig bekam ich mit, daß dieser Mensch die Tweets meiner Gesprächspartnerin favte (meine selbstverständlich nicht). Ich war sehr unangenehm überrascht. Normalerweise ist es mir selbstverständlich völlig egal, wer welche Tweets favt oder nicht favt, in der konkreten Situation fand ich dieses Verhalten völlig daneben und unglaublich unangenehm und geschmacklos.
Ich war sprachlos und ratlos und wußte zunächst nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Um eine vorschnelle und falsche Reaktion zu vermeiden, habe ich beschlossen, mich erst einmal zurückzuziehen und nachzudenken.

Was tun?
Ich zog mich also zurück und dachte über Reaktionsmöglichkeiten nach.
* Ihn ansprechen? Nein, das kam nicht in Frage. Abgesehen davon, daß er ohnehin jedes persönliche Gespräch verweigert, hat jeder Kommunikationsversuch von meiner Seite bisher nur zu weiteren Verletzungen geführt.
* Mein Twitter-Profil privat schalten? Das hätte nichts daran geändert, daß er mir immer noch folgt.
* Ihn blockieren? So unangenehm ich sein Verhalten fand und immer noch finde, so wenig finde ich ein „Blockieren“ als Reaktion angemessen. Das Blockieren ist für mich der Schritt der ultimativen Notwehr.
* Das unangenehme Verhalten einfach ignorieren? Nein, dafür störte es mich zu sehr.

Wie ich es auch drehte und wendete, ich fand keinen Weg, den ich in dem Moment als gut und richtig empfand. Also schwieg ich.

Die Eigendynamik der Auszeit
Ich war davon ausgegangen, daß mir Twitter und die Twittergespräche schnell fehlen würden. Aber je länger ich schwieg und nachdachte, desto geringer wurde meine „Twittersehnsucht“. Anfangs las ich noch im „alten Ausmaß“ mit, aber nach und nach schaute ich nur noch gelegentlich vorbei. Twitter wurde unwichtig und das in mehrfacher Hinsicht. Ich nutzte es zwar noch als Informationstool (insbesondere zur DSGVO), aber eben nicht mehr für Gespräche. Ich hatte nicht das Bedürfnis, irgendetwas zu erzählen. Alles, was ich in dem Moment machte, las oder dachte kam mir unwichtig vor (das ist auch immer noch so!) und die Tatsache, daß meine Abwesenheit nur wenigen Menschen auffiel, empfand ich in diesem Punkt als wunderbar passende Bestätigung. Es ging mir nie darum, „vermisst“ zu werden – aber die Tatsache, daß meine Abwesenheit nur wenigen Menschen auffiel, hat es mir viel leichter gemacht, wegzubleiben. Und so verstärkte sich nach und nach das Gefühl, das ich gar nicht twittern möchte. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Bisherige Erkenntnisse
Da meine Auszeit – bis auf das Verlinken von Blogbeiträgen – ja noch nicht vorbei ist, kann ich nur von meinen vorläufigen Erkenntnissen berichten.

Sieht man, wer fehlt?
Twitter lebt von der Sichtbarkeit. Wer schreibt wird gesehen, wer nicht schreibt, existiert (zumindest virtuell) nicht. Ich glaube nicht, daß mir die Abwesenheit von Twitterern aus meiner Timeline wirklich aufgefallen wäre, noch weniger glaube ich, daß ich sie (wenn ich es gemerkt hätte) auf ihre Abwesenheit angesprochen hätte. Das führt zu der spannenden Frage, ob virtuell überhaupt Nähe und Verbindung entstehen kann. Bis Mitte Juni hätte ich diese Frage bejaht, mittlerweile bin ich da sehr skeptisch. Es ist erst einmal eine scheinbare Nähe. Wirkliche Nähe und Verbindung können meines Erachtens erst dann entstehen, wenn der Kontakt über das öffentliche Twittergespräch hinausgeht – ohne persönliche Gespräche (egal über welchen „Kanal“) können Bekanntschaft oder Freundschaft weder entstehen noch bestehen. Dabei kommt es gar nicht auf die Häufigkeit der Kontakte an, wichtig ist meines Erachtens vielmehr der Aspekt der Gegenseitigkeit. Einseitigkeit tötet sowohl das Entstehen als auch das Bestehen von Bekanntschaft oder Freundschaft. Ich als Meisterin der gekappten und nicht mehr angeknüpften Gesprächsfäden weiß, wovon ich rede.

Die Rolle als stille Beobachterin
In meiner Rolle als stille Beobachterin habe ich meine Timeline ganz anders wahrgenommen als in meiner vorherigen Rolle als aktiv Twitternde. Das Blickfeld verändert sich, wenn man nicht durch Interaktionen abgelenkt wird. Ich habe sowohl die Vielfalt als auch die Problematik von Polarisierung und Ausgrenzung anders wahrgenommen. Meine Timeline habe ich bewußt sehr bunt zusammengestellt – das ist einerseits bereichernd, andererseits manchmal auch schwer zu ertragen – gerade dann wenn Menschen, denen ich folge Inhalte twittern, die ich politisch und/oder gesellschaftlich völlig ablehne. Als stille Beobachterin ist mir diese Bandbreite mit ihren Vor- und Nachteilen noch einmal sehr deutlich bewußt geworden.

Folgen und Entfolgen
Folgen und Entfolgen sind im Moment sowohl für mich persönlich als auch allgemein heikle Themen.
Persönlich entfolge ich eher selten. Gelegentlich paßt die thematische Ausrichtung nicht oder nicht mehr, gelegentlich stört mich die Sprachwahl, oft sind dies dann Twitternde, die mir ohnehin nicht folgen. Meist denke ich auch relativ lange darüber nach, ob ich entfolge oder nicht.
Auch die Entscheidung, dem Menschen nicht mehr zu folgen, der mich verletzt hat, habe ich mir nicht leicht gemacht. Eine gewisse Zeit lang hatte ich – so wie von ihm gewünscht – noch auf Freundschaft oder Bekanntschaft gehofft. Als sich sehr deutlich abzeichnete, daß beides völlig unerreichbar war, habe ich meine Entscheidung getroffen. Es war eine Entscheidung, die mir schwer gefallen ist, aber sie war notwendig und sie enthält eine sehr klare Botschaft: ich glaube nicht mehr an die Möglichkeit einer Freundschaft oder Bekanntschaft mit ihm. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und ich kann die Verletzungen auch nicht einfach vergessen. Ich habe ihm meine Entscheidung (daß ich still leise und gehen werde) sogar in einer Antwort auf einen mich verletzenden Tweet mitgeteilt. Die Tatsache, daß er mir trotzdem weiterfolgt, fühlt sich zusammen mit dem oben geschilderten Verhalten falsch an.
Ein anderer Bereich, den ich im Moment heikel finde und der mir erst als Beobachterin wirklich aufgefallen ist: die Aufrufe bestimmten Menschen zu entfolgen, weil sie zu weit nach rechts gerutscht sind. Ich folge einigen Menschen, deren politische Ausrichtung ich so gar nicht teile. Aber auch diese Ansichten fallen unter die Meinungsfreiheit und ich finde es nicht unwichtig, die Gedanken und Argumente gelegentlich zu lesen (auch wenn ich dann oft sehr schwer schlucke). Soweit möglich versuche ich aber das Faven und Retweeten dieser Accounts zu vermeiden. Ich möchte an diese Accounts gerade keine positiven Signale senden. Der Hinweis, daß ein Account sich inhaltlich verändert hat, mag durchaus richtig und wichtig sein, Entfolgeaufrufe empfinde ich aber als Einschränkung meiner Informationsfreiheit.

Was nun?
Gute Frage! Ich habe mich unglaublich weit von meinen „alten“ Twitteraktivitäten entfernt und dabei einige Klarheit gewonnen, aber auch viele neue Fragen gefunden, die ich für mich noch gar nicht beantworten kann.

Was mir auf der persönlichen Ebene klar geworden ist: ich wünsche mir, daß „er“ mir nicht mehr folgt. Auch wenn ich Twitter im Moment nicht aktiv nutze, finde ich, daß es ihn nichts angeht, was ich mache, lese oder denke. Ich habe von seiner Seite kein einziges Bemühen um das Entstehen einer Freundschaft oder Bekanntschaft erkennen können, nur das schweigende Folgen. Daran kann ich nichts Positives, nichts Verbindendes erkennen – diese Beharrlichkeit hätte ich mir für das Bemühen um eine Freundschaft oder Bekanntschaft gewünscht, aber so war es halt nicht und dann paßt das weitere Folgen einfach nicht.
Blockieren empfinde ich nach wie vor als Notlösung, die ich nicht ergreifen möchte. Mir ist aber auch klar geworden, daß die Frage, ob er mir noch folgt oder nicht nur ein kleiner Mosaikstein in meiner Entscheidung ist. Die Verletzungen im Sommer haben mich verändert. Mir fehlen die Leichtigkeit, der Mut, die Spontanität und die Freude, mich auf virtuelle öffentliche Gespräche einzulassen (per DM geht es einigermaßen, wobei ich selten Gespräche beginne). Ich mag einfach nichts spontan und ungefiltert erzählen oder berichten, ich brauche den (gedanklichen) Filter von Zeit und Korrekturrunde, so daß ich mich im Moment auf (durchaus persönliche) Blogbeiträge beschränke.

Ganz allgemein beschäftigt mich, ob Twitter eigentlich ein virtuelles Panoptikum ist und wie Menschen generell im virtuellen Bereich miteinander umgehen. Aber dazu werde ich vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt etwas schreiben.

Und nein, im Moment sieht es nicht so aus, als ob ich „bald“ zu Twitter „zurückkomme“. Wer mich „vermisst“, kann mich aber problemlos per DM, Threema oder unter den Kontaktdaten im verlinkten Impressum erreichen! Meistens antworte ich relativ schnell….

Mein Sommer – ein Drama in drei Akten

Manchmal verändern einen Ereignisse mehr als man denkt. Manches – so schwierig es sein mag – macht uns stärker. Manches, was zum normalen Leben gehört, wirft uns um und läßt uns Dinge an und in uns sehen, die wir nicht sehen möchten, die uns schwach, negativ und angsterfüllt erscheinen lassen. Ich bin in den letzten Monaten durch ein solches tiefes Tal gegangen. Manche haben mich auf einem Teil dieses Weges begleitet.
Mit diesem – noch einmal sehr persönlichen – Beitrag möchte ich versuchen, diese Zeit abschließen. Es ist kein schöner Blick auf mich, aber ich möchte noch einmal offen und ehrlich sein – auch weil ich über Twitter viel Unterstützung gefunden habe. Es war eine Zeit, die für mich viel in Frage gestellt hat – mehr als man von außen vermuten könnte und ich kann die Veränderungen für die Zukunft in vielen Punkten noch gar nicht einschätzen. Darf ich die Leserinnen und Leser um ein wohlwollendes Lesen bitten und daß sie mir – wenn sie sich möglicherweise verwundert die Augen reiben – zugute halten, daß ich es so schildere, wie ich es aus meiner Sicht erlebt und vor allem empfunden habe?

Mein Sommer – ein Drama in drei Akten

Dieser Sommer war für mich kein schöner Sommer und damit meine ich jetzt nicht das Wetter. Es fand leider etwas statt, das ich als Drama in drei Akten erlebt und empfunden habe. Dieses Drama hat auch dazu geführt, daß ich Twitter nicht mehr gerne nutze und als letzten Moment der Offenheit möchte ich diese Geschichte erzählen.

Prolog
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal trifft sich in Hamburg mit obercoolem Twitterer aus Norddeutschland. Das Drama beginnt.

Es war ein völlig normales kurzes Twittergespäch, das zu der Idee eines Treffens führte. Wir sprachen über Eisessen und irgendwann schrieb er ein (ohnehin nicht ernstgemeintes) „komm vorbei“. Da ich kurz danach wegen der Teilnahme an einer Tagung nach Hamburg reisen sollte entstand die Idee eines Treffens in Hamburg.

1. Akt
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal verliebt sich in obercoolen Twitterer aus Norddeutschland. Kein Happy End.

Per DM hatten wir grob den ersten Tag meiner Hamburg Zeit als einzig möglichen Termin für ein Treffen „ausgemacht“, eine konkrete Verabredung gab es nicht. Erst als ich schon im Zug nach Hamburg saß, haben wir uns für den Abend verabredet und auch tatsächlich getroffen. Über dem Treffen lag aus meiner Sicht eine seltene Vertrautheit, geknistert hat es an dem Abend nicht, es war einfach eine schöne Begegnung.
In den Tagen nach dem Treffen fand jedoch (von beiden Seiten) ein sehr reger DM-Austausch statt. Es waren sehr schöne Gespräche mit vielen unterschiedlichen Themen – er sprach (zutreffenderweise) von einem Wollknäuel von Themen. Wir planten (auf seine Initiative) einen gemeinsamen Besuch der Herrenhäuser Gärten, ich sollte ihn in Norddeutschland besuchen und wir haben uns (während er auf einer Geschäftsreise war) kurz in Köln getroffen.
Irgendwann in der Zeit der intensiven DM-Gespräche habe ich mich verliebt. Ich war immer offen und ehrlich und habe gerade an dem Tag vor dem Treffen in Köln aus meinen Gefühlen keinen Hehl gemacht. Leider hat er seine Zweifel und seinen Unwillen, eine Beziehung einzugehen, nie angesprochen. Weiter ging es mit den privaten Nachrichten. Wenige Tage später teilte er mir dann – nach einer kurzen DM-Pause – per DM mit, daß er keine Beziehung wolle. Meine Bitte nach einem Telefongespräch lehnte er rigoros ab. Ich mußte in der DM fürchterlich abgedroschene Sätze lesen. Sätze, die mir heute noch weh tun und die sich in vielerlei Hinsicht (wie zum Beispiel sein Wunsch nach Freundschaft) als inhaltsleer und unwahr herausgestellt haben. Es tat vor allem sehr weh, daß er mich in meinen Gefühlen zunächst bestätigt hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon Zweifel hatte. Um sich alle Optionen offen zu halten hat er meinen Schmerz bewußt verstärkt.

2. Akt
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal will sich auf Freundschaft mit obercoolem Twitterer aus Norddeutschland einlassen. Kein Happy End.

Ich konnte mir an dem Abend der „Ich-will-keine-Beziehung-mit-Dir-DM“ keine Freundschaft vorstellen. Ich fand das nach einer Abweisung schon immer schwierig und mir hat seine Entscheidung und seine DM sehr weh getan. Ich konnte in den darauf folgenden Tagen kaum schlafen, ich konnte mich kaum konzentrieren und daher auch kaum arbeiten und ich konnte auch kaum etwas essen. Es war eine sehr traurige und sehr schwierige Zeit, deren Auswirkungen ich sehr lange gespürt habe (ich habe meine nach 2017 ohnehin begrenzten finanziellen Reserven wieder aufgebraucht, ich konnte Aufträge nur schlecht bearbeiten und ich habe stark abgenommen).
Wenige Tage nach der DM bin ich nach Berlin zu einer Konferenz gefahren, die ich jedes Jahr zur eigenen Weiterbildung besuche. Es war fürchterlich. Zu Gesprächen mit anderen Menschen war ich nicht in der Lage, am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. Wann immer es möglich war bin ich Gesprächen regelrecht aus dem Weg gegangen.
Kurz vor der Rückfahrt nach Wuppertal saß ich bei einer Tasse Earl Grey auf dem Gendarmenmarkt und habe nachgedacht. Ich habe zumindest versucht, mich einen Moment lang in seine Lage zu versetzen. Ich fand die Vorgehensweise definitiv nicht toll, ich hätte mir auch definitiv eine andere Entscheidung gewünscht, trotzdem konnte ich in dem Moment „anerkennen“, daß ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen war und er sich in der Situation auch nicht wohlfühlte. Ich war daher bereit, auf seinen Wunsch nach Freundschaft einzugehen.
Am selben Abend schrieb ich ihm vom heimischen Rechner eine DM, daß ich bereit sei, das Treffen in Köln aus meinem Gedächtnis zu streichen und ein Buch der Freundschaft zu öffnen und mit ihm gemeinsam zu füllen. Er antwortete, daß er sich darüber freue.

Freundschaft braucht Gespräche und so habe ich versucht, ähnlich wie zuvor (nur halt in geringerem Ausmaß und mit weniger persönlichen Inhalten) per DM im Gespräch zu bleiben. Das fiel mir nicht leicht, im Gegenteil – aber ich wollte die kleine Chance auf eine Freundschaft wahren. Meist kamen auf meine DMs kurze, knappe Antworten, nie Gegenfragen, nie fing er von sich aus ein Gespräch an. Ja, irgendwann habe ich das gemerkt. Ich habe ein paar Tage gar keine DMs geschrieben und dann habe ich das angesprochen, weil ich offen und ehrlich damit umgehen wollte. Wie weh tat es mir als ich dann lesen mußte, daß er halt ganz anders sei als ich erwartet hätte und daß ich halt falsche Erwartungen habe. Mehr nicht. Der Mensch, der vorher täglich umfangreiche DM-Gespräche mit mir geführt hat, schrieb mir das. Was hieß das für mich? Daß es nie um Freundschaft ging? Daß für ihn Freundschaft komplett ohne Gespräche existiert? Daß er überhaupt kein Interesse an Gesprächen mit mir hatte? Ich weiß es bis heute nicht, denn nach der „Ich-will-keine-Beziehung-mit-Dir-DM“ war ein persönliches Gespräch überhaupt nicht mehr möglich. Und nach diesem Gespräch gab es halt keine DMs mehr.
Wieder etwas, das mir sehr weh tat und mich sehr traurig gemacht hat.

3. Akt
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal versucht wenigstens die flüchtige Twitterbekanntschaft mit dem obercoolen Twitterer aus Norddeutschland zu bewahren. Kein Happy End.

Nach einigen Wochen des Schweigens habe ich versucht, wenigstens die Twitterbekanntschaft zu bewahren. Ich habe auf einen Tweet reagiert und ich habe ihn auch bewußt in einem öffentlichen Twittergespräch erwähnt. Wie von mir vermutet nahm er das Gespräch auf. Das Gespräch war in Ordnung, aber nicht herausragend. Mir fehlte die Freude und Leichtigkeit bei diesem Gespräch. Aber es sah zumindest so aus, als ob öffentliche Twittergespräche weiter möglich seien.
Bald danach sah ich aber, daß er kurz nach dem Gespräch einen Tweet geschrieben hatte, der mich gleich doppelt traf und verletzte. Es ging in diesem Tweet um Menschen für heiße und kalte Nächte und um Menschen, die für immer bleiben. Ich hatte im Juni ja schon verstanden, daß er auf keinen Fall eine Beziehung mit mir wollte. Aber mir noch einmal so deutlich mitzuteilen (ohne mich namentlich zu erwähnen), daß ich für eine Beziehung nie in Frage gekommen war, hat mich sehr getroffen. Ich wußte immer, daß ich bei der Verteilung weiblicher Attraktivität nicht anwesend war, daß ich keine „Esmeralda“ bin. Aber seit diesem Tweet fühle ich mich wie das weibliche Äquivalent von Quasimodo. Und ich wußte auch sofort, daß ich nicht zu den Menschen gehöre, die für immer bleiben. Denn um zu bleiben muß man erst einmal ankommen, muß man irgendeinen noch so kleinen Platz im Leben eines anderen Menschen haben. Diesen Platz hatte ich nie. Mir wurde klar, daß nicht einmal eine Twitterbekanntschaft möglich sein würde.
Es tat wieder sehr weh und ich war sehr traurig.

Epilog
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal zieht sich in ihr Mauseloch zurück. Keine weiteren Nachrichten.

Wenn ich über die letzten Monate nachdenke, dann komme ich immer wieder zu drei Schlüssen.
Der erste Schluß ist: „Wer Hoffnung sät, sollte auch ernten wollen.“ Ich finde diesen Satz unglaublich wichtig. Als ich nach Hamburg fuhr, war ich nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Ich wollte einen netten Abend verbringen, Bekanntschaft oder Freundschaft wären auch in Ordnung gewesen. Mehr wollte ich nicht. Es gab genug Gelegenheiten, den Austausch auf der rein freundschaftlichen Ebene zu belassen. Leider hat er – trotz seiner Zweifel – bei mir eine Hoffnung wachgerufen, die vorher nicht da war, die er aber auch gar nicht erfüllen wollte.
Damit komme ich zu dem zweiten Schluß: „Nie wieder“. Abweisungen und Verletzungen sind nicht schön. Davon direkt drei in kurzer Zeit zu erleben ist noch einmal schlimmer. Und letztlich stehen diese Abweisungen und Verletzungen mit den Abweisungen und Verletzungen der Vergangenheit in einer Reihe. Die Botschaft des Schicksals ist eigentlich ganz einfach: Liebe und Beziehung stehen in meinem Leben nicht zur Verfügung. Ich hatte das auch früher schon verstanden, die Erfahrung dieses Sommers wäre dafür nicht notwendig gewesen. Es ist besonders grausam, daß die Hoffnung für ein paar Tage geweckt wurde und ich sie jetzt mühsam und langwierig wieder begraben muß. Das ist ein langer Prozess und ich habe sie diesmal hoffentlich tief genug begraben.
Der dritte Schluß: jemand hat einmal auf Twitter geschrieben „Es sind niemals nur Worte“. Das ist wahr. Worte können uns tiefes Glück schenken und zutiefst Hoffnungen zerstören. Ich habe beides innerhalb kürzester Zeit erlebt.

Seit Ende August folge ich ihm nicht mehr bei Twitter. Ich vermute, daß er das bemerkt hat. Trotzdem folgt er mir immer noch und ich verstehe nicht warum. Soll das ein (falsch verstandenes) Zeichen freundschaftlichen Mögens sein? Soll es Mitleid sein? Soll es die heimliche (oder gar un-heimliche) Freude sein, sich richtig entschieden zu haben? Ich weiß es nicht und ich werde es wohl auch nicht mehr erfahren. Was auch immer der Grund ist – über ein Gespräch oder zumindest einen ernsthaften persönlichen Gesprächsversuch hätte ich mich mehr gefreut. In der ganzen Zeit seit Ende Juni gab es von seiner Seite leider nur zwei halbherzige öffentliche Gesprächsversuche, irgendein Bemühen um die angeblich von ihm gewünschte Freundschaft konnte ich zu keinem Zeitpunkt erkennen.
Besonders unangenehm fand ich, daß er (als ich ihm schon nicht mehr folgte) in einem relativ banalen Gespräch die Tweets meiner Twittergesprächspartnerin favte (meine natürlich nicht). Ich hatte plötzlich das Gefühl beobachtet zu werden, diese Vorgehensweise fühlte sich für mich verdammt falsch an. Ich habe das nur durch Zufall mitbekommen und mich danach komplett von Twitter zurückgezogen, um in Ruhe nachdenken zu können. Es fühlt sich insgesamt falsch an, daß jemand der jedes persönliche Gespräch verweigert und der nur durch Abweisungen, Kälte und Desinteresse „glänzt“, mir noch folgt.

Weitere Aufführungen?
Nein. Die graue Maus geht zwar gerne ins Theater, sie liest auch gerne Dramen, aber für weitere Rollen in irgendwelchen Dramen steht sie nicht zur Verfügung.

Was in den letzten 12 Monaten geschah …..

Die letzten zwölf Monate waren in vieler Hinsicht voller persönlicher Herausforderungen für mich. An manchen Herausforderungen bin ich gewachsen, manche Herausforderungen haben mich traurig, verletzt und ratlos zurückgelassen. Ich möchte in diesem Beitrag für die Menschen, die sich über mein Schweigen wundern, zusammenfassen, was sich alles „ereignet“ hat und wie ich mich in den letzten zwölf Monaten gefühlt habe. Vielleicht könnt Ihr meinen Rückzug und meine Entscheidungen dann ein bißchen besser verstehen. Und weil das alles ganz subjektiv ist und nur meine Sicht der Dinge und meine Gefühle beinhaltet, beginne ich auch jeden Abschnitt mit „ich“. Zu einigen Themen werde ich im Laufe der Zeit aber noch weitere Blogbeiträge schreiben beziehungsweise veröffentlichen.

Die letzten 12 Monate …..
Ich habe meine Mutter bis zu ihrem Tod intensiv begleitet. Gerade die letzten Wochen ab Anfang November letzten Jahres waren schwierig aber auch sehr bereichernd. Es war schön, daß ich meiner Mutter noch so viel Zeit und meine Unterstützung schenken konnte. Das hat uns einen wunderbaren Abschied erlaubt. Mich hat der Satz, den sie mir kurz vor der Fahrt ins Hospiz gesagt hat „Es war schön mit Dir“ seitdem begleitet.

Ich habe meine Mutter auf der Fahrt ins Hospiz begleitet. Dabei konnte ich sogar ihren Wunsch erfüllen, auf dieser Fahrt nicht zu weinen. Ihr „weine nicht“ höre ich immer noch. Ich bin froh, daß ich sie auf dieser Fahrt lächelnd begleiten konnte – das war die letzte „Reise“ ihres Lebens.

Ich habe mich von meiner toten Mutter verabschiedet. Ihre Hände waren noch warm, als ich zum Abschied ins Zimmer kam. Ich habe sie gestreichelt, mich verabschiedet und noch ein paar Erinnerungsfotos für mich gemacht.

Ich habe meine Mutter begraben. Es war ein wunderbarer Abschied, für den ich heute noch dankbar bin. Es war auch wunderbar, daß Menschen mich an dem Tag begleitet haben, die meine Mutter nicht oder nur flüchtig kannten.

Ich mußte feststellen, daß manche Menschen die Entscheidungen meiner Mutter zu ihrer medizinischen Behandlung zu Lebzeiten und zu ihrem Begräbnis nicht respektieren können und mir gegenüber immer wieder – auch jetzt noch – in Frage stellen. Diese Gespräche kosten unglaublich viel Kraft.

Ich habe mich in die Arbeit gestürzt, um die Zeit, in der ich wegen der Begleitung meiner Mutter nur wenig verdienen konnte, langfristig wieder „auszugleichen“.

Ich habe festgestellt, daß der Tod der „Hauptperson“, die familiären Konstellationen stark verändert. Auf dem Papier habe ich eine große Familie, in der Realität ist das völlig anders. Es fühlt sich komisch an, praktisch keinen Kontakt mehr zu anderen Familienmitgliedern zu haben. Und ja, ich weiß, daß das vor allem an mir liegt.

Ich habe viele Orte besucht, an denen ich auch schon mit meiner Mutter war. Es waren selten bewußte Besuche, oft war es eher Zufall. Ich habe dort eine wunderbare Ambivalenz meiner Gefühle erlebt. Einerseits war ich im Moment der Erinnerung kurz traurig und dachte „schade, daß meine Mutter nicht dabei sein kann“ und im gleichen Moment konnte ich denken „schön, daß ich mit meiner Mutter hier war“. Es war wunderbar, dies an ganz vielen – oft auch unscheinbaren Orten – immer wieder zu erleben.

Ich habe festgestellt, daß meine Art mit Tod und Sterben umzugehen und darüber auch zu sprechen, für viele Menschen ein Problem darstellt. Es gab nach dem Tod meiner Mutter einige gute Gespräche, es gab aber auch so manches irritierende und abgebrochene Gespräch. Manche haben auch immer noch nicht mitbekommen, daß meine Mutter letztes Jahr gestorben ist. Auf die Frage „wie geht es Ihrer Mutter“ reagiere ich meist lächelnd mit einem „letztes Jahr Anfang Dezember gestorben“. Das ist für die Fragenden oft sehr schwierig, aber der Tod meiner Mutter ist für mich nichts wirklich Trauriges mehr.

Ich habe viele Ausstellungen besucht, die mich persönlich interessieren. Oft habe ich dafür Tagesausflüge oder kürzere Reisen unternommen.

Ich hatte wieder mehr Zeit zum Kochen und habe viele neue Rezepte ausprobiert – nicht alle Versuche waren gut, aber einige Rezepte haben mich wirklich überzeugt.

Ich habe mich verliebt und wurde – wie immer in meinem Leben – abgewiesen.

Ich habe Menschen in mein Leben gelassen und auch wieder verloren. Ein Mensch hat mich mehrfach und sehr tief an meiner Seele und in meinem Herzen verletzt. Aus dem Gefühl einer wunderbaren Seelenverwandtschaft, die ich so noch nie erlebt hatte, wurde eine offene eiternde Wunde, die sich langsam in eine häßliche Narbengeschwulst verwandelt.

Ich habe in der dunklen Zeit der Abweisung und in den durchwachten tränenreichen Nächten Ende Juni und Anfang Juli sehr viel Unterstützung über Twitter bekommen. Dafür bin ich nach wie vor sehr dankbar, auch wenn ich auf den Anlaß gerne verzichtet hätte.

Ich habe (unfreiwillig) stark abgenommen, in den letzten Monaten bin ich zudem stark gealtert – ich merke das, wenn ich in den Spiegel schaue.

Ich habe mich mit wunderbaren Reisen getröstet. Stralsund mit einem Ausflug nach Binz, Trier mit dem Twittertreffen und Wittenberg mit der Erlebnisnacht waren wahre Highlights. Unvergessen ist mir die nächtliche Kirchenführung in Wittenberg mit dem Spruch „im tiefsten Dunkel der Nacht beginnt der neue Tag“.

Ich habe um meine berufliche Existenz gekämpft. Es war beruflich ein schwieriges Jahr. Die Herausforderungen der DSGVO, die Vielzahl der Unterrichtstage, die oft zeitlich nah beeinander lagen, die nachvollziehbare Ungeduld mancher Mandanten, weil ich innerhalb eines Jahres mehrfach „ausgefallen“ bin, die schon durch die Begleitung meiner Mutter erschöpften finanziellen Ressourcen – es gab wenig Momente, in denen ich einfach durchatmen und mich über Erfolge freuen konnte.

Ich habe – zusammen mit einem anderen Twitterer – eine Blogparade zum Thema „Freiheit“ begonnen, die ich aber nicht zuende führen konnte. Ich habe es nicht einmal geschafft, einen eigenen Beitrag zu diesem für mich wichtigen Thema zu schreiben.

Ich habe mich (zum ersten Mal in meinem Leben) auf Twitter unangenehm beobachtet gefühlt und mir die Frage gestellt, ob Twitter eine verbale Flaniermeile oder ein virtuelles Panoptikum ist. Oder beides?

Ich habe mich komplett zurückgezogen und eine ausführliche Twitterauszeit genommen, um nachzudenken und dabei festgestellt, daß meine Stimme im Konzert der Twitter-Stimmen nicht fehlt. Nur wenige aus meiner Timeline haben überhaupt gemerkt, daß ich nicht mehr da bin. Und je länger ich „weg“ bin, desto mehr wird mir bewußt, wie unwichtig meine Tweets sind – für mich selbst, aber auch für meine Timeline. Es war und ist unwichtig, ob ich etwas aus meinem Leben erzähle oder nicht, für die meisten Menschen ist es sogar unwichtig, ob es mich überhaupt gibt. Es ist irritierend und gleichzeitig auf eine gewisse Weise heilsam, sich so unwichtig zu fühlen. Nach allem, was ich in diesem Jahr erlebt habe, ist Twitter für mich kein fröhlicher und leichter Ort mehr. Im Moment kann ich mir – außer für die Verlinkung von Blogbeiträgen – jedenfalls nicht vorstellen, Twitter wieder aktiv zu nutzen.

Ich war immer eine graue Maus und habe jetzt erkannt, daß ich das auch immer noch bin. Dementsprechend habe ich mir vor ein Wochen auch nur noch graue Pullover gekauft. Meine Lieblingsfarbe „rosa“ war eine schöne Illusion, doch die Farbe der Pullover hat leider keinen positiven Einfluß auf die Pulloverträgerin.

Ich habe mit zwei Sprachkursen begonnen, damit ich einen guten Grund habe, aus dem Haus zu gehen und gleichzeitig das Gefühl habe, etwas Sinnvolles zu tun.

Ich habe mich von einem Projekt, das mir sehr am Herzen lag, verabschieden müssen, weil ich die an mich gestellten Anforderungen einfach nicht erfüllen kann. Vermutlich wird dieser Twitterkontakt auch einschlafen.

Ich habe sehr viele Theateraufführungen besucht. Manche waren gut, manche sehr gut, manche – wie die der Bremer Shakespeare Company am letzten Samstag – grandios. In vielen Stücken habe ich Stellen gefunden, die irgendwie „an mich gerichtet waren“ und es war immer schön, für ein paar Stunden in eine andere Welt einzutauchen.

Ich habe meine Freude am Small Talk, an Gesprächen mit (noch) Unbekannten und meine Neugier auf Menschen verloren und noch nicht wiedergefunden. Mehr als nur oberflächliche Freundlichkeit gelingt mir selten. Das ist auch ein Grund, warum es mir leicht fällt, auf Twittergespäche zu „verzichten“. Ob ich die Freude an solchen Gesprächen jemals wiederfinden werde?

Ich arbeite daran, die fahrlässig im Sommer geweckte Hoffnung, daß es in meinem Leben „Liebe und Beziehung“ geben könnte, tief und endgültig zu begraben. Es ist eine harte, traurige und mühsame Arbeit. Aber es macht keinen Sinn, auf etwas zu hoffen, daß nie eintreten wird. Ich habe immer nur Abweisungen erlebt, es gibt keine Erinnerung an irgendeine gute Zeit und jeder weitere Versuch, würde wohl unweigerlich zur nächsten Abweisung und Verletzung führen.

Ich habe in den letzten 12 Monaten viele Tränen vergossen und gelernt, daß es unterschiedliche Arten von Tränen gibt. Es gibt die guten Tränen, die befreien und Kraft geben. Es waren diese Tränen, die ich im November und Dezember geweint habe. Wie oft bin ich kurz aus einem Raum herausgegangen, weil die Tränen kamen; wie oft habe ich mich abgewendet und schwer geschluckt, um nicht im Beisein meiner Mutter in Tränen auszubrechen. Aber es waren gute Tränen – sie haben mir unendlich viel Kraft gegeben.
Dann gibt es noch die Tränen, die schwächen und Kraft rauben. Es sind diese Tränen, die ich seit Ende Juni in großer Zahl vergossen habe. Aus jeder dieser Tränen (und es waren sehr viele!) ist ein Stein geworden und mit diesen Steinen baue ich gerade einen dicken und hohen Schutzwall um meine Seele und um mein Herz.

Ich schaue mit sehr gemischten Gefühlen auf die letzten zwölf Monate zurück. Vieles, was mir vor einem Jahr wichtig war, ist nicht mehr wichtig. Es hat sich viel geändert und ich hätte (bis auf den Tod meiner Mutter) nichts davon vermutet. Das macht es manchmal auch schwierig, fröhlich und hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Aber bis auf den einen Lebensbereich, den ich oben gesondert erwähnt habe, bin ich grundsätzlich optimistisch veranlagt und so hoffe ich, daß die nächsten 12 Monaten Stoff für schönere Berichte liefern werden. In der Zwischenzeit verarbeite ich die oben erwähnten Themen zumindest zum Teil in Blogbeiträgen, die ich auf Twitter verlinken werde.

Versuch einer Bilanz der letzten Wochen ……

Wer mir bei Twitter folgt und meine Tweets tatsächlich auch liest beziehungsweise zumindest wahrnimmt, hat sicherlich mitbekommen, daß die letzten 7 – 8 Wochen für mich eine merkwürdige Zeit waren. Erst eine Zeit voller Leichtigkeit und Vorfreude, dann eine Zeit voller Schmerz und Traurigkeit. Mit meiner Rückkehr aus Stralsund, wo ich einen Kurzurlaub verbracht habe, möchte ich über diese Zeit eine kurze – eher emotionale – Bilanz ziehen und diese Zeit damit (zumindest für den Moment) abschließen und bewerten. Bilanz ziehen heißt dabei nicht, daß jetzt alles „gut“ oder „vorbei“ ist, aber ich habe in den letzten Tagen und Wochen weitestgehend das nötige Gleichgewicht wiedergewonnen, um mich nicht ständig mit „diesem“ Thema zu beschäftigen, dieser Dienstag (17.07.2018) war aufgrund eines leider mitgelesenen Tweets ohne namentliche Erwähnung leider ein trauriger „Rückfall“.

Aber zur eigentlichen Bilanz – ich möchte aufzeigen, was für mich verloren gegangen ist, gleichzeitig (und dies wiegt in keiner Weise das Verlorene auf) sind aber auch positive Dinge passiert. Man kann das Positive und das Negative nicht einfach gegenüberstellen, sie heben sich nicht auf und so paßt es, daß ich unterwegs in dem Buch „Werte“ von Peter Prange etwas von Schopenhauer über das Leiden las. Schopenhauer zitiert dort Petrarca mit seinem Spruch „Mille piacer‘ non vogliono un tormento“ (was übersetzt heißt: Tausend Genüsse sind nicht eine Qual wert.) Ja, ja, und nochmals ja. Schopenhauer schreibt dann weiter: „…ebensowenig macht mein gegenwärtiges Wohlsein meine früheren Leiden ungeschehn.“ Auch hier rufe ich ja (wobei es bei mir ja gerade andersherum ist). Vielleicht hat mich gerade dieser Text bewogen, tatsächlich eine Art „Bilanz“ zu erstellen …..

Verloren gegangen……
– die Schmetterlinge im Bauch: eine ganz kurze Zeit hatte ich mit 49 Jahren noch einmal das schöne Gefühl der Schmetterlinge im Bauch. Ich hatte nicht danach gesucht und war freudig überrascht. Aber die Härte der kurz danach folgenden Abweisung überlagert diese Erinnerung. Liebes Schicksal: ich hatte auch vorher schon begriffen, daß die Themen „Liebe“ und „Beziehung“ nicht in mein Leben gehören. Diese neuerliche und so schmerzhafte Runde hätte ich wirklich nicht gebraucht und ich möchte an diesem „Spiel“ auch nicht mehr teilnehmen. Ich habe Angst zu zerbrechen, wenn ich so etwas noch einmal erleben muß.

– die Hoffnung auf zärtliche Momente

– der Gedanke an weibliche Intuition: ich habe vertraut und noch nie in meinem Leben so falsch gelegen. Das habe ich in meinem Blogbeitrag „Verrannt? Verrannt!“ ausführlicher geschildert.

– der Gedanke daran, zumindest gelegentlich zu zweit den Kampf gegen die Windmühlenflügel des Alltags und des Lebens aufzunehmen

– Vertrauen: ich habe vertraut und ich leide darunter, daß ich vertraut habe. Liebe Männer, es ist völlig in Ordnung, wenn man keine Beziehung haben möchte. Aber bitte bitte sprecht das doch frühzeitig an!! Sollte ich (was sehr unwahrscheinlich ist) jemals in meinem Leben noch einmal in eine Situation „potentieller Verliebtheit“ kommen, werde ich das Thema ansprechen müssen, denn eine Beziehung kann ich mir nach diesem Erlebnis nicht mehr vorstellen.

– die Freude an/auf Kirschen

– ein mir sehr wichtiger und lieber Gesprächsfaden (dazu mein Blogbeitrag Der gerissene Gesprächsfaden)

– ein vorher schon lange bestehender Kontakt (siehe Gesprächsfaden)

– mein normaler Schlaf- und Aufwachrhytmus: es ist zwar wieder besser geworden, aber auf meine normalen 7 bis 8 Stunden Schlaf komme ich noch nicht.

– 6 kg Gewicht

– der Ameisenthread: ich weiß nicht, wie lange Ameisen überhaupt leben, leider ist der Thread, der mich im letzten Jahr in schwierigen Zeiten (Sterbebegleitung meiner Mutter) oft erheitert hat, in der Zwischenzeit „gestorben“ und damit auch verloren gegangen.

– ein größerer Teil meiner inneren Ruhe und Gelassenheit. Goethe hat es mit den ersten beiden Zeilen eines Gedichts, das auch im Faust vorkommt, gut getroffen: „Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer.“

Gewonnen ……
– viele Erkenntnisse über mich selbst, darunter auch die Bestätigung der Erkenntnis, daß Liebe und Beziehung in meinem Leben keinen Platz haben.

– die Erkenntnis, daß man an einem solchen Schmerz durchaus auch zerbrechen kann. Nein, das ist mir nicht passiert, aber ich kann das jetzt sehr gut nachvollziehen.

– viele Themen für Blogbeiträge. Angefangen hatte ich ja mit Wie offen darf es sein, weitere Beiträge habe ich oben verlinkt und das Nachdenken über die Situation hat mir auch viele weitere Themen aufgezeigt, die nicht konkret mit meiner Situation zusammenhängen.

– das Erleben eines enormen Rückhalts auf Twitter. Viele Menschen haben mir DMs geschrieben, haben mir angeboten zu telefonieren, haben mich bei Tag und Nacht aufgemuntert, mir Vorschläge unterbreitet und mich aufgeheitert. Es war wunderbar, in einer für mich so traurigen und schwierigen Situation von so vielen Menschen getragen zu werden!

– neue Kontakte: sowohl durch mein Twittern und meine Blogbeiträge als auch durch meine veränderte Wahrnehmung von Beiträgen anderer, sind neue Kontakte und neue Gespräche entstanden, letzte Woche habe ich sogar eine mir bis einen Tag vorher völlig unbekannte Twitterin zu einem Gespräch getroffen. Das ist – bei aller Traurigkeit – auch wieder eine schöne Entwicklung.

– neue Freundschaften: ich habe den Eindruck, daß sich auch neue Freundschaften entwickeln. Die Zeit wird zeigen, ob das stimmt, aber schon der Gedanke ist ein Gewinn!

– einen (hoffentlich) offeneren Blick für die Sorgen und Nöte anderer Menschen, gleichzeitig ein Mitfreuen, wenn es ihnen gut geht und sie sich über Dinge/Entwicklungen in ihrem Leben freuen.

– das öffentliche Nachdenken über Themen wie Freiheit: das Thema war mir immer wichtig, vorher habe ich es jedoch selten öffentlich angesprochen. Es fühlt sich richtig an, dies jetzt zu tun.

Und nun?
Das war sie, meine Bilanz. Ein kurzer Überblick, der sicherlich eher traurig klingt. Ja, der Grauschleier ist noch da, der Sommer nicht unbeschwert, aber ich habe doch vieles wiedergefunden, was mein Leben ausmacht. Meine Ironie (vor allem die Selbstironie), meine Art Twittergespräche zu führen, meine Liebe zu Büchern und Spaziergängen, meine Liebe zu genußvollen Momenten.

Ein Twitterer hatte die Situation im Juni sehr treffend zusammengefaßt. Er sagte damals sinngemäß „Du hattest Dein Visier offen“. Ja, stimmt. Und das ist glaube ich der Punkt, an dem die größte Änderung eingetreten ist: in einem gewissen Sinne habe ich mein Visier jetzt geschlossen und die Zugbrücke hochgezogen – nicht für Bekanntschaft und Freundschaft, nicht für Empathie und Dankbarkeit, aber für alles, was mit „Verliebtheit“ und „Beziehung“ zu tun hat.

Und in diesem Sinne möchte ich Euch jetzt einen wunderbaren Sommer voller wunderschöner Momente und Ereignisse wünschen!

Verrannt? Verrannt!

Vorhin habe ich einen Tweet gelesen, in dem es um das „emotionale Verrennen“ ging. Ich weiß nicht, ob ich mit diesem Tweet gemeint war, aber ich fühlte mich angesprochen. Es war sozusagen ein „Triggertweet“ und jetzt sitze ich bei einem kurzen Orgelkonzert in der Stralsunder Marienkirche und schreibe.

Ja, ich habe mich in den letzten Wochen verrannt und zwar so sehr wie schon lange nicht mehr.
Ich habe mich verrannt, weil ich meinen Gefühlen vertraut habe.
Ich habe mich verrannt, weil ich an das Bestehen übereinstimmendender Gefühle geglaubt habe.
Ich habe mich verrannt, weil ich diese Zeit als ein zartes und kostbares Geschenk angesehen habe, das man nicht einfach wegwirft.
Ich habe mich verrannt, weil ich wirklich schönen Worten vertraut und geglaubt habe.
Ich habe mich verrannt, weil ich mich für meine Gefühle entschieden habe.
Ich habe mich verrannt, weil ich die Vertrautheit und die Gespräche für etwas Besonderes hielt.
Ich habe mich verrannt, weil ich selbst nach der Abweisung entgegen meiner Gefühle und Bedürfnisse eine Freundschaft wagen wollte.
Ich habe mich verrannt, weil ich den Gesprächsfaden als Basis einer Freundschaft wahren wollte.
Ich habe mich in so vielem verrannt, das ich nicht einmal mehr weiß, wo ich wirklich stehe.

Eins möchte ich aber auch klarstellen: in all meinen Tweets und Beiträgen wollte ich immer nur schildern, wie es mir geht, wie ich die (für mich sehr traurige und belastende) Situation empfunden habe. Es ging und geht nicht darum, ob er etwas falsch gemacht hat. Die Situation ist wie sie ist. Ich weiß nicht, wie es ihm geht. Ich weiß nicht, wie er mit der Situation und seiner Entscheidung umgeht. Ich weiß nicht, ob er traurig ist. Ich weiß nicht, ob für ihn ein Gespräch mit mir noch möglich oder wünschenswert wäre.
Aber: ohne Gespräch werde ich das auch nie erfahren und nachdem ich mich in den letzten Wochen schon ständig verrannt habe, bin ich nicht in der Lage, ein Gespräch zu beginnen. Ich hätte zuviel Angst mich schon wieder zu verrennen.

Der gerissene Gesprächsfaden

Ich bin gescheitert. Schon wieder. Und in einem gewissen Sinne ist dies die Fortsetzung von „Wie offen darf es sein“. Dort berichtete ich vor kurzem, wie ich mit meinem Gefühl der Verliebtheit gescheitert bin. Er sagte damals, er wünsche sich Freundschaft mit mir. Ich habe einige fürchterliche Tage (und schlaflos durchtwitterte Nächte) zugebracht. Wer meine Tweets in der Zeit vom 23.06.2018 bis zum 01.07.2018 mitverfolgt hat (oder jetzt nachliest) wird das bestätigen können. Aber ab dem Sonntagnachmittag ging es mir besser und ich war – entgegen meiner „üblichen“ Vorgehensweise – bereit, mich auf das Experiment Freundschaft einzulassen.

Freundschaft braucht Gespräche
Es klingt fürchterlich banal, wenn ich hier schreibe, dass Freundschaft Gespräche braucht. Das, was so einfach und banal klingt, war für mich in der Zeit ab dem 23.06.2018 die größte Hürde. Aus einem persönlichen Treffen in Hamburg hatten sich wunderbare DM-Gespräche entwickelt. Wunderbar deshalb, weil diese Gespräche eine geradezu spielerische Leichtigkeit und Themenvielfalt hatten, die mir so noch nicht begegnet ist. Ich hatte das Gefühl mit einem Menschen zu sprechen, der eine wunderbare Seele hat – es war das Gefühl, einer verwandten Seele begegnet zu sein. Und irgendwann schlich sich (ohne dass ich es sofort bemerkt habe) ein Gefühl der Vertrautheit und Verliebtheit ein. Ja, großer Fehler und leider einseitig. Ich habe in den letzten Wochen einen ziemlich hohen Preis dafür gezahlt, dass ich mir meine Gefühle eingestanden habe und auch ihm gegenüber ehrlich war.

Der Inhalt der Gespräche hatte – bis auf minimale Ausnahmen – nie etwas mit diesen Gefühlen zu tun. Eine Freundschaft hätte also auf der Basis dieser spielerisch leichten und guten Gespräche ansetzen können. Wenn es da nicht die Schere im Kopf gegeben hätte…..

Die Schere im Kopf
Ja, die Schere im Kopf. Mit sehr vielen Menschen kann ich auch jetzt locker und leicht plaudern, witzige Gespräche und Diskussionen führen. Aber ihm eine DM zu schreiben war nicht nur schwierig, es war regelrecht eine Qual. Mein innerer Zensor nahm jede angedachte DM präzise auseinander. Zu unwichtig, das interessiert ihn nicht, das geht ihn nichts, warum willst Du ihm das schreiben…… sind nur eine kleine Auswahl der vielen Antworten meines Zensors. Mit jedem Tag wurde es schwieriger, irgendwie überhaupt im Gespräch zu bleiben. Eine Information zu Kafka nach dem Besuch einer Lesung – ja, das ging und daraus entspann sich auch ein kurzes und durchaus gutes Gespräch, an einem anderen Tag eine Information über ein absolut lesenswertes Buch, das ich an dem Tag selbst gelesen hatte – ja, ging für meinen Zensor, führte jedoch nicht zu einem Gespräch. Ich merkte, dass es mir jeden Tag schwerer fiel, im Gespräch zu bleiben. Gleichzeitig wußte und fühlte ich, dass ich einen einmal gerissenen Gesprächsfaden nicht wieder aufnehmen könnte. Ich behalf mir daher mit „nichtssagenden“ Guten-Morgen- und Gute-Nacht-DMs. Und mit nichtssagend meine ich, dass ich an vielen Tagen tatsächlich nur „Guten Morgen“ oder „Gute Nacht“ in die DM geschrieben habe. Mal kamen Antworten, mal nicht, selten kamen kurze Gespräche zustande.

Die Glaswand
Im öffentlichen Bereich von Twitter erlebte ich seine Tweets so eloquent wie eh und je. Nur im DM-Austausch mit mir kam es nicht mehr zu den spielerisch leichten und fröhlichen Gesprächen. Als ich während meiner kurzen Pause (kleiner Kurzurlaub) darüber nachdachte, fiel mir das Buch „Die Wand“ von Marlene Haushofer ein. Die Ich-Erzählerin stellt in der Geschichte fest, dass sie durch eine Glaswand von der restlichen Welt abgetrennt ist, sie muss ab diesem Moment ganz alleine zurechtkommen. So drastisch ist meine Situation glücklicherweise nicht – aber zwischen ihm und mir und befindet sich eine Glaswand, die für mich mittlerweile völlig undurchdringlich geworden ist. Ich plauderte (außerhalb der kurzen Pause) mit vielen Menschen, wenn ich ihn konkret „ansprach“ (sozusagen mit einer DM oder einem Tweet in dem er namentlich erwähnt war an die Glasscheibe klopfte) kam es gelegentlich noch zu einem Austausch, aber eher im öffentlichen Bereich von Twitter mit anderen zusammen, immer seltener als DM-Gespräch. Ich merkte zusehends, dass er mich nie von sich aus ansprach und dass, obwohl er den Wunsch nach Freundschaft geäußert hatte.

Der Riss
Es kam, wie es wohl kommen mußte, der Gesprächsfaden riss. Letztlich war es ein kleiner Tropfen, der bei mir das Fass zum Überlaufen und den Gesprächsfaden zum Reissen brachte. An einem Sonntagmorgen hatte ich mich überwunden ihn zu fragen, was er denn an dem Tag vorhabe. Ja, ich bekam eine kurze Antwort. Es kam aber kein „Und Du?“ und so erzählte ich nichts von meinen Plänen für den Tag. Ich ging an diesem Tag in Düsseldorf in die Ausstellung „Black & White“ und in der (grauen) Installation von Hans Op De Beek wurde mir bewußt, daß ich die Kommunikation mit ihm als einseitig, kalt und völlig desinteressiert empfand. Ich habe die Kommunikation mit einem Menschen, der von sich selbst behauptet, sich eine Freundschaft mit mir zu wünschen, noch nie als so kalt, abweisend, einseitig und desinteressiert empfunden. Und es war so völlig anders als in der Zeit nach dem Treffen in Hamburg.
Da stand ich nun in diesem grauen Zimmer und dachte über graue Kommunikation nach. Mir wurde klar, dass ich keine DMs mehr schreiben wollte – wozu auch, wenn daraus ohnehin kein gutes Gespräch entsteht.
Am folgenden Tag habe ich meine Erkenntnis in einem öffentlichen Tweet mit folgenden Worten zusammengefasst:

„Erkenntnis des Wochenendes: Freundschaft kann nur da entstehen/wachsen, wo beide ein ehrliches Interesse am Leben des anderen haben und zeigen. Einseitigkeit tötet den Gedanken der Freundschaft, dann ist es bestenfalls lose Bekanntschaft, wenn man sich zufällig (zB hier) begegnet.“

Das letzte DM-Gespräch
In diesem Tweet (der auch zu einem spannende Gespräch mit einem anderen Twitterer führte) lag nicht nur meine Erkenntnis, sondern auch meine „Handlungsentscheidung“. Ich habe ihm diesen Tweet zwei Tage später in einer DM verlinkt und daraus ergab sich ein letztes trauriges Gespräch. Er sprach von unterschiedlichen Bedürfnissen, fühlte sich anscheinend völlig mißverstanden und bat mich seine Bedürfnisse (die er vorher nie formuliert hätte) nach wenig Kummunikation/Reaktion zu akzeptieren. Ja, auch ich fühlte mich völlig mißverstanden – und zwar von ihm. Ich hatte tatsächlich gehofft, eine Freundschaft aufbauen zu können.

Und nun?
Nullpunkt. Schweigen, und zwar völliges Schweigen. Ja, ich weiß – von einem Nullpunkt aus kann sich zumindest theoretisch auch wieder ein Kontakt entwickeln. Aber es ist paradoxerweise so, dass ich nichts einfach so von mir erzählen möchte und er nichts fragen wird. So werden wir im Schweigen verharren und vielleicht kann man dann irgendwann ergänzen „und wenn sie nicht gestorben sind, dann schweigen sie noch heute“.
Ich weiß nicht einmal, ob ich dieses Schweigen möchte, ich weiß nur, dass ich es nicht durchbrechen kann – das ist einer der wenigen Punkte, wo ich nicht aus meiner Haut heraus kann…. Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn überhaupt auf diesen Beitrag hinweisen werde.

Warum ich das alles schreibe? Vielleicht liest er das und kann dann wenigstens meine Reaktionen verstehen und vielleicht ist es für den einen oder anderen Leser ja auch einfach so interessant.

Anmerkung: Links werden nach der kurzen Pause ergänzt.

Wie offen darf es sein?

Normalerweise erwähne ich mein Privatleben in der Öffentlichkeit – also auch auf Twitter – kaum. Man könnte fast vermuten, daß ich kein Privatleben habe. Das ist natürlich nicht so. Aber meist finde ich es hilfreich, wenn nicht jeder „alles“ über mich und mein Leben weiß. Diesen Grundsatz habe ich in den letzten 7 Monaten dreimal gebrochen und das sehr bewußt. Heute Morgen habe ich darüber nachgedacht und diese Gedanken möchte ich hier jetzt zusammenfassen. Aber erst einmal die drei „Verstöße“ gegen meinen Grundsatz der Privatheit …..

Der schwerste Tag des Jahres 2017 – der 1. Dezember 2017
Ende November 2017 ging es meiner Mutter aufgrund ihrer Krebserkrankung schon sehr schlecht. Wir hatten irgendwann den SAPV hinzugezogen, aber es wurde täglich schwieriger. Am 30.11. erfuhren wir am Nachmittag, daß sie am Nachmittag des 01.12.2017 ins Hospiz gehen konnte. Das war ihr Wunsch und insofern eine gute Nachricht. Terminlich war das für mich allerdings schwierig. Ich sollte am 01.12.2017 in der LVQ unterrichten – zweiter Tag im Social-Media-Manager-Kurs. Telefonisch habe ich mich mit der LVQ darauf geeinigt, daß ich bis zum Mittag unterrichte, für den Rest des Tages Aufgaben vorbereite und dann gehe, um meine Mutter ins Hospiz zu begleiten. So stand ich am Morgen des 01.12.2017 vor einem Raum fröhlicher und erwartungsvoller angehender Social-Media-Manager. Es war so schwer. Ich konnte kaum sprechen, mir kamen die Tränen. Und doch mußte ich da irgendwie „durch“. Ich hatte unterwegs schon beschlossen, daß ich berichte, warum es mir nicht gut geht. Also habe ich mit brechender Stimme und unter leichten Tränen erzählt, daß ich an dem Tag nur bis zum Mittag unterrichte, weil ich danach meine Mutter ins Hospiz begleite (und bei der Erinnerung an diesen Moment fließen auch jetzt wieder meine Tränen). Ich habe mich dann einen Moment umgedreht, mich geräupsert und dann konnte ich unterrichten.
Ich glaube, daß es eine gute Entscheidung war, so vorzugehen. Ich würde es jedenfalls wieder so machen.

Der 5. und 6. Dezember 2017
Am 5. Dezember starb meine Mutter am frühen Morgen im Hospiz. Ich war dankbar, daß sie einschlafen konnte und natürlich gleichzeitig traurig. Im Laufe der Jahre hatte ich mit vielen Menschen, mit denen ich auf Twitter vernetzt bin, über die Krankheit meiner Mutter gesprochen. Deshalb kam ich auf die Idee, meine „Gefühlslage“ in dem Moment auch auf Twitter zu veröffentlichen und zwar mit folgenden Worten:

„Nach einer sehr schweren Zeit ist meine Mutter gestern friedlich eingeschlafen. Ich bin traurig, gleichzeitig dankbar, daß sie gehen konnte.“

Es war eine gute Idee. Ich habe sehr viele nette Tweets und Nachrichten erhalten, es war das Gefühl im Moment der Trauer nicht allein zu sein. Ich war und bin sehr dankbar dafür, daß meine Menschen in dem Moment an mich gedacht haben, mir Kraft gewünscht haben und sich bei mir gemeldet haben.

Der schlimmste Tag des Jahres 2018 – der 23. Juni 2018
Durch die intensive Begleitung meiner Mutter bis zum Tod ging es mir schon kurz nach ihrer Beerdigung relativ gut. Ich hatte mich schon in der Zeit von August bis Dezember von ihr verabschiedet – jeden Tag ein kleines bißchen mehr. Januar und Februar waren schon noch schwierig, aber ab März ging es deutlich aufwärts und im April und Mai hatte ich mein „altes fröhliches und gelassenes Ich“ komplett wiedergefunden.

Die Vorgeschichte
In dieser Zeit schrieb jemand, dem ich schon ziemlich lange folge (und er mir auch) in einem Thread etwas zum Thema „Eisessen“. Daraus ergab sich die Idee, sich doch zu treffen, wenn ich mal im Norden bin. Ich war so offen und fröhlich, daß ich (völlig ohne Hintergedanken) meinen Hamburgaufenthalt Ende Mai/Anfang Juni per DM mitgeteilt habe. Daraus ergab sich dann (leider!) ein Treffen in Blankenese am 30. Mai. Es war ein schöner Abend, mit einer seltenen Vertrautheit, die sich für mich nach Freundschaft anfühlte. Mehr war es zu dem Zeitpunkt nicht. Allerdings folgten danach (fast) jeden Abend lange Twittergespräche per DM, die irgendwie im Laufe der Zeit zu einer starken Nähe führten. Irgendwann während dieser Zeit habe ich mich verliebt. Und ich habe das auch frühzeitig in meinen Antworten „durchblicken“ lassen. Gelegentlich kam dann ein „Ohhh“ als Antwort. An vielen Stellen wäre die Möglichkeit gewesen zu sagen „ich möchte nur Freundschaft“, ich hätte dann einmal schwer geschluckt, aber es wäre möglich gewesen. Wir wären uns ja ohnehin nicht persönlich über den Weg gelaufen (ich in Wuppertal, er in Norddeutschland). Aber im Gegenteil. Wir hatten schon ausgemacht, daß ich ihn am ersten Juliwochenende besuche und plötzlich schlug er vor, daß wir uns am 18. Juni in Köln treffen, weil er auf einer Geschäftsreise war und dort ohnehin umsteigen mußte. Wir haben an dem Sonntag und Montag viele Nachrichten ausgetauscht, die ganz klar in Richtung „romantische Natur des Treffens“ liefen und auch das Treffen war eben nicht freundschaftlich. Weiter ging es mit den Privatnachrichten – bis Donnerstagabend. Dann herrschte Stille, was mich aber zunächst nicht verwunderte. Am Samstagabend kam dann die Nachricht per DM, daß er seit einer Woche (!) schon darüber nachdenkt, ob er überhaupt eine Beziehung will und sich jetzt entschieden hat, daß er keine Beziehung will. Ja, da saß ich dann ganz allein vor meinem Rechner. Ich habe natürlich noch nachgefragt, Vorschläge gemacht, aber das „Nein“ blieb felsenfest bestehen.

Warum ich es öffentlich gemacht habe…..
Eine schreckliche Situation. Ich hatte mir als ich nach Hamburg fuhr keine Beziehung gewünscht. Ich hatte mich auf ein nettes Treffen gefreut, mich dann auf den DM-Austausch eingelassen, mein Herz geöffnet und plötzlich saß ich hier mit einem großen Scherbenhaufen. In meiner Not griff ich zu Twitter (da ich ja ohnehin parallel mit ihm noch per DM sprach). Ich schrieb daher folgenden Tweet:

„Wenn etwas, was sich schön und richtig anfühlt, plötzlich abrupt endet, ohne daß man es versteht, dann ist das traurig. #traurigerSamstag“

Vom Hashtag #traurigerSamstag wechselte ich am Sonntag dann auf den Hashtag #traurigerSommer – unter beiden Hashtags kann man nachlesen, was ich am Samstagabend und Sonntag geschrieben habe. Es ging mir richtig schlecht. Ich konnte nicht schlafen, nichts essen, Tränen liefen mir über das Gesicht, ich konnte mich nicht konzentrieren, nichts in Ruhe lesen. Es war fürchterlich. Ja, ich habe das alles auf Twitter öffentlich gemacht. Ich habe einen Moment gezögert, ob das gut ist und dann habe ich gedacht: doch, es kann nicht schlimmer werden. Was mir wichtig war: ich habe an keiner Stelle den Namen genannt, es geht darum, daß ich meinen Schmerz und meine Trauer verarbeite – dafür muß ich natürlich die Geschichte erzählen, ich möchte „ihn“ aber nicht „fertigmachen“, auch wenn ich mit seinem Verhalten nicht glücklich bin. Ich habe aber den Eindruck, daß es ihm am Samstag auch nicht wirklich gut ging und er über den Verlauf und die „Notwendigkeit“ der Entscheidung (aus seiner Sicht) auch nicht glücklich ist. Aber das ist letztlich egal – hier geht es um nicht um ihn, sondern um mich!

Was dann kam ….
Wirklich erstaunt war ich über die Vielzahl der Rückmeldungen. Schon am Abend (noch während das DM-Gespräch lief) erhielt ich aufmunternde Tweets. Nach dem endgültigen „Scheitern“ wurden es noch mehr und in diversen DM mit unterschiedlichen Menschen wurde ich getröstet, abgelenkt („wann ist etwas überhaupt eine Beziehung“, „wann ist es ein Scheitern“), mir wurden Erfahrungen berichtet und ich wurde immer wieder herzlich umarmt. Viele Menschen boten mir auch in DMs Gespräche an. Ich hatte nicht mit dieser Menge an positiven Rückmeldungen gerechnet, das Twittern war erst einmal mein Umgang mit einer für mich fürchterlich schmerzhaften und traurigen Situation, mit der ich nicht gerechnet hatte. Natürlich hätte ich diese Situation gerne vermieden (siehe oben) – aber ich bin so dankbar dafür, daß so viele Menschen meinen Kummer und meinen Schmerz wahrnehmen und nachfühlen konnten und so einfühlsam reagiert haben. Das war das wirklich gute Erlebnis an diesem Wochenende! Danke!!

Zu dem Thema offener Umgang mit Gefühlen möchte ich Euch noch das YouTube-Video von Bettina Stackelberg ans Herz legen. Ich glaube mittlerweile tatsächlich, daß es uns gut tut, wenn wir nicht nur über die positiven Seiten unseres Lebens sprechen. Es ist leicht Erfolg zu kommunizieren und zu teilen, es ist viel schwerer über die Niederlagen, Ängste und Schmerzen zu sprechen. Und doch tut es gut, ich kann das jetzt aus eigener Erfahrung versichern!

Wie offen will ich in Zukunft sein?
Heute morgen schrieb ich in einem Thread, daß ich mein Herz am liebsten für die nächsten 20 Jahre abschotten möchte. Ich stecke in einem gewissen Sinne in einer paradoxen Situation. Eigentlich bin ich von Natur aus offen und neugierig, freue mich Menschen kennenzulernen, springe gerne in Unterhaltungen auf Twitter, folge neuen Menschen, freue mich, wenn sie mir antworten und daraus neue „Bekanntschaften“ oder vielleicht sogar „Freundschaften“ entstehen. Das alles möchte ich nicht missen und doch ist da jetzt dieses Warn- und Stoppschild in meinem Kopf. Wenn es das Treffen in Hamburg nicht gegeben hätte, dann ginge es mir heute richtig gut …… Aber es gab dieses Treffen und den nachfolgenden DM-Austausch….. Leider. Es hätte sonst vielleicht eine wunderbare Freundschaft werden können. Aber zurück zum Thema „Zukunft“.

Bettina Stackelberg hat die zwei grundsätzlichen Möglichkeiten in einem Tweet an mich wunderbar zusammengefaßt: „Und ich hab immer aufs neue die Entscheidung: Herz offen oder Herz geschlossen“. Ja, das ist richtig und doch manchmal schwer umzusetzen.

Heute Morgen fiel mir auf, daß es vor allem im Moment darum geht, wo ich meine „Grenzen“ setze, wann ich „nein“ sage oder bewußt blockiere (das kann ich sehr gut, das habe ich schon lange Jahre erfolgreich gemacht, leider nicht in Hamburg). Und bei dem Nachdenken über Grenzen fiel mir dann auf, daß mein Umgang mit der Situation ganz im Kleinen irgendwie auch für die gesellschaftliche Frage in Deutschland steht – wie geht Deutschland mit seinen Grenzen um. Offenheit macht verletzlich, gleichzeitig ist Offenheit notwendig, damit sich „Beziehungen“ überhaupt ergeben können – persönliche Beziehungen zwischen Menschen (Bekanntschaft, Freundschaft, Liebe), wirtschaftliche Beziehungen, diplomatische Beziehungen.

Ich bin durch dieses Wochenende natürlich wieder meilenweit von meinem offenen und fröhlichen „Ich“ entfernt und der Weg zurück wird lange dauern. Deshalb ist der Hashtag #traurigerSommer sehr treffend und richtig. Das heißt nicht, daß ich jetzt täglich allein im Kämmerlein weine und leide. Aber es ist ein trauriger Grundton da. Sozusagen „Moll“ statt „Dur“. Es ist ein bißchen so, als ob alles mit einem Grauschleier versehen ist. Es wird dauern, bis dieser Grauschleier verschwindet und ich wieder „ich“ bin. Aber ja, ich werde das auch diesmal hinbekommen.