Am 2. Juli vor 10 Jahren…..

…. habe ich den Twitteraccount @A_Christofori angelegt.

Die ersten Schritte
Meine allersten Schritte auf Twitter habe ich schon „ein paar Tage früher“ gemacht, mit dem damals eher lokal ausgerichteten Account @AChristofori. Kurz nach meinem damaligen Twitterstart starb Pina Bausch – für Wuppertal ein sehr einschneidendes Ereignis. Ich fand es faszinierend, wie schnell ich diese Information über Twitter mitbekommen konnte.
Dies war dann der Auslöser, meinen heutigen Hauptaccount @A_Christofori anzulegen.

Der erste Tweet
Mein allererster Tweet auf dem Account @A_Christofori war übrigens:
„Sommer, Sonne – weniger Termine und weniger Anrufe. Ein guter Zeitpunkt um mit Twitter zu starten! Willkommen auf meinem Account!“
Gefolgt von: „Nur wer sich zeigt wird auch gesehen. ich zeige mich jetzt also auf Twitter und bin gespannt auf das, was passieren wird!“
Ja, ich war gespannt und es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um die vergangenen 10 Jahre Revue passieren zu lassen.

Wie es sich entwickelt hat….
Lange Zeit habe ich Twitter eher passiv und lesend, also als eine Art Informationsquelle für mich, genutzt. Ich habe ein paar Tweets zu aus meiner Sicht beruflich relevanten Themen geschrieben, Interaktion gab es kaum. Das änderte sich ab 2012. Ich habe in dem Jahr das Livetwittern von Events für mich entdeckt. Ich habe von Konferenzen, Barcamps und anderen Veranstaltungen twitternd berichet. Es war einerseits eine Möglichkeit, meine Gedanken und Fragen „online“ festzuhalten, gleichzeitig erlaubte dies aber auch ein Gespräch mit den Menschen, die einer bestimmten Konferenz/Veranstaltung folgten. Es gab also einen doppelten Effekt: die „Liveveranstaltung“ an sich und das digitale Twittergespräch über die Veranstaltung beziehungsweise die von mir und anderen berichteten Inhalte. Durch diese Gespräche habe ich manche interessante Anregung oder Gegenfrage bekommen, aus dem einen oder anderen Gespräch wurden auch Twitterkontakte. Gleichzeitig überdeckte das Livetwittern und der damit verbundene digitale Austausch, daß ich vor Ort eigentlich selten ins Gespräch kam. Ich war dabei, ich störte nicht, aber meine Gespräche fanden fast nur online statt.

Twittern und Bloggen – auch über Twitter
Zeitgleich zu meiner aktiveren Twitternutzung habe ich angefangen, kleinere Beiträge zu bloggen – erst zu den besuchten Konferenzen und Barcamps, dann aber auch zu twitterspezifischen Fragestellungen – Begrüßungsnachrichten, ff, Twitter-Cocktailparty-Theorie, Vielfalt in der Twittertimeline, schlechten Tweets, Thesen zu Twitter und wie wir ins Gespräch kommen. Twitter hat mir dabei gleichzeitig die thematische Anregung als auch die Möglichkeit geliefert, auf meine Beiträge hinzuweisen. So war es absolut passend, daß ich 2015 eine Kategorie „Twittergespräche“ eingerichtet habe.
Erstaunlicherweise finde ich viele der Gedanken aus den Blogbeiträgen immer noch ziemlich aktuell……

Die Veränderungen
Denn sowohl Twitter als Plattform als auch ich haben uns verändert.
Bei Twitter wurden die Favsterne durch Herzchen ersetzt – etwas, das mich noch immer stört (Herzen haben in meinem Leben nichts zu suchen!), Funktionen, die ich mochte, wurden abgeschafft oder erschwert, die Anzahl der Zeichen erweitert.
Ich selbst wurde älter, habe mich mit Themen auseinandergesetzt, die nicht mainstream- und damit auch wenig twittertauglich sind und mußte letztendlich feststellen, daß meine Gespräche und Kontakte bestenfalls flüchtig sind.

Das herannahende Jubiläum habe ich daher auch genutzt, um einseitige und einseitig gewordene „Kontakte“ zu hinterfragen und teilweise zu löschen, auch einige DMs und meinen Anteil an einigen Threads habe ich gelöscht. Das war (und ist) ein wichtiger Nachdenk- und Reinigungsprozeß.

Krise und Fazit
Auch über meine allgemeine Situation habe ich nachgedacht – und fernab von Twitter ist das einfacher und sinnvoller. Die digitalen Gespräche haben lange überdeckt, daß ich im analogen Leben nur noch wenig Kontakte hatte und habe. Nach dem Tod meiner Mutter fiel mir das „auf die Füße“. Es trat eine Situation ein, wo ich völlig alleine dastand. 2018 war kein gutes Jahr und ich habe mich – aufgrund einer sehr persönlichen Verletzung – Anfang September erst einmal völlig zurückgezogen. Das Ausmaß der Veränderungen konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen, ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich jetzt den völligen Überblick habe.
Gleichzeitig hat sich mein Erleben der Twitternutzung verändert. Vielleicht liegt es daran, daß ich in den letzten zwei Jahren zum Teil sehr viel persönlichere Dinge getwittert habe, vielleicht auch daran, daß mich manche Dinge stärker treffen als früher. Aber die guten Gespräche „von früher“ wurden und werden seltener, die „Replies from hell“ – also die Antworten, die man so gar nicht unter seinen Tweets haben möchte, nehmen zu. Liegt es an mir? Liegt es an den Menschen, denen ich folge beziehungsweise die mir folgen? Liegt es an den Themen? Ich weiß es nicht. Ich habe nur gemerkt, daß sich eine aktive Twitternutzung gerade völlig falsch anfühlt.

Waren es einfach 10 Jahre Selbstbetrug? Es ist ein Gedanke, der mir durchaus gelegentlich kommt – so wie ich mir auch gelegentlich die Frage stelle, ob ich glücklicher wäre, wenn ich mich nie angemeldet hätte. Beides Fragen, die sich im Nachhinein nicht beantworten lassen. Im Moment weiß ich nicht einmal, ob ich – über das Ankündigen von Blogbeiträgen hinaus – irgendwann wieder aktiv twittern möchte. Zum jetztigen Zeitpunkt fühlt es sich falsch an. Es ist ein bißchen so als ob Don Quixote gegen die Windmühlenflügel antwittern wollte. Es stört (fast) niemanden, mancher nimmt es staunend oder verächtlich zur Kenntnis, ein paar nicken und lächeln freundlich, aber es verändert nichts – weder für Don Quixote (beziehungsweise für mich) noch für die Windmühlenflügel (und schon hängt das Bild schief, denn wer oder was wären in meinem Beispiel jetzt die Windmühlenflügel?)…..

Ich werde mir jetzt ein Buch nehmen (vielleicht sogar mal den Don Quixote) und fernab von Twitter den Abend verbringen.

Wie kommen wir ins Gespräch?

Manchmal gibt es sie – die guten Gespräche – im „analogen“ Leben aber auch auf Twitter. Und manchmal versuchen wir alles Mögliche, um ein Gespräch zu beginnen und es klappt nicht. Kommunikation ist – so selbstverständlich sie zum menschlichen Leben gehört – immer schwierig. Nicht umsonst gibt es im Moment in Hannover sogar eine Sonderausstellung zu diesem Thema – noch bis zum 19.09.2018.

Ein Gespräch – ja will ich das denn?
Es gibt – online wie offline – durchaus Momente, ich denen ich kein Gespräch führen möchte. Manchmal bin ich einfach zu müde (besonders am frühen Morgen), manchmal kreisen meine Gedanken um ein Problem, manchmal möchte ich auch einfach nur meine täglichen drei Seiten schreiben oder etwas in Ruhe lesen. Das sind durchaus Momente, in denen ich gerne bei Twitter „hereinschaue“ – aber halt eher lesend und konsumierend. Selten schafft man in diesen Momenten, mich in ein Gespräch zu ziehen. Wer es trotzdem versucht (vor allem im analogen Bereich) wird dann möglicherweise auf wenig begeisterte Reaktionen treffen. Gespräche abblocken kann ich eigentlich ganz gut – meist auch halbwegs freundlich. Andererseits kann man mich manchmal (ja, ok, meistens) mit interessanten Themen oder Fragen ganz schnell ködern ………

In den letzten Jahren habe ich analog und digital viele interessante Gespräche geführt. Analog zum Beispiel mit BusfahrerInnen (ich wohne an einer Endhaltestelle, da ergibt sich das öfter mal), mit MitarbeiterInnen meines Lieblingssupermarktes (ich wurde nach dem Tod meiner Mutter sogar umarmt und es tat gut) und mit Menschen, die mit mir an Haltestellen warteten. Digital – also für mich vor allem auf Twitter – gab es die witzigen Gespräche (so zum Beispiel den „Ameisenthread“ mit @pjakobs, den ü50-Thread mit @itbeobachter und @pixelkurier, der Musikthread mit @karin1210) und die vielen ernsthaften Gespräche – zum Teil im offenen Bereich, zum Teil per DM, aus denen sich sogar kleine „Projekte“ ergaben, so zum Beispiel das Twittertreffen in Trier mit @thalestria und @mariohanneken und das Fragencafe mit @kontermann. Einzelne kleine oder größere Gespräche, die für sich genommen oft nicht wirklich wichtig waren, sich zufällig ergaben und doch gut waren. Meistens nehme ich mir tatsächlich (und sehr gerne) die Zeit, diese Gespräche zu führen …..

Jeder Tweet ist ein potentieller Gesprächsanlaß!
Ich möchte mich im Folgenden auf „meine Gespräche“ bei Twitter beschränken – eine sehr allgemeine Betrachtung würde ich wohl nicht so schnell in einem einzigen Blogbeitrag unterbringen. In einem kleinen Twittergespräch mit @karin1210 habe ich vor ein paar Tagen geschrieben, daß für mich jeder Tweet ein potentieller Kommunikationsanlaß ist. Das heißt natürlich nicht, daß ich jeden Tweet aufgreife – aber wenn ich ein Gespräch suche, dann schaue ich nach Tweets, die mich zu einer Frage oder einer Antwort anregen. Und klar, je mehr interessanten Menschen man folgt, desto mehr potentielle Gesprächsanlässe finden sich in der Timeline. Ich glaube schon, daß es leichter ist, Gespräche zu führen, wenn man einer größeren Menge an Menschen folgt. Dementsprechend folge ich auch viel mehr Menschen als mir folgen. Twitter hat gerade den Vorteil, daß „Zweiseitigkeit“ nicht Voraussetzung von Gesprächen ist.

Der erste Schritt….
Gespräche entstehen nicht deshalb, weil Menschen sich – zufällig – am selben Ort befinden. Ein Mensch muß immer irgendwie den Anfang machen. Und auch wenn jeder Tweet ein potentieller Gesprächsanlaß ist, so führt eben nicht jeder Tweet zu einem Gespräch. Es ist immer noch „erforderlich“, daß jemand den Tweet aufgreift und daduch ein Gespräch entsteht.
Ganz am Anfang meiner aktiven Twitterzeit habe ich mich oft bei Menschen, denen ich folgte, für Links bedankt, habe ihnen Fragen gestellt (im Sinne von „wo kann man das nachlesen“) und habe sie auch retweetet. Daraus haben sich erste Gespräche und beidseitige Kontakte ergeben.
Hilfreich waren auch die vielen „Livetweets“ von Veranstaltungen – Konferenzen, Barcamps, Twittwoche – Menschen haben oft auf die Tweets von diesen Veranstaltungen reagiert und wir sind über die Themen ins Gespräch gekommen.
Was ich relativ oft mache: „Gesundheitstweets“ sind für mich in der Regel (vor allem bei Menschen, denen ich schon länger folge oder die ich persönlich kenne) ein wichtiger Hinweis, wie es dem-/derjenigen geht. Meistens nehme ich mir daher die Zeit, ein kurzes „gute Besserung“ oder „alles Gute“ bei Krankheiten, Zahnarztbesuchen etc. zu schreiben. Solche Antworten erwarten die Menschen, die solche Nachrichten twittern, vielleicht gar nicht – aber ich finde es auch schön, wenn jemand mir in nicht ganz so schönen oder gar schwierigen Seiten per Tweet zur Seite steht und mir alles Gute wünscht. Ich habe durchaus den Eindruck, daß solche Antworten zumindest für den Moment ein Gefühl der menschlichen Nähe und Verbindung aufbauen. Und was können wir mit einem Tweet mehr ereichen?

In laufende Gespräche einsteigen ….
Eine weitere Möglichkeit, auf die Ruth am Sonntag hingewiesen hat, ist auch in laufende Twittergespräche einzusteigen. Das habe ich natürlich auch oft gemacht (bin ich jetzt eine Twittergesprächscrasherin?). Die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich. Manche dieser Seiteneinstiege haben zu wunderbaren Threads und Folgekontakten geführt – vor allem da, wo ich zumindest einen der „Gesprächspartner“ bereits „kannte“ (es also bereits einen Kontakt auf Twitter gab, der über ein bloßes „ich folge Dir schon“ hinausging), manche Gespräche versandeten, manchmal wurden Gespräche trotzdem ohne mich weitergeführt. Das fühlt sich in dem Moment natürlich nicht toll an, aber man muß sich immer vor Augen halten, daß man selbst ja auch nicht immer mit allen möglichen Menschen sprechen möchte. Wenn mir das mehrfach passiert, dann weiß ich das ich den entsprechenden Personen halt nur lesend folge und das ist dann auch ok.

Mit eigenen Tweets Gespräche anregen…..
Es ist schon merkwürdig. Manche Tweets, die ich schreibe, finde ich fürchterlich wichtig, ich warte sehnsüchtig vor dem Monitor oder dem Handy und ….. nichts passiert. Absolut nichts. Es sind oft die Tweets, die ich persönlich „nervig“, „unwichtig“ oder sogar „schlecht“ finde, auf die die meisten Reaktionen erfolgen. Und ja, je mehr ich schreibe, desto mehr Reaktionen bekomme ich auch insgesamt. Twitter ist ein schnelles Medium. Ein einzelner Tweet geht da schnell unter, oft sind es „Zufallsfunde“, auf die ich selbst reagiere und die dann wiederum zu Gesprächen führen. Wenn mir ein Thema wirklich sehr sehr wichtig ist, dann wiederhole ich das Thema auch nochmal in einem anderen Tweet oder packe es sogar in einen Blogbeitrag. Fragen führen oft, aber nicht immer zu Reaktionen. Oft hängt es an völlig willkürlichen Kriterien wie Tageszeit, Wetter, parallel stattfindende politische Ereignisse, TV-Programm ….. Die wichtigste Erkenntnis ist daher: nicht aufgeben, immer wieder versuchen! Nicht nur für Twitter gilt: steter Tropfen höhlt den Stein!

Was ich underwiderstehlich finde ……
Tweets mit Wortspielereien, mit feiner Selbstironie und Humor, mit kulturell spannenden Themen (z.B. Bücher oder Theater) und mit guten Fragen erobern meine Seele im Sturm – da bin ich sofort dabei! Etwas schwieriger sind politische oder rechtliche Diskussionen. Da lese ich oft eher mit als selbst zu antworten. Gerade aus Tweets zu Wortspielereien oder aus humorvollen und ironischen Tweets haben sich wunderbare Kontakte und Gespräche entwickelt, die ich nicht missen möchte. In meiner Timeline sind glücklicherweise sehr viele Menschen vertreten, die Wortspiele und Ironie mindestens ebenso schätzen wie ich! Welche Bereicherung für meine Timeline und mein Leben!

Und an die vielen lieben, humorvollen, ironischen und interessanten Menschen aus meiner Timeline, die ich hier nicht explizit erwähnt habe: ich danke Euch allen für 9 Jahre wunderbare Twittergespräche und Twitterkontakte!

Und wie kommt Ihr ins Gespräch?
Ich bin ja sehr neugierig ….. Daher möchte ich am Ende dieses Beitrags von Euch wissen, wie Ihr mit Menschen auf Twitter ins Gespräch kommt? Was „funktioniert“ gut, was macht ihr gerne, was klappt nicht? Was ist wichtig, damit es zu guten Gesprächen kommt?
Ja, das sind viele Fragen – aber ich möchte mein „Twitter“ in dem Gesprächskultur wichtiger als Polarisierung ist, gerne bewahren und dazu gehört das Teilen der guten Erfahrungen!

Wie offen darf es sein?

Normalerweise erwähne ich mein Privatleben in der Öffentlichkeit – also auch auf Twitter – kaum. Man könnte fast vermuten, daß ich kein Privatleben habe. Das ist natürlich nicht so. Aber meist finde ich es hilfreich, wenn nicht jeder „alles“ über mich und mein Leben weiß. Diesen Grundsatz habe ich in den letzten 7 Monaten dreimal gebrochen und das sehr bewußt. Heute Morgen habe ich darüber nachgedacht und diese Gedanken möchte ich hier jetzt zusammenfassen. Aber erst einmal die drei „Verstöße“ gegen meinen Grundsatz der Privatheit …..

Der schwerste Tag des Jahres 2017 – der 1. Dezember 2017
Ende November 2017 ging es meiner Mutter aufgrund ihrer Krebserkrankung schon sehr schlecht. Wir hatten irgendwann den SAPV hinzugezogen, aber es wurde täglich schwieriger. Am 30.11. erfuhren wir am Nachmittag, daß sie am Nachmittag des 01.12.2017 ins Hospiz gehen konnte. Das war ihr Wunsch und insofern eine gute Nachricht. Terminlich war das für mich allerdings schwierig. Ich sollte am 01.12.2017 in der LVQ unterrichten – zweiter Tag im Social-Media-Manager-Kurs. Telefonisch habe ich mich mit der LVQ darauf geeinigt, daß ich bis zum Mittag unterrichte, für den Rest des Tages Aufgaben vorbereite und dann gehe, um meine Mutter ins Hospiz zu begleiten. So stand ich am Morgen des 01.12.2017 vor einem Raum fröhlicher und erwartungsvoller angehender Social-Media-Manager. Es war so schwer. Ich konnte kaum sprechen, mir kamen die Tränen. Und doch mußte ich da irgendwie „durch“. Ich hatte unterwegs schon beschlossen, daß ich berichte, warum es mir nicht gut geht. Also habe ich mit brechender Stimme und unter leichten Tränen erzählt, daß ich an dem Tag nur bis zum Mittag unterrichte, weil ich danach meine Mutter ins Hospiz begleite (und bei der Erinnerung an diesen Moment fließen auch jetzt wieder meine Tränen). Ich habe mich dann einen Moment umgedreht, mich geräupsert und dann konnte ich unterrichten.
Ich glaube, daß es eine gute Entscheidung war, so vorzugehen. Ich würde es jedenfalls wieder so machen.

Der 5. und 6. Dezember 2017
Am 5. Dezember starb meine Mutter am frühen Morgen im Hospiz. Ich war dankbar, daß sie einschlafen konnte und natürlich gleichzeitig traurig. Im Laufe der Jahre hatte ich mit vielen Menschen, mit denen ich auf Twitter vernetzt bin, über die Krankheit meiner Mutter gesprochen. Deshalb kam ich auf die Idee, meine „Gefühlslage“ in dem Moment auch auf Twitter zu veröffentlichen und zwar mit folgenden Worten:

„Nach einer sehr schweren Zeit ist meine Mutter gestern friedlich eingeschlafen. Ich bin traurig, gleichzeitig dankbar, daß sie gehen konnte.“

Es war eine gute Idee. Ich habe sehr viele nette Tweets und Nachrichten erhalten, es war das Gefühl im Moment der Trauer nicht allein zu sein. Ich war und bin sehr dankbar dafür, daß meine Menschen in dem Moment an mich gedacht haben, mir Kraft gewünscht haben und sich bei mir gemeldet haben.

Der schlimmste Tag des Jahres 2018 – der 23. Juni 2018
Durch die intensive Begleitung meiner Mutter bis zum Tod ging es mir schon kurz nach ihrer Beerdigung relativ gut. Ich hatte mich schon in der Zeit von August bis Dezember von ihr verabschiedet – jeden Tag ein kleines bißchen mehr. Januar und Februar waren schon noch schwierig, aber ab März ging es deutlich aufwärts und im April und Mai hatte ich mein „altes fröhliches und gelassenes Ich“ komplett wiedergefunden.

Die Vorgeschichte
In dieser Zeit schrieb jemand, dem ich schon ziemlich lange folge (und er mir auch) in einem Thread etwas zum Thema „Eisessen“. Daraus ergab sich die Idee, sich doch zu treffen, wenn ich mal im Norden bin. Ich war so offen und fröhlich, daß ich (völlig ohne Hintergedanken) meinen Hamburgaufenthalt Ende Mai/Anfang Juni per DM mitgeteilt habe. Daraus ergab sich dann (leider!) ein Treffen in Blankenese am 30. Mai. Es war ein schöner Abend, mit einer seltenen Vertrautheit, die sich für mich nach Freundschaft anfühlte. Mehr war es zu dem Zeitpunkt nicht. Allerdings folgten danach (fast) jeden Abend lange Twittergespräche per DM, die irgendwie im Laufe der Zeit zu einer starken Nähe führten. Irgendwann während dieser Zeit habe ich mich verliebt. Und ich habe das auch frühzeitig in meinen Antworten „durchblicken“ lassen. Gelegentlich kam dann ein „Ohhh“ als Antwort. An vielen Stellen wäre die Möglichkeit gewesen zu sagen „ich möchte nur Freundschaft“, ich hätte dann einmal schwer geschluckt, aber es wäre möglich gewesen. Wir wären uns ja ohnehin nicht persönlich über den Weg gelaufen (ich in Wuppertal, er in Norddeutschland). Aber im Gegenteil. Wir hatten schon ausgemacht, daß ich ihn am ersten Juliwochenende besuche und plötzlich schlug er vor, daß wir uns am 18. Juni in Köln treffen, weil er auf einer Geschäftsreise war und dort ohnehin umsteigen mußte. Wir haben an dem Sonntag und Montag viele Nachrichten ausgetauscht, die ganz klar in Richtung „romantische Natur des Treffens“ liefen und auch das Treffen war eben nicht freundschaftlich. Weiter ging es mit den Privatnachrichten – bis Donnerstagabend. Dann herrschte Stille, was mich aber zunächst nicht verwunderte. Am Samstagabend kam dann die Nachricht per DM, daß er seit einer Woche (!) schon darüber nachdenkt, ob er überhaupt eine Beziehung will und sich jetzt entschieden hat, daß er keine Beziehung will. Ja, da saß ich dann ganz allein vor meinem Rechner. Ich habe natürlich noch nachgefragt, Vorschläge gemacht, aber das „Nein“ blieb felsenfest bestehen.

Warum ich es öffentlich gemacht habe…..
Eine schreckliche Situation. Ich hatte mir als ich nach Hamburg fuhr keine Beziehung gewünscht. Ich hatte mich auf ein nettes Treffen gefreut, mich dann auf den DM-Austausch eingelassen, mein Herz geöffnet und plötzlich saß ich hier mit einem großen Scherbenhaufen. In meiner Not griff ich zu Twitter (da ich ja ohnehin parallel mit ihm noch per DM sprach). Ich schrieb daher folgenden Tweet:

„Wenn etwas, was sich schön und richtig anfühlt, plötzlich abrupt endet, ohne daß man es versteht, dann ist das traurig. #traurigerSamstag“

Vom Hashtag #traurigerSamstag wechselte ich am Sonntag dann auf den Hashtag #traurigerSommer – unter beiden Hashtags kann man nachlesen, was ich am Samstagabend und Sonntag geschrieben habe. Es ging mir richtig schlecht. Ich konnte nicht schlafen, nichts essen, Tränen liefen mir über das Gesicht, ich konnte mich nicht konzentrieren, nichts in Ruhe lesen. Es war fürchterlich. Ja, ich habe das alles auf Twitter öffentlich gemacht. Ich habe einen Moment gezögert, ob das gut ist und dann habe ich gedacht: doch, es kann nicht schlimmer werden. Was mir wichtig war: ich habe an keiner Stelle den Namen genannt, es geht darum, daß ich meinen Schmerz und meine Trauer verarbeite – dafür muß ich natürlich die Geschichte erzählen, ich möchte „ihn“ aber nicht „fertigmachen“, auch wenn ich mit seinem Verhalten nicht glücklich bin. Ich habe aber den Eindruck, daß es ihm am Samstag auch nicht wirklich gut ging und er über den Verlauf und die „Notwendigkeit“ der Entscheidung (aus seiner Sicht) auch nicht glücklich ist. Aber das ist letztlich egal – hier geht es um nicht um ihn, sondern um mich!

Was dann kam ….
Wirklich erstaunt war ich über die Vielzahl der Rückmeldungen. Schon am Abend (noch während das DM-Gespräch lief) erhielt ich aufmunternde Tweets. Nach dem endgültigen „Scheitern“ wurden es noch mehr und in diversen DM mit unterschiedlichen Menschen wurde ich getröstet, abgelenkt („wann ist etwas überhaupt eine Beziehung“, „wann ist es ein Scheitern“), mir wurden Erfahrungen berichtet und ich wurde immer wieder herzlich umarmt. Viele Menschen boten mir auch in DMs Gespräche an. Ich hatte nicht mit dieser Menge an positiven Rückmeldungen gerechnet, das Twittern war erst einmal mein Umgang mit einer für mich fürchterlich schmerzhaften und traurigen Situation, mit der ich nicht gerechnet hatte. Natürlich hätte ich diese Situation gerne vermieden (siehe oben) – aber ich bin so dankbar dafür, daß so viele Menschen meinen Kummer und meinen Schmerz wahrnehmen und nachfühlen konnten und so einfühlsam reagiert haben. Das war das wirklich gute Erlebnis an diesem Wochenende! Danke!!

Zu dem Thema offener Umgang mit Gefühlen möchte ich Euch noch das YouTube-Video von Bettina Stackelberg ans Herz legen. Ich glaube mittlerweile tatsächlich, daß es uns gut tut, wenn wir nicht nur über die positiven Seiten unseres Lebens sprechen. Es ist leicht Erfolg zu kommunizieren und zu teilen, es ist viel schwerer über die Niederlagen, Ängste und Schmerzen zu sprechen. Und doch tut es gut, ich kann das jetzt aus eigener Erfahrung versichern!

Wie offen will ich in Zukunft sein?
Heute morgen schrieb ich in einem Thread, daß ich mein Herz am liebsten für die nächsten 20 Jahre abschotten möchte. Ich stecke in einem gewissen Sinne in einer paradoxen Situation. Eigentlich bin ich von Natur aus offen und neugierig, freue mich Menschen kennenzulernen, springe gerne in Unterhaltungen auf Twitter, folge neuen Menschen, freue mich, wenn sie mir antworten und daraus neue „Bekanntschaften“ oder vielleicht sogar „Freundschaften“ entstehen. Das alles möchte ich nicht missen und doch ist da jetzt dieses Warn- und Stoppschild in meinem Kopf. Wenn es das Treffen in Hamburg nicht gegeben hätte, dann ginge es mir heute richtig gut …… Aber es gab dieses Treffen und den nachfolgenden DM-Austausch….. Leider. Es hätte sonst vielleicht eine wunderbare Freundschaft werden können. Aber zurück zum Thema „Zukunft“.

Bettina Stackelberg hat die zwei grundsätzlichen Möglichkeiten in einem Tweet an mich wunderbar zusammengefaßt: „Und ich hab immer aufs neue die Entscheidung: Herz offen oder Herz geschlossen“. Ja, das ist richtig und doch manchmal schwer umzusetzen.

Heute Morgen fiel mir auf, daß es vor allem im Moment darum geht, wo ich meine „Grenzen“ setze, wann ich „nein“ sage oder bewußt blockiere (das kann ich sehr gut, das habe ich schon lange Jahre erfolgreich gemacht, leider nicht in Hamburg). Und bei dem Nachdenken über Grenzen fiel mir dann auf, daß mein Umgang mit der Situation ganz im Kleinen irgendwie auch für die gesellschaftliche Frage in Deutschland steht – wie geht Deutschland mit seinen Grenzen um. Offenheit macht verletzlich, gleichzeitig ist Offenheit notwendig, damit sich „Beziehungen“ überhaupt ergeben können – persönliche Beziehungen zwischen Menschen (Bekanntschaft, Freundschaft, Liebe), wirtschaftliche Beziehungen, diplomatische Beziehungen.

Ich bin durch dieses Wochenende natürlich wieder meilenweit von meinem offenen und fröhlichen „Ich“ entfernt und der Weg zurück wird lange dauern. Deshalb ist der Hashtag #traurigerSommer sehr treffend und richtig. Das heißt nicht, daß ich jetzt täglich allein im Kämmerlein weine und leide. Aber es ist ein trauriger Grundton da. Sozusagen „Moll“ statt „Dur“. Es ist ein bißchen so, als ob alles mit einem Grauschleier versehen ist. Es wird dauern, bis dieser Grauschleier verschwindet und ich wieder „ich“ bin. Aber ja, ich werde das auch diesmal hinbekommen.

Was 140 Zeichen bewirken können …..

Vor 500 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht, in dieser Woche hat sich Eric Posner mit 20 Thesen über Twitter beschäftigt. Seine Thesen riefen relativ schnell viele ablehnende Reaktionen hervor – so zum Beispiel die genialen Tweets von @textautomat, den Hashtag #ohneTwitter und auch den Blogbeitrag Die wahre Kraft der 140 Zeichen.

Die zwanzig Thesen von Posner haben sofort meinen heftigen gedanklichen Widerspruch erregt. So heftig, daß ich endlich mal wieder einen Blogbeitrag schreibe. Meine Sicht auf Twitter ist natürlich subjektiv – aber ich möchte meine insgesamt positiven Erlebnisse und Erfahrungen doch teilen.

1. Ich habe Twitter eine gewisse Zeit eher „ignoriert“. Ich habe mich im Sommer 2009 angemeldet, es nur gelegentlich genutzt und bin erst seit 2012 auf Twitter wirklich aktiv und vernetzt. Warum habe ich mich angemeldet? Es war eher Neugier. Ich wollte ausprobieren, worüber die anderen ständig sprachen und – da hat Heiko in seinem Blogbeitrag recht – ich bin geblieben, weil es anders war und sich überraschend anders entwickelt hat, als ich es mir vorgestellt habe. Ich habe vieles gefunden, was ich nie gesucht hätte und was doch sinnvoll, bereichernd und „nützlich“ war. Es ging mir nie um „Einfluß“ oder „Informationssuche“.
Im Laufe der Zeit haben sich bei mir folgende Gründe für die fortgesetzte Twitternutzung herauskristallisiert:
– Gespräche: zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Thema ergeben sich auf Twitter oft wunderschöne Gespräche und spannende Diskussionen, gefühlt hat immer jemand ein „offenes Ohr“.
– Vernetzung: Twitter ist ein wunderbarer Ort, um neue Menschen „kennenzulernen“, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen.
– Informationen sammeln: gerade da, wo ich nicht/im Moment nicht aktiv nach etwas suche, liefert mir Twitter oft ungefragt spannende Informationen – das können Büchertipps, Ausflugsvorschläge, fachliche Links oder Veranstaltungshinweise sein. Für mich ist Twitter in einem gewissen Ausmaß ein „Finden ohne Suchen“.

2. Ich habe Twitter eigentlich nie für eine gezielte Suche nach einem Stichwort eingesetzt. Da suche ich tatsächlich eher mit klassischen Suchmaschinen. Twitter liefert mir eher – ungefragt – „Informationen“, nach denen ich gerade nicht suche. Dieses „Finden ohne Suchen“ ist natürlich ziemlich zeitintensiv – wieviele spannende Links habe ich angeklickt und die dahintersteckenden Texte gelesen, weil ich nur mal kurz in die Twittertimeline geschaut habe. Twitter liefert mir eine andere Art der „Informationskultur“ – ich finde Informationen, die andere Menschen teilen wollten – weil sie sie wichtig finden, weil sie sich darüber ärgern, weil sie sich darüber freuen. Dieses Teilen gehört für mich untrennbar zur Idee der sozialen Netzwerke. Es ist dieses „first give then take“.
Ich habe früher bei Veranstaltungen immer für mich handschriftlich Notizen gemacht. Diese Notizen habe ich dann abgeheftet und (eher selten) später mal angeschaut. Ab 2012 habe ich begonnen, das was ich mir sonst handschriftlich notiert habe, zu twittern. Eine spannende Erfahrung – weil ich plötzlich über meine „Notiztweets“ in Gespräche mit anderen Menschen kam. Es kamen Rückfragen, ergänzende Hinweise und plötzlich kam in eine „einsame Angelegenheit“ (das Zuhören bei Vorträgen) eine spannende Dynamik, die ich nicht mehr missen möchte.
Weder Google noch eine Zeitung können diese Funktionen erfüllen.

3. Tweets sind von Menschen geschrieben – von Menschen, denen ich – aus welchen Gründen auch immer – folge. Wenn diese Menschen empört sind, dann ist das für mich eine wichtige Information. Es mag durchaus sein, daß ich die in einem Tweet geäußerte Empörung nicht oder nicht im selben Ausmaß teile. Ich lerne aber dadurch, was den jeweiligen Menschen wichtig ist und das ist keineswegs „dürftig“; ganz im Gegenteil es macht die Persönlichkeit dieser Menschen aus, das sie zeigen – zeigen können und zeigen wollen -, was ihnen wichtig ist. Ich bewundere viele dieser Menschen für den Mut und die Kraft, mit der sie gegen Unrecht, Elend und Gemeinheiten eintreten und ich bin dankbar dafür, daß sie immer wieder ein kleines Stück ihrer Welt mit mir teilen und mich nachdenklich machen.

4. Besser als Heiko in seinem Blogbeitrag kann ich es nicht ausdrücken. Jedes Gespräch, jeder kleine Twitteraustausch ist Kommunikation und jede gelungene Kommunikation kann (vor allem längerfristig) etwas bewirken. Gerade die „Verstörung“ oder „Irritation“, wenn man etwas liest, was zum eigenen Weltbild nicht paßt, kann auf lange Sicht sehr wirksam sein.

5. So mancher Tweet hat mich schon überzeugt – ein bestimmtes Buch zu lesen (danke für die Empfehlung von Gaito Gasdanow), eine Ausstellung zu besuchen, mich mit einem Thema zu beschäftigen. Gerade diese Überzeung im Kleinen – ich halte einen Menschen und seine Empfehlung für glaubwürdig und folge ihr deswegen – ist ungemein wichtig. Gerade die Vielfalt meiner Timeline „zwingt“ mich immer wieder, mich mit neuen Themen und Fragen auseinanderzusetzen. Immer wieder eine Herausforderung aber auch ein Grund zu großer Dankbarkeit.

6. Die Frage ist nicht wirklich, was der Zweck von Twitter ist, sondern ob ich meine Zwecke/Ziele mit Twitter umsetzen kann. Meine Ziele Gespräche, Vernetzung und Informationen sammeln lassen sich bisher wunderbar mit Twitter erreichen.

7. Wenn ich eine Bestätigung meiner Überzeugungen suche, dann kann ich die überall finden – in der Zeitung, im Fernsehen, bei Facebook und natürlich auch bei Twitter. Aber Twitter erlaubt es mir gerade auch einseitig Menschen zu folgen, die ein komplett anderes Weltbild und andere Meinungen als ich haben. Twitter erlaubt mir eine Vielfalt, die ich „so“ an anderer Stelle bisher nicht gefunden habe.

8. Mein erster Gedanke ist: ja, und? In der Regel führe ich auch im echten Leben keine Selbstgespräche. Menschen sprechen miteinander, äußern sich in unterschiedlichen Formen und an unterschiedlichen Orten. Dank der technischen Entwicklung ist dieses „Gespräch“ jetzt nicht auf persönliche Treffen und Briefe beschränkt. Auch früher habe ich mir bei jedem Brief, den ich an jemanden geschrieben habe, eine Reaktion erhofft. Einen Antwortbrief, einen Anruf. Das macht Interaktionen aus und das unterscheidet das menschliche Leben auch vom (einseitigen) Lesen der Zeitung. Das Lesen der Zeitung wird doch irgendwie erst spannend, wenn ich jemandem davon erzähle. Weißt Du, was ich heute gelesen habe ……
Durch die Vielzahl der potentiellen Leser/Empfänger ist aber manches einfacher: ich reagiere dann, wenn ich mich wirklich angesprochen fühle – wenn ich etwas teilen, hinterfragen oder kritisieren möchte, wenn mir der Mensch oder das Thema wichtig ist. Es ist die Freiheit, ob, wann und wie ich auf einen Tweet reagiere.

9. Fav, Like und Retweet sind Rückmeldungen der virtuellen Welt, die Botschaft daß man einen Inhalt für so wichtig befindet, daß auch andere sich damit beschäftigen sollen. Wie oft habe ich auch in persönlichen Gesprächen Bücher, Artikel oder Webseiten empfohlen. Natürlich freue ich mich auch über Favs und Retweets, aber ich twittere nicht mit dem Ziel, so viele Favs oder Retweets wie möglich zu bekommen. Viel wichtiger ist es mir, mit anderen in ein Gespräch zu kommen!

10. Nein, es ist nicht gleichgültig, warum jemand auf einen Tweet reagiert. Ganz und gar nicht – auch wenn ich das nicht immer klar erkennen kann. Es geht für mich auch nicht um Macht, eher um die Frage ob ich Menschen „finde“ oder „erkenne“, die sich auch für das jeweilige Thema interessieren oder die über bestimmte Dinge/Fragen nachdenken. Manchmal – bei „Alltagsgesprächen“ – geht es auch einfach nur darum, einen Moment der virtuellen Nähe in einer weiten großen Welt herzustellen. Wie schön ist es, wenn mehrere Menschen ein bestimmtes Gericht mögen, ein bestimmtes Buch toll finden oder sich über ein Erlebnis austauschen. Das schafft einen Moment der positiven Verbindung und aus dieser Verbindung kann Gutes entstehen.

11. Was retweete ich eigentlich? Tweets zu Themen, die ich spannend finde, Tweets, die ich inhaltlich wichtig finde und oft auch Hinweise oder Fragen. Sicherlich geht es an manchen Stellen auch um meine Überzeugungen und natürlich wähle ich ganz subjektiv aus, was ich überhaupt retweete. Aber die Menschen in meiner Timeline erhalten ihre Informationen wiederum aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Tweets und bilden sich daraus eine eigene spannende Meinung.

12. Einen Tweet retweete ich dann, wenn er mich „anspricht“, wenn er mir inhaltlich wichtig ist oder wenn ich damit jemandem helfen kann. Ein Tweet, der einfach nur die Meinung einer (tatsächlichen oder vermeintlichen) Mehrheit wiedergibt, ist für mich nur insoweit wichtig, als ich etwas über den twitternden Menschen erfahre. Menschen, die in Tweets Fragen stellen oder sich an Themen/Thesen herantasten sind mir gedanklich näher als Menschen, die forsch ablehnen oder zustimmen. Manchmal hinterfrage ich solche Tweets – weil ich chronisch neugierig bin. Und manchmal bereue ich auch die Nachfrage – aber auch damit lerne ich viel über mich selbst und über die Menschen in meiner Timeline.

13. Es stimmt schon, der Ton macht die Musik. Abfällige Tweets sind in meiner Timeline eher selten, empörte Tweets gibt es durchaus. Aber was macht einen „empörten Tweet“ aus? In meiner Timeline ist Emörung kein „Stilmittel“ oder „Gestaltungsmerkmal“, sondern eher Ausdruck einer Enttäuschung, einer unerfüllten Sehnsucht nach einer besseren Welt. Da schwingt viel Idealismus mit. Diese Sehnsucht und diesen Idealismus zu spüren gibt mir auch immer wieder Hoffnung, daß sich Dinge positiv verändern können. Gerade weil es Menschen gibt, denen viele Dinge, auf die ich nicht/nicht so achte, wichtig sind. Wir brauchen in unserer Gesellschaft Menschen, die Fehlentwicklungen und Mißstände benennen. Es ist oft unbequem und schmerzhaft, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und so mancher Tweet erinnert mich dann daran, daß es Themen gibt, mit denen ich mich wenig oder gar nicht beschäftige.

14. Ist die Nutzung von Twitter mühelos? Es gibt sie, diese leichten und fröhlichen Gespräche, wo man problemlos „lostwittern“ kann und keine Angst haben muß, den falschen Ton zu treffen. Wie oft aber überlege ich, ob ich überhaupt antworte oder wie ich eine Antwort am besten formuliere. Gerade die Beschränkung auf 140 Zeichen erfordert die Mühe, sich wirklich zu überlegen, was bei den anderen Menschen ankommen könnte, was bei ihnen ankommen soll. Es gibt Sternstunden, in denen geniale Gespräche mit einer Leichtigkeit erfolgen und wo bisher Fremde zu virtuellen Freunden werden, wo Verbindungen entstehen. Es gibt aber auch die mühevollen Versuche sich zu erklären, Fragen zu stellen, anderer Meinung zu sein. Nein, Twittern ist für mich nicht mühelos – aber die Mühe wird meistens belohnt!

15. Negative Reaktionen sind in der analogen Welt genauso schwierig wie in der virtuellen Welt. Eine negative Reaktion ist wie ein unerwünschtes Feedback. Will ich wirklich eine (negative) Antwort, wenn ich etwas twittere? Jein. Natürlich ist mir eine positive oder nachfragende Antwort lieber. Aber eine negative Reaktion kann sehr wertvoll sein. Natürlich muß ich dann erst schlucken, muß überlegen ob und wie reagiere, muß mindestens einmal um den Schreibtisch herumlaufen. Aber eine negative Reaktion, die nicht mich als Mensch angreift, sondern meinen Tweet/meine Äußerung ist immer auch eine Gesprächs- und Lernchance, auch wenn es manchmal schwerfällt diese Chance zu sehen.

16. In unserem Leben haben wir unterschiedliche Rollen. Wir versuchen immer wieder, die tatsächlichen oder vermeintlichen Erwartungen, die an diese Rollen geknüpft sind, zu erfüllen. Das ist schon in der „analogen Welt“ nicht einfach. In meiner Rolle als Anwältin verhalte ich mich anders als in meiner Rolle als Dozentin. Als Anwältin ist mir das (wirtschaftliche) Ziel der Mandanten wichtig, als Dozentin bin ich zwar auch Expertin, aber ich möchte viel mehr mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutieren, (mögliche) Entwicklungen aufzeigen und auf Stolperfallen hinweisen. Hinzu kommen die eher privaten Rollen als Familienmitglied und als Freundin. Schon in der analogen Welt lassen sich diese Rollen nicht immer wirklich trennen, in der virtuellen Welt ist das nicht einfacher. Mit mehreren Twitterkonten kann man natürlich mehrere Rollen „spielen“ (spannend sind in dieser Hinsicht zum Beispiel auch Accounts von Haus- oder Stofftieren, die ihren Eigentümern ganz neue Möglichkeiten geben, eine andere Perspektive und Rolle einzunehmen). Bei meinem Haupttwitteraccount ist die Definition der Rolle und der damit verbundenen Erwartungen (an mich und von mir) ein durchaus spannendes Thema. Welche Seiten von mir zeige ich bewußt und gerne, welche Seite zeige ich (zum Beispiel durch Reaktionen) auch unbewußt? Inwieweit kann und will ich es mir erlauben, „aus der Rolle zu fallen“? Spannende Fragen, die ich irgendwann an anderer Stelle vertiefen sollte. Mir ist es jedenfalls zu einfach und zu eindimensional, nur auf das Aufrechterhalten bestimmter Eindrücke und das Vermeiden von kontroversen Meinungsäußerungen zu achten. Das mag zu machen Rollen passen, verallgemeinern läßt sich das nicht.

17. Ja, Tweets können zu Mißverständnissen und Meinungsverschiedenheiten führen. Das habe ich auch schon erlebt und manchmal ist das auch schmerzhaft. Aber immer wieder habe ich auch erlebt, daß sich das Netz solidarisch zeigt, daß Twitter Menschen verbindet und die Einsamkeit für einen Moment aufhebt. Es gibt Menschen, die verbinden, es gibt Themen, die verbinden und es gibt Tweets, die verbinden. Nicht immer, nicht täglich – aber oft genug, um Twitter als guten Ort wahrnehmen zu können. Ich möchte an dieser Stelle zwei Beispiele nennen, die leider schon verstorbene Menschen betreffen:
– Johannes Korten, der das Netz als guten Ort bezeichnete
– Sabine Nowak, die als @missmarple76 zahlreiche Menschen mit Hilfe von Twitter und lokalen Veranstaltungen vernetzt hat und für die twitternde Menschen gemeinsam eine Gedenkanzeige ermöglicht haben.

Für mich ist gerade die Vielfalt der Ansichten, Interessen und Themen eine Bereicherung. Nicht immer bin ich über die Vielfalt sofort begeistert, manchmal schlucke ich schwer, spüre inneren Widerstand, bin verärgert – aber schon wenn ich darüber nachdenke, warum mich etwas ärgert, berührt, traurig macht ist dies auch ein Lernen für mich.

18. Natürlich können Tweets (vor allem unbedachte Tweets) auch das „Bild“, das Menschen von einem haben, beschädigen. Tweets können das Bild aber auch ergänzen, vervollständigen, verschönern. Tweets sind insofern Mosaiksteine, die zum Bild dazugehören – manche sind schön, manche halt nicht.

19. Nicht Twitter liefert mir eine Bestätigung, sondern die Menschen, die twittern „liefern“ mir Gesprächsanlässe, Gespräche und Denkanstöße. Für mich ist das ungeheuer wertvoll und ich denke an viele Twittergespräche gerne zurück!

20. Twitter als wertezerstörende Technologie? Es ist immer die Frage, wie wir Menschen, wir Nutzer die Technologie nutzen. Es mag durchaus Nutzungsarten geben, die meinen Werten nicht entsprechen. Das bekomme ich aber in der Regel nicht mit, da ich zwar vielen Menschen mit durchaus unterschiedlichen Ansichten folge – aber für mich der „respektvolle Umgang“ miteinander eine Grundvoraussetzung ist. Gerade in meiner Timeline war das Thema „Werte“ in den letzten ein bis zwei Jahren relativ oft ein Gesprächs- und Diskussionsthema – eben in der Hinsicht, wie wir selber mit Werten umgehen, was für uns wichtige Werte sind und wie wir diese Werte „bewahren“ können. Es sind nicht die Technologien an sich, die Werte zerstören, sondern das, was wir Menschen mit diesen Technologien und Möglichkeiten machen können. Wir können Gutes oder Schlechtes bewirken – das ist bei der Nutzung von Twitter nicht anders als bei anderen Themen.

Fazit
Für mich ist die Twitternutzung – trotz vieler Änderungen, die ich nicht mag, trotz mancher mühsamer Diskussion, trotz mancher unschöner Tweets – immer noch etwas, was ich als positiv empfinde, was mir Spaß macht und was mich „weiterbringt“. Daher bin ich auch über die 20 Thesen von Heiko dankbar, der mir wirklich in vielem aus dem Herzen spricht!

Ohne Twitter wären mir viele Menschen nicht „begegnet“, die heute virtuell oder auch analog mein Leben bereichern.

Von Sternen, Herzen und Kröten ….

Twitter hat heute Geburtstag – 10 Jahre wird das Netzwerk schon alt. Ich bin immerhin seit 2009 dabei und habe sogar meinen allerersten Tweet wiedergefunden.

Viele haben sich heute zu Twitter und zum Twittergeburtstag geäußert – in Tweets, in kurzen Filmen und in Blogbeitragen. Muß ich jetzt auch noch ….? Ja, ich muß, denn ich möchte mich einerseits für vieles bedanken, andererseits bin ich aber auch über manches enttäuscht. So ein Jubiläum ist daher ein „guter“ Zeitpunkt, darüber zu sprechen.

Sterne und Sternstunden
Ich weiß noch, daß ich ganz am Anfang die „üblichen Vorurteile“ hatte. Da erzählen die Menschen doch nur, daß sie zum Essen oder zum Kaffeetrinken gehen. Aber im Sommer 2009 überwog dann meine Neugier und ich habe mich angemeldet – gleich mit mehreren Accounts. Ganz langsam und vorsichtig habe ich begonnen, mir eine Timeline aufzubauen, mich mit neuen Themen zu beschäftigen und Sterne zu verteilen.

Die eigentlichen Sternstunden kamen später und hingen mit einer aktiveren Twitternutzung zusammen. Ab Frühling 2012 habe ich relativ intensiv von Twittwochen, Tagungen und Barcamps getwittert. Das schaffte eine doppelte Vernetzung – über die Twitterwall mit den twitternden Menschen vor Ort und über die Entfernung mit denen, die einem Hashtag folgten und Interesse an einer Veranstaltung/einem Thema hatten. Ohne Twitter wäre ich vielen Menschen, die heute mein Leben bereichern, nicht begegnet und ohne Twitter hätte ich auch viele spannende Gespräche und Diskussionen nicht geführt, viele Themen und Veranstaltungen gar nicht mitbekommen.

Für mich ist Twitter nicht nur ein Ort der schnellen Information, sondern vor allem ein Ort des dialogischen Gesprächs, der neugierigen Fragen und des Aufbaus neuer Kontakte. Gerade weil man „einseitig“ folgen kann, ist es möglich, völlig unbekannte Menschen und ihre Themen zu entdecken, ihnen zu folgen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Viele der heutigen Geburtstagstweets haben das auch schön zum Ausdruck gebracht. Sternstunden halt!

Herzen …….
Aber manche Entwicklungen sind auch schwierig. Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als es problemlos einen Feed der neuen Follower und auch der Mentions gab, heute funktioniert nicht einmal die Email-Benachrichtigung und ich muß mir immer wieder Umwege suchen, um Wichtiges irgendwie „abzuspeichern“. Ganz schlimm wurde es für mich, als die Sterne zu Herzchen wurden – völlig ohne Auswahlmöglichkeit. Ich mag Twitter ja wirklich von Herzen gerne, aber Herzen verteilen …. nein, das ist nicht meins.

In meiner Timeline schrieb heute jemand, daß Twitter sich treu bleiben soll. Das ist ein wichtiger Wunsch. Denn die Jagd nach neuen Zielgruppen, die man vielleicht ohnehin nicht erreichen kann (Mario Sixtus hat mir heute in seinem Interview in vielen Punkten aus dem Herzen gesprochen) macht die Plattform nicht stärker, eher im Gegenteil.

Kröten ……
Ja, es ist wichtig, ein Finanzierungsmodell zu finden. Oft genug wurde auch schon vorgeschlagen, daß überzeugte Nutzer ja etwas für eine werbe- oder auch herzchenfreie Version zahlen können. Vielleicht ist der Blick auf Werbung und auf junge Zielgruppen einfach zu eng und führt dazu, daß den „alten“ Nutzern auch manche Kröte vorgesetzt wird. Die Herzchen waren beziehungsweise sind so eine Kröte für mich, die Einstellung der Desktopversion von Tweetdeck für Windows ist ebenfalls eine solche Kröte. Ich bin traurig, weil ich das Gefühl habe, daß Twitter mich manchmal zu einer bestimmten Art der Nutzung zwingen will, die für mich nicht paßt.

Und so bleibt am Jubiläumstag ein leicht bitterer Beigeschmack, der meine Freude über die Sternstunden der letzten knapp sieben Jahre meiner Twitternutzung ein bißchen trübt. Wird auch morgen für meine Art der Twitternutzung noch „Platz“ sein?

Ich wünsche es mir und ich wünsche mir, daß Twitter die Offenheit wiedergewinnt, die es in meinen Augen gerade vor ein paar Jahren noch hatte und die für mich den unverwechselbaren Charme der Plattform ausgemacht hat und irgendwie auch immer noch ausmacht – trotz aller Kröten.

In diesem Sinne: herzlichen Glückwünsch Twitter und alles Gute für die nächsten 10 Jahre!

Ein beherztes Nein!

Herzchen bei Twitter? Nein! Wirklich ein beherztes NEIN!

Es war schon gestern Nachmittag der Aufreger in meiner Twittertimeline. Die Fav-Sternchen werden gegen Herzchen ausgetauscht. Für mich der Fehlgriff des Jahres. Warum?

Gefallen Dir die Tweets Deiner Follower denn nicht?
Eine gute Frage, die Robert Weller mir gestern bei Twitter gestellt hat. Die Änderung bei Twitter beinhaltet für mich zwei Problemfelder – den Begriff „gefallen“ und das Symbol „Herz“.

Gefallen ist für mich erst einmal etwas Äußerliches. Ein Bild kann mir gefallen, ein Foto, ein Haus, eine Straße. Das, was Tweets für mich wertvoll macht, sind die Inhalte. Gerade in den letzten Wochen habe ich oft Twittergespräche zu aktuellen, oft auch heiklen, Themen geführt. Es ging zum Beispiel um Vorratsdatenspeicherung, Überwachung, Netzneutralität und Meinungsfreiheit. Themen, die mir nicht „gefallen“ und Tweets zu diesen Themen, die mir nicht „gefallen“, die mich aber anregen, nachdenklich machen und herausfordern. Ein „Fav“ war oft eher die Kenntnisnahme einer Position, eines Links, einer Anregung zur Vertiefung.

Noch unpassender ist für mich das Herz. Gute Gespräche brauchen oft den Wechsel zwischen Nähe und Distanz. Nähe, weil durch das intensive Gespräch durchaus der Moment einer digitalen Nähe da ist, Distanz, weil ich trotzdem hinterfragen möchte – sowohl meine eigene Position als auch die der anderen. Dieses Spiel von Nähe und Distanz, die Möglichkeit des Zurücktretens und des Perspektivenwechsels paßte zum Sternchen, zum Herzchen paßt es nicht. Das Herzchen biedert sich an und läßt vieles albern und belanglos erscheinen.

Wird die Welt denn besser, wenn wir überall Herzchen verteilen?
Ich bin meistens durchaus optimistisch und positiv eingestellt und wünsche mir oft, daß wir positiver mit Veränderungen umgehen, Chancen sehen und aus einem „dagegen“ eine Vision entwickeln. Das schaffen wir aber nicht, wenn wir wahllos mit Herzchen um uns werfen. Die Herzchen führen eher zu einer rosaroten Zuckerguß-Atmosphäre, die wichtige Themen und Diskussionen überdeckt.

Herzchen für Geschäftsthemen?
Allwöchentlich bekomme ich EMails von Twitter, wie ich Twitter besser für geschäftliche Themen einsetzen könnte. Aber ehrlich Twitter: Herzchen für geschäftliche Themen? Jemand bedankt sich für einen guten Rat und ich soll mich mit einem Herzchen „bedanken“? Wirklich??

Es mag an mir liegen, es mag an meinem Themen und meinen Interessen liegen – aber für mich sind die Herzchen und auch das „gefallen“ (oder „liken“) völlig unpassend. Ich werde das dementsprechend auch nicht nutzen. Wenn Twitter mir kein passendes Symbol zur Verfügung stellt, dann kann und muß ich halt verbal Sternchen verteilen – zum Beispiel wie gestern von Daniel Lücking vorgeschlagen – #Fav.

Und bitte Twitter – hört auf mir zu erzählen, wie genial man Twitter für Geschäftszwecke einsetzen kann. Bis gestern war ich durchaus Eurer Meinung. Aber da ich weder im Familienrecht noch im Bereich Partnerschaftsvermittlung arbeite, paßt Eure Veränderung nicht zu meinem Verständnis von geschäftlichen Vorgehensweisen!

#Bildungstag bei Twitter

Ganz kurz und eher zufällig habe ich heute den Hashtag „Bildungstag“ bei Twitter erspäht – denn heute war der erste europaweite #Educationday beziehungsweise #Bildungstag auf Twitter. Ich habe – leider – wenig davon mitbekommen, trotzdem möchte ich ein paar Zeilen dazu schreiben.

Bildung …..
Schon der Begriff „Bildung“ ist sperrig. Es gibt keine allgemeingültige Definition dieses Begriffes, aber die meisten von uns verbinden Bildung wohl mit formalen Systemen wie Schule und Hochschule. Oft steht eher das (formale) Ergebnis im Vordergrund, weniger der Weg zum Ergebnis. Begriffe wie Allgemeinbildung, Einbildung, Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung unterstreichen dieses Verständnis, sie haben nur noch mit den Ideal von Humboldt oder Kant zu tun. Auch die Ankündigung von Twitter stellte einen eher formalen Bildungsbegriff – „Austausch zwischen Personen und Institutionen, die sich mit dem Thema Bildung beschäftigen“ – in den Vordergrund. Ja, sicher wichtig, aber …

Lernen mit Twitter
Viel spannender finde ich es, Twitter zum informellen Lernen zu nutzen. Dieser Aspekt ist heute – soweit ich das sehen konnte – nicht zur Sprache gekommen. Durch meine Twittertimeline habe ich schon sehr viel gelernt – sowohl in meinem Fachgebiet als auch in vielen anderen Bereichen. Ich habe spannende (rechtliche) Diskussionen mitbekommen, lese viele verlinkte Beiträge und Artikel, ich informiere mich über aktuelle Trends und neue gesellschaftliche, rechtliche und auch technische Entwicklungen.

Es ist eine Art großes Serendipity-Prinzip – ich finde Wissensperlen ohne sie konkret zu suchen und ich kann spontan entscheiden, ob ich diesen „Wissenshäppchen“ folge und mich damit beschäftige oder ob ich „wegschaue“. Ja, das kostet oft Zeit und manchmal erscheint es auch ineffizient, andererseits bekomme ich so sehr schnell sehr vieles mit, das ich an anderen Stellen (beruflich und persönlich) wieder nutzen kann.

Meine Twittertimeline ist daher – gerade weil „Lernen“ gar nicht im Vordergrund steht – ein phantastischer Lernort.

Twittern in englischer Sprache? Ein Experiment!

Gelegentlich finde ich in meiner deutschsprachigen Twittertimeline Tweets in fremden Sprachen. Manchmal sind es Tweets in Sprachen, die ich verstehe, manchmal aber auch nicht. Auf den ein oder anderen englischsprachigen Tweet habe ich bisher schon reagiert – allerdings immer mit dem „unguten“ Gefühl, daß es zwei gedankliche Hindernisse gibt:
(1) Tweets in Fremdsprachen passen nicht wirklich in meine deutschsprachige Timeline
(2) Fremdsprachige Follower haben eigentlich keinen Grund mir zu folgen, da ich eben überwiegend in deutscher Sprache twittere.

Mehrere Sprachen in einem Twitteraccount?
Auf den ersten Blick erscheint es am einfachsten, tatsächlich in deutscher und englischer Sprache in einem Account zu twittern. Anfangs hatte ich das auch so überlegt und einen Account auch mit einer englischsprachige „Bio“ angelegt. Irgendwie ist es dann nur selten dazu gekommen. Zwar habe ich an einem englischsprachigen MOOC teilgenommen, der größte Teil meines Twitteraustausches fand trotzdem in deutscher Sprache statt. Das war vielleicht auch gut so, denn in meiner Muttersprache konnte ich – ohne allzu großes Nachdenken über sprachliche Feinheiten und Fallen – Twitterkontakte aufbauen und spannende Twittergespräche führen.

Trotzdem finde ich den Gedanken, nicht nur in deutscher Sprache zu twittern, sehr attraktiv. Ich habe also länger überlegt, wie ich am besten vorgehe. Den Gedanken, im Rahmen eines Accounts in mehreren Sprachen zu twittern, habe ich nach längerem Überlegen verworfen. Ja natürlich, die meisten deutschsprachigen Twitterer werden verstehen, was ich in englischer Sprache schreibe. Im Hinblick auf andere Sprachen (ich liebäugele „heimlich“ mit Französisch und Spanisch) sieht das schon anders aus. Und potentielle Follower aus anderen Ländern, werden selber eher selten gute Deutschkenntnisse haben.

Ich selbst habe für mich die Erfahrung gemacht, daß Tweets in Sprachen, die ich so gar nicht verstehe, mich schon irgendwie „stören“. Ein Tweet in einer Sprache, die ich weder spreche noch verstehe, erreicht mich nicht. Ich kann weder angemessen reagieren noch sonst irgendetwas damit tun. Einzelne Tweets gehen sicherlich in der Menge unter, je mehr Tweets ich jedoch in einer mir unbekannten Fremdsprache sehe, desto weniger fühle ich mich angesprochen. Insofern ist eine „Mischung von Sprachen“ nur dann spannend, wenn die Empfänger/Leser dieselben Sprachen beherrschen.

Ein eigener englischsprachiger Twitter-Account?
Gedanklich folgte für mich aus meinen Überlegungen, daß ich mir einen eigenen englischsprachigen Twitter-Account zulegen „muß“. Den Gedanken hatte ich schon vor einiger Zeit, umgesetzt habe ich das Projekt erst vor ein paar Tagen.

Über meinen neuen Twitternamen hatte ich natürlich auch nachgedacht. Es war mir einerseits wichtig, daß mein Name darin vorkommt, andererseits wollte ich (da ich langfristig auch in anderen Fremsdsprachen twittern möchte) für mich ein „Sprachkürzel“ anfügen – für Englisch also „en“. Herausgekommen ist dann: @AChristofori_en

Die Registrierung bei Twitter überraschte mich etwas – liegt es daran, daß meine letzte Registrierung schon länger her ist (und ich die „Tücken“ vergessen habe) oder hat sich da etwas geändert? Jedenfalls sollte ich – nach den persönlichen Daten – meine Interessenfelder angeben. Trifft man dort eine Auswahl, so bekommt man „Celebrities“ aus diesen Bereichen vorgeschlagen, denen man sofort folgen sollte. Ich fand die Auswahl für mich nicht passend. Leider sah ich keine Möglichkeit, mit einem einfachen Klick, diese Vorschläge abzulehen – ich mußte jeden einzelnen Vorschlag wegklicken (es waren 40 …..).

Das eigentliche Experiment ….
Da war er nun – mein erster englischsprachiger Twitteraccount. Ich habe einen ersten Tweet formuliert und mir überlegt, wem ich denn folgen könnte. Hier tauchte die eigentliche Herausforderung auf: es gibt natürlich viele Themen, die mich interessieren und mir sind auch sofort ein paar „Namen“ eingefallen, aber persönliche Kontakte zu englischsprachigen Twitterern habe ich (bisher) nicht. Das macht das „Ankommen“ schwieriger.

Seit meinem Start am 16. September habe ich 7 Tweets geschrieben (davon 2 Antworten), ich folge 48 Twitterern, zwei davon folgen mir auch. Zwei weitere Twitterer folgen mir, deren Inhalte mich persönlich aber nicht ansprechen. Die Inhalte in meiner englischsprachigen Timeline sind spannend – aber im Moment eher „unpersönlich“.

Wie wird es sich entwickeln? Meine deutschsprachigen Twitteraccounts sind natürlich langsam und über einen langen Zeitraum gewachsen. Trotzdem war es „dort“ einfacher, weil mir bei Barcamps, Konferenzen und anderen Veranstaltungen immer mal wieder Menschen begegnet sind oder weil die Diskussion bei Twitter über ein Barcamp/eine Konferenz zu Twitteraustausch und damit zu neuen Kontakten geführt hat. Diese Ebene fehlt bei meinem Experiment natürlich. Läßt sich trotzdem ein persönliches und von Dialog geprägtes Twitternetzwerk aufbauen? Ich bin gespannt und stelle mir natürlich auch die neugierige Frage, wie es wohl aussieht, wenn ich das Ganze mit Französisch oder Spanisch ausprobiere …….

Twitter und die Relevanz unerwünschter Inhalte ….

Seit 2009 nutze ich Twitter. Gerade in den letzten zwei bis drei Jahren habe ich mir eine spannende Timeline aufgebaut, in der ich Inhalte finde, die mich interessieren, die mich „stören“ und die mich zum Nachdenken anregen. Im Laufe der Zeit habe ich über Twitter viele gute Gespräche geführt – gerade auch da, wo ich mich mit völlig anderen Ansichten und Lebenserfahrungen auseinander gesetzt habe. Auch wenn „meine“ Zusammenstellung sicher nicht perfekt ist, so habe ich im Laufe der Zeit doch ein gewisses Gefühl für wichtige Strömungen und ein gewisses Grundvertrauen in meine Timeline und die darin angesprochenen Themen entwickelt. Dieses gute Gefühl beruht zu einem großen Teil darauf, daß ich eben nicht „jedem“ folge und durchaus Zeit und Sorgfalt in die Zusammenstellung meiner Timeline stecke.

Und jetzt?
In den letzten Wochen mehren sich die Anzeichen, daß unangenehme Neuerungen ins Haus stehen. Unangenehm deshalb, weil die von Twitter angedachten „Neuerungen“ meine Auswahl und Autonomie in Frage stellen. Auf Twitter selbst findet man mittlerweile eine „erweiterte“ Beschreibung der „Timeline“. Irritierend ist dabei für mich vor allem der dritte Absatz:

Außerdem fügen wir möglicherweise auch einen Tweet, einen Account, dem Du folgen solltest oder sonstige beliebte bzw. relevante Inhalte zu Deiner Timeline hinzu. Das bedeutet, dass Dir manchmal Tweets von Accounts angezeigt werden, denen Du nicht folgst. Wir wählen jeden Tweet anhand vieler Faktoren einschließlich der Beliebtheit und der Interaktion von Personen in Deinem Netzwerk damit aus. Unser Ziel besteht darin, Deine Timeline auf der Startseite noch bedeutungsvoller und interessant zu gestalten.

Neben einer Zunahme von gesponsorten Tweets (die in der Timeline-Beschreibung auch ausdrücklich erwähnt werden) drohen also weitere „fremde“ Inhalte. So tauchen wohl mittlerweile fremde Tweets, die von Followern ein „fav“ erhalten haben, in manchen Timelines auf. Nach ersten Berichten sind viele Twitternutzer wenig begeistert. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es zunehmend Berichte über die möglichen Neuerungen und die Reaktionen der Nutzer.

Fremde Inhalte – na und?
Bisher sind die in den Berichten erwähnten Änderungen in meiner Timeline noch nicht aufgetaucht – und darüber bin ich auch sehr froh. Trotzdem habe ich über dieses Thema in den letzten zwei Wochen intensiv nachgedacht. Ganz klar: über die möglichen Neuerungen freue ich mich nicht. Für gesponsorte Tweets habe ich – unter dem Aspekt der Finanzierung – Verständnis. Ich würde mich zwar über andere Modelle (zum Beispiel eine bezahlte „werbefreie“ Timeline) freuen, aber in einem gewissen Sinn ist Werbung die „Kröte“, die ich für die kostenfreie Nutzung von Twitter halt „schlucken“ muß. Aber damit hört mein Verständnis auch schon auf. Ich möchte weder Tweets, die von Menschen aus meiner Timeline gefavt wurden noch „beliebte“ oder „relevante“ Inhalte von Personen erhalten, denen ich bisher nicht folge. Warum?

Twitterer nutzen die Fav-Funktion sehr unterschiedlich. Manche drücken darüber ihr Einverständnis aus, ihr Schmunzeln über lustige Sprüche oder Begegebenheiten, andere wiederum nutzen Favs, um Links oder Tweets für später zu „merken“ oder direkt (zum Beispiel in Evernote) zu speichern. Ich selbst unterscheide für mich sehr deutlich, ob beziehungsweise wie ich auf einen Tweet reagiere. Ein „Fav“ ist für mich eher eine Interaktion im Dialog – ein kleines Dankeschön, ein virtuelles Lächeln oder Winken. Diese Dialoginteraktion ist natürlich auch für andere sichtbar – für Tweetdecknutzer zum Beispiel in der Spalte „Activity“. Es ist aber ein Unterschied, ob etwas für andere „sichtbar“ ist oder ob sie es „ungewollt“ in ihrer Timeline finden. Wenn ich etwas in die Timeline meiner Follower bringen möchte, dann entscheide ich mich bewußt für einen Retweet. Diese – bewußte – Entscheidung übergeht Twitter, wenn plötzlich gefavte Tweets in der Timeline auftauchen. Und ganz ehrlich: gerade eben habe ich mir auch die Frage gestellt, ob ich unter dieser Maßgabe die Fav-Funktion überhaupt noch nutzen möchte ……

Noch ärgerlicher finde ich den Gedanken, daß völlig fremde Tweets in meiner Timeline auftauchen, weil es sich um „beliebte“ oder „relevante“ Themen handelt. Gerade die Erklärung von Twitter, daß die Auswahl von vielen Faktoren – unter anderen Beliebtheit und Interaktion von Personen in meinem Netzwerk – abhängt, bereitet mir Bauchschmerzen. Meine Timeline ist sehr bunt und enthält damit auch immer wieder Themen, die ich „freundlich ignoriere“, weil sie mich persönlich nicht berühren, aber mich bei den Menschen in meiner Timeline auch nicht stören. Spontan fallen mir Themen wie Fußball, Fernsehsendungen à la „Bachelorette“ und Twitter-Chats wie zum Beispiel der #edchatde ein. Zu den entsprechenden Zeiten sind diese Themen in meiner Timeline sehr beliebt und es finden dazu viele Interaktionen statt. Trotzdem sind diese Themen für mich nicht relevant. Ein „mehr“ an Tweets zu diesen Themen ist daher eher abschreckend als „bedeutungsvoll und interessant“.

Angst vor fremden Inhalten?
Schon im August hat Daniel Fiene in einem Blogpost gefragt, ob wir Angst vor fremdem Wissen haben. Grundsätzlich eine gute Frage – aber gleichzeitig auch eine Frage, die den Kern des Problems für mich nicht trifft. Es ist kein „Angebot“ von Twitter, mir zusätzlich – wenn ich denn will – interessante Inhalte vorzuschlagen. Damit hätte ich kein Problem und vermutlich würde ich (aus Neugier) eine solche zusätzliche Spalte sogar bei Tweetdeck einrichten. Es ist nicht die Angst vor den Inhalten oder dem damit verbundenen Wissen – denn auch Retweets dieser Inhalte könnten ja jederzeit in meine Timeline kommen – sondern das Nichtachten meiner Auswahl. Es mag durchaus sein, daß mir gelegentlich spannende Themen und Inhalte entgehen und daß es Menschen gibt, denen ich unbedingt auch noch folgen sollte. Meine bisherige Erfahrung mit Twitter ist, daß mich wichtige Themen „irgendwie“ erreichen. Für mich reicht das – vor allem, da ich Twitter mehr zum Gespräch als zur reinen Information nutze. Insofern stört es mich, wenn Twitter (oder ein anderer Dienst) mir nicht nur Vorschläge macht, sondern tatsächlich über die Werbung hinaus in „meine“ Timeline eingreift. Letztendlich hat @PickiHH recht, wenn sie schreibt „Es ist halt eben nicht DEINE Timeline, sondern Twitters Timeline“.

Gerade eben habe ich noch ein „Beispiel“ entdeckt, wie gravierend die Auswirkungen sein können. Das konkrete Beispiel macht mich gerade nachdenklich und ratlos. Jeder „unerwünschte“ Tweet ist eigentlich schon ein Tweet zuviel – aber gar 40%?

Unerwünschte Inhalte sind ….
…. halt unerwünscht. Es ist der Gedanke der „Zwangsbeglückung“, die Idee des „wir wissen besser als Du selbst, was Du lesen möchtest“, der mich stört. Genauso genervt bin ich, wenn Anrufer mir Wein und Teppiche anbieten. Die üblichen „cold calls“ eben. Ähnlich genervt wäre ich, wenn ich mir im Fernsehen eine Dokumentation anschauen möchte und mir plötzlich stattdessen – mit der Begründung „Dein Netzwerk schaut das“ – eine völlig andere Sendung eingeblendet werden würde. Der unerwünschte Inhalt ist ein Störfaktor und gerade bei Twitter empfinde ich den Störfaktor stärker, weil es „bisher“ anders war (in meiner Timeline noch anders ist).

Die Folge?
Noch habe ich die Hoffnung, daß sich Twitter eines Besseren besinnt (und die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt). Insofern denke ich weder an Weggang noch an Streik. Natürlich werde ich die Entwicklung und meine Timeline jetzt kritischer beobachten. Enttäuscht bin ich trotzdem, denn ich habe den Eindruck, daß Twitter selbst den eigenen Vorteil gegenüber anderen Plattformen überhaupt nicht verstanden hat. Schade! Aber vielleicht ist Twitter ja lernfähig, denn unerwünschte und damit „kalte“ Tweets sind eben nicht für alle Nutzer bedeutungsvoll und interessant.

Wie traurig: Schlechte Tweets?

Vor ein paar Tagen fand ich in meiner Timeline einen überraschenden Tweet mit einem Link zu „Sad Tweets„:

Ein Tweet, der mich sofort zur Reaktion bewegte (in diesem Sinne also ein „guter Tweet“), denn ich empfinde einen großen Unterschied zwischen „schlecht“ und „traurig“. Ist aber ein Tweet, auf den niemand (sichtbar) reagiert, ein schlechter oder trauriger Tweet? Ist ein Tweet, der dazu führt, daß einem einige Twitterer entfolgen, ein mißlungener Tweet? Wenn man den Berichten über Sad Tweets folgt (hier und hier zum Beispiel), dann könnte man das durchaus so sehen, aber ist das wirklich so?

Wann ist ein Tweet gut oder schlecht?
Wenn ich über gute oder weniger gute Tweets nachdenke, dann gibt es natürlich zwei mögliche Blickwinkel. Als Twitternde schaue ich auf meine eigenen Tweets und frage mich, ob ich meine eigenen Ansprüche erfülle; als Lesende nehme ich Tweets in meiner Timeline wahr. Diese zweite Perspektive erscheint für die Frage, wann ein Tweet gut oder schlecht ist, zunächst leichter.

Da gibt es Tweets, die mich (immer mal wieder) nerven und gelegentlich sogar zu genervten Reaktionen oder zum Entfolgen motivieren, zum Beispiel:
– Links auf FB (oder andere Plattformen), wo sich wiederum ein Link auf eine andere Seite versteckt
– „Ich habe ein neues Foto auf XXX gepostet
– (vermutlich automatisierte) Tweets mit Angaben zu Mentions, neuen Followern und/oder Reichweite
– Massen-FF-Tweets am Freitag
– morgendliche Massentweets à la „Guten Morgen liebe @X @X1 @X2 @X3 @X4 @X5
– Retweets von „Massentweets“
– Erklärungen zu vorhergehenden Tweets (#lasttweet)
– wiederholte gleichlautende „Werbetweets“ à la „wir sind gut, bucht uns endlich“

Dann gibt es Tweets, die ich eher am Rande wahrnehme und selten aufgreife, die mich aber auch nicht stören, zum Beispiel:
– Infos, wer wo mit wem gerade ißt/Kaffee trinkt (ggfs. mit Bildern vom Essen/Ort)
– Urlaubstweets (gelegentlich mit Bildern)
– Themen rund um Mode, Kosmetik und Sport

Und dann gibt es da die vielen Tweets, die ich (zumindest zeitweilig) überfliege und wahrnehme – auch wenn ich nicht immer reagiere, beispielhaft möchte ich diese nennen:
– Tweets, die Freude, Schmerz, Trauer oder Angst zum Ausdruck bringen
– Tweets, die Fragen enthalten
– Tweets, die auf (Blog-)Beiträge verweisen
– Tweets, die interessante Links enthalten
– Tweets, die interessante oder provokante Thesen aufstellen
– Tweets, die mein Weltbild/meine Einstellungen hinterfragen
– Tweets, die interessante Veranstaltungen ankündigen
– Tweets, die von interessanten Veranstaltungen berichten

Ja, ich könnte sicherlich noch mehr unterschiedliche Kategorien von Tweets finden. Aber für meine Überlegungen zum Thema „gute oder schlechte Tweets“ reicht diese grobe Einteilung schon aus. Tweets aus der dritten Gruppe sind – auch wenn ich nicht reagiere – nach meiner persönlichen Einschätzung eher „gute“ Tweets, Tweets aus der ersten Kategorie sind für mich eher „schlechte“ Tweets. Interessanterweise basiert meine Einteilung stark auf inhaltlichen Kritieren – also auf der Frage, ob beziehungsweise wie ich als Leserin erreicht werde. Die Frage, ob/in welchem Ausmaß ich auf Tweets reagiere, hat für meine Einordnung keine Bedeutung.

Wann und warum reagiere ich auf Tweets?
Twitternutzung ist natürlich – immer wieder – eine Zeitfrage. Auch wenn ich Tweetdeck praktisch den ganzen Tag über „offen“ habe, so heißt dies nicht, daß ich meine Timeline ständig im Blick habe. Ich bekomme also ohnehin nur Ausschnitte mit (wobei ich oft neugierig ein bißchen zurückscrolle). Auch die Frage ob beziehungsweise wie ich reagiere ist natürlich stark zeitabhängig. Wenn ich stark unter Zeitdruck stehe, dann maile ich mir schon mal interessante Tweets, um sie nicht zu vergessen und natürlich speichere ich interessante Links (damit ich sie „irgendwann“ lese). RTs und Favs sind – soweit sie keine Links enthalten – natürlich schnell gemacht, bei verlinkten Seiten möchte ich aber erst die Quelle lesen, bevor ich entsprechend reagiere. Spannender sind natürlich Unterhaltungen auf Twitter – zeitlich paßt das für mich oft am Morgen oder am Abend, einmal angefangene Gespräche versuche ich natürlich auch zu verfolgen – vor allem ohne größere Gesprächspausen. Je wichtiger mir das Thema ist, desto stärker versuche ich natürlich, mir auch „zwischendurch“ für das Gespräch und das Thema Zeit zu nehmen – aber das klappt (logischerweise) nicht immer.
Unabhängig davon, ob ich sichtbar reagiere, bekomme ich lesend schon relativ viel auf Twitter mit. Die vielen guten Tweets in meiner Timeline informieren mich reichhaltig und ich bin sehr dankbar dafür.

Ist die fehlende Reaktion auf einen Tweet ein Zeichen der Undankbarkeit?
Müßte ich – gerade wenn ich über gute Tweets so dankbar bin – meine Dankbarkeit nicht auch durch die entsprechenden Reaktionen zeigen und damit die guten Tweets von den schlechten Tweets unterscheiden? Das Problem ist nicht die fehlende Reaktion, sondern die fehlende Sichtbarkeit der Reaktion. Wenn ich einen Tweet lese, mir den Link abspeichere (und später lese), wenn ich über das Thema nachdenke, wenn ich mich mit einem Menschen freue oder darüber nachdenke, ob es ihm/ihr gut geht, dann sind das auch Reaktionen, die aber nicht als sofortige Reaktion auf einen konkreten Tweet sichtbar sind. In manchen Situationen kommt die Sichtbarkeit später („geht es Dir wieder gut“) – manchmal auch eher im Austausch privater Nachrichten, in anderen Situationen ist das Nachdenken über eine Frage oder einen kritischen Beitrag wertvoller als die schnelle sichtbare Reaktion. Das Problem ist natürlich, daß wir über Twitter dieses (Mit-)Lesen und (Mit-)Denken nicht messen können. Das mag auf den ersten Blick ein Nachteil sein (ich denke hier an das Stichwort „ROI“), aber ich vermute, daß ich weniger unbefangen mitlesen würde, wenn mein Mitlesen so nachvollziehbar wäre wie meine sichtbaren Reaktionen.

Folgen und Entfolgen als klare Botschaft?
Auf den ersten Blick stellen sich sowohl das Folgen als auch das Entfolgen als klare Botschaft und damit Aussage über die Tweets dar. Allerdings habe ich beim zweiten Blick schon das Bedürfnis, ein bißchen zu differenzieren. Einzelne gute Tweets bringen mich auf jeden Fall dazu, mir das Profil und die Timeline eines Twitterers anzuschauen. Gefällt mir, was ich dort lese, dann folge ich meistens – wobei gefallen nicht unbedingt bedeuten muß, daß ich Ansichten teile. Gerade das Infragestellen meiner Ansichten und Gewohnheiten kann wertvoller sein als eine „Bestätigung“. Meine Entscheidung, einem Twitter-Account zu folgen ist daher meistens schon eine qualitative Aussage. Aber es gibt natürlich Ausnahmen: angefangen mit der Tatsache, daß auch in einer spannende Timeline gute und weniger gute Tweets enthalten sein können bis hin zum Folgen, weil man sich persönlich kennt und schätzt.
Etwas schwieriger ist das Thema „Entfolgen“. Manchmal verändern sich die Interessen und damit auch die Themen, manchmal auch die Frequenz mit der bestimmte Themen angesprochen werden oder die Sprache (sowohl bezogen auf die Wortwahl als auch auf das Schreiben von Tweets in Fremdsprachen). Diese Veränderungen machen die Timeline vielleicht für viele Menschen interessanter, für mich nicht unbedingt und je mehr mich einzelne Tweets „stören“ – weil sie mich nicht mehr „treffen“, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß ich mich für ein Entfolgen entscheide. Entfolgen kann insofern auch Ergebnis einer sinnvollen Fokussierung sein und sagt damit nichts über die Qualität der Tweets.

Schlechtes Timing?
Der richtige Zeitpunkt ist für die Frage, ob ein Tweet wahrgenommen wird, von zentraler Bedeutung. Interessanterweise könnte ich jetzt keinen konkreten Zeitpunkt nennen, der für mich gut oder schlecht ist. Spätabendliche Tweets haben oft zu spannenden Twittergesprächen geführt, werktägliche Tweets während der normalen Arbeitszeiten und Wochenendbarcamptweets ebenso. Eine „Grundregel“ kann ich daher nicht aufstellen. Vielmehr habe ich das Gefühl, das Themen, die mir wichtig sind, ihren Weg in die Timelines und in die Gedanken der Leserinnen und Leser schon finden werden.

Was wirklich traurig wäre …….
Wenn ich twittere, dann teile ich meine Gedanken zu einem bestimmten Thema mit der Welt „draußen“. Natürlich freue ich mich, wenn sich aus meinen Tweets oder aus meinen Antworten auf Tweets Gespräche ergeben – durchaus auch kritische und hinterfragende Gespräche. Twittern mit dem Ziel, eine maximale Zahl von Reaktionen (Favs, Retweets oder Antworten) zu erhalten, fände ich persönlich traurig. Es klingt für mich nach einem beifallheischenden Twittern und nicht nach dem nachdenklichen Twittern, das ich in meiner Timeline suche und um das ich mich selber bemühe. Ja, da sind sicher viele „reaktionslose“ Tweets dabei. Wahrscheinlich belege ich bei einem Dienst wie „Sad Tweets“ sogar einen Spitzenplatz. Ja, und? Wichtig ist nicht, was ein „Dienst“ über mich und meine Tweets sagt, sondern wie es mir und meinen Followern bei unserem Austausch geht und dieser Austausch ist alles andere als traurig – einen großen Dank dafür an meine Timeline!