Neue Gedanken zum Thema Barcamp

Schon öfter habe ich in diesem Blog etwas über Barcamps geschrieben. Ich habe den Besuch meines ersten Barcamps beschrieben, mir grundsätzliche Gedanken zum Thema Barcamp gemacht, an den Blogparaden „Mein erstes Barcamp“ und „Was ist der Nutzen von Barcamps“ teilgenommen. Als Insa Künkel gestern fragte „Bist du ein #Barcamper? Dann sage mir auf meinem Blog, was dich daran fasziniert.“

fühlte ich mich – natürlich sofort angesprochen. Gleichzeitig machten (und machen) mich zwei Blogbeiträge von Torsten Maue und Christian de Vries nachdenklich.

Was fasziniert mich also an Barcamps?
Im Laufe der Jahre habe ich ziemlich viele Konferenzen, Tagungen, Workshops, Seminare und (Weiterbildungs-) Veranstaltungen aller Art besucht. Meistens gab es ein verbindendes Merkmal: der- oder diejenige „vorne“ sprach, alle anderen hörten zu – manchmal mit der Möglichkeit in den letzten Minuten ein paar Fragen zu stellen. Wie oft habe ich bedauert, daß es keinen Austausch, keine Diskussion, keine Ideensammlung mit allen Anwesenden gab, wie oft war ich enttäuscht, wenn hochaktuelle Entwicklungen überhaupt nicht oder nur am Rande angesprochen wurden, wie oft war ich genervt, wenn der/die Vortragende meine Erwartungen nicht erfüllte.

Was aber ist bei Barcamps anders?
– es finden zeitgleich mehrere Sessions statt, man kann also auswählen, was man sich anhört (und bei Nichtgefallen kann man die Session auch verlassen)
– jeder kann ein Thema/eine Frage als Session anbieten – eben auch als Diskussionssession
– in den meisten Sessions freuen sich die Sessiongeber, wenn die Anwesenden mitdiskutieren
– durch die Diskussionen in den Sessions und auch durch die Twitterbegleitung der Sessions finden sehr viele spannende Gespräche statt (online und offline)
– manchmal ergeben sich Sessionvorschläge auch aus Gesprächen und Diskussionen am ersten Tag (so zum Beispiel meine Session mit Heinz Wittenbrink beim Content Strategy Camp in Dieburg und meine Session mit Norbert Tuschen und Timo Stoppacher beim Barcamp Düsseldorf)
– weil die Teilnehmer das konkrete Programm erst am jeweiligen Tag gemeinsam planen, ist das Format hochaktuell, sehr flexibel und läßt viel Raum für Spontanität.

Ja, klar – nicht alle Sessionthemen sind immer für mich interessant. So manche Sessionrunde habe ich auch plaudernd verpaßt – aber manchmal sind die persönlichen Gespräche, die sich zufällig ergeben – für den Moment wichtiger. Es sind oft Gespräche, die zu neuen Ideen oder Projekten führen, die Kontakte aufbauen oder vertiefen.

Die Schwachstellen …..
Natürlich haben Barcamps auch Schwachstellen. Ole Wintermann hat schon 2012 in einem Blogbeitrag einige benannt, Torsten Maue hat in seinem Blogbeitrag weitere „Baustellen“ aufgelistet, die ich in einem gewissen Ausmaß auch so erlebe.

Verbindlichkeit und Anspruchsdenken?
Die Finanzierung von Barcamps und damit zusammenhängend die Preisgestaltung bei den Barcamptickets sind sicherlich komplexe Themen, zu denen es viele unterschiedliche Meinungen gibt. Das grundsätzliche Problem bei „gekauften“ Tickets ist ein manchmal entstehendes Anspruchsdenken der Teilnehmer – sowohl im Hinblick auf „erwarteten Service“ als auch auf „Übertragbarkeit“ oder „Erstattung“ von Tickets. So ärgerlich kurzfristige Absagen oder zahlreiche spontan Ausbleibende („No Shows) sind, so wenig führt eine Ticketgebühr automatisch zu mehr Verbindlichkeit. Der gezahlte Preis erweckt manchmal eher den Eindruck, daß man ja – wie mit einer Konzert- oder Theaterkarte – damit machen kann, was man will. Das „Gemeinsame“ des Barcamps scheint manchmal in den Hintergrund zu rücken.

Themenvielfalt?
Nach zwei Jahren Barcamps sind mir viele Themen und die dazugehörigen Akteure bereits bekannt. Auch wenn es sicher immer wieder neue Entwicklungen/neue Tools gibt, ist eine vierteljährliche Teilnahme an einem bestimmten Thema nicht so wirklich spannend. Das gilt natürlich auch für meine Themen. Für mich selbst habe ich mir daher die Aufgabe gestellt, immer wieder neue Themen zu erarbeiten. Gerade die Diskussionsthemen (siehe oben) waren insofern für mich wirklich spannend!

Begrenzt durch die Filterbubble?
Interessanterweise habe ich den Aspekt „Themenvielfalt“ auf den Barcamps in meiner Region (Köln und Düsseldorf) stärker wahrgenommen als in Dieburg. Warum? Weil ich in Köln und Düsseldorf natürlich viele Teilnehmer (und ihre Themen) schon kannte. Gerade die abweichende Zusammensetzung des Teilnehmerfelds in Dieburg hat zu neuen Gedanken, Gesprächen und Diskussionsthemen geführt. So schön es ist, bestehende Kontakte zu vertiefen (und ich möchte das nicht missen!), so wichtig ist es auch, immer wieder über den persönlichen und thematischen Tellerrand hinauszuschauen. Das ist mir in Dieburg bei dem langen abendlichen Gespräch mit Heinz Wittenbrink sehr klar geworden.

Mut zu Neuem?
Es ist nicht nur die Themenvielfalt an sich, die mich manchmal beschäftigt, es ist auch der Mut, neue Sessionformen anzubieten und auszuprobieren. In den letzten zwei Jahren habe ich schon ein besseres Gespür entwickelt, herauszuhören, was sich hinter den jeweiligen Sessionvorschlägen versteckt. Gut gemachte Vorträge höre ich mir (wenn die Themen mich interessieren) durchaus an, aber noch verlockender sind oft Diskussionssessions oder auch „Testläufe“ mit anderen Formaten. Dazu gehören natürlich zwei Seiten – die mutigen Sessionanbieter (wobei zu manchem Format oder Testlauf auch einiges an Vorbereitung gehört) und die mutigen Sessionteilnehmer. Ein Thema, an dem ich auch (auf beiden Seiten) noch arbeiten muß …..

Und danach?
Christian de Vries spricht mit seinem Blogbeitrag einen wunden Punkt an. Ich schreibe eigentlich relativ selten über die von mir besuchten Barcamps. Während des Barcamps twittere ich live und mit großer Ausdauer, nach dem Barcamp überlege ich mir zwar noch, welche Aspekte sich für einen Blogbeitrag eignen, aber meistens bleibt es bei dem Gedanken. Und zu meiner Verteidigung sage ich mir dann immer, daß es besser ist keinen Beitrag zu schreiben als einen schlechten Beitrag …….

Aber – und da treffen sich die Beiträge von Christian de Vries und von Torsten Maue mit der Frage von Insa Künkel – wie können wir Neuen das Barcampformat so schildern, daß sie auch voller Vorfreude und Neugier teilnehmen, ihre Themen und Fragen einbringen und gemeinsam mit uns immer wieder etwas Neues gestalten? Wir können natürlich Blogbeiträge schreiben, wir können aber auch über andere Wege nachdenken – auch über Wege, die uns das Schreiben von Blogbeiträgen oder Beiträgen in Netzwerken erleichtern. Ein möglicher Weg sind die sessionbegleitenden Etherpads, die bei manchen Barcamps eingerichtet und betreut werden. Gut gefallen hat mir auch das Storify von Ralf Neuhäuser, das die Session von Ulrike Zecher zusammenfaßt. Vermutlich gibt es viele weitere Möglichkeiten, wie wir attraktive Berichte über Barcamps und Sessions „verfassen“ können. Der „Bericht“ ist aber nur eine Seite.

Die langfristigen Wirkungen ….
Ein Barcamp ist erst einmal ein einzelnes Ereignis. Aber die Menschen, die sich dort begegnen, miteinander diskutieren, sich über Twitter oder andere Netzwerke verbinden, begegnen sich auch an anderen „Orten“ (online und offline). Angefangene Gespräche werden weitergeführt, neue Themen und Aspekte kommen hinzu – oft entstehen Ideen für gemeinsame Aktivitäten und manchmal auch konkrete Projekte. Dieser Teil läßt sich manchmal aus den Barcampberichten herausfühlen, selten wird er jedoch konkret angesprochen. Vielleicht sollten wir auch diese Geschichten einmal erzählen – denn auch damit könnten wir Menschen begeistern!

Mein Fazit
Ja, ich bin fasziniert von Barcamps. Aber ich habe gelernt, daß ein für mich gutes Barcamp zu einem gewissen Ausmaß auch davon abhängt, was ich in das Barcamp „reinstecke“ und wie offen ich für neue Kontakte, neue Themen und neue Erfahrungen bin. Im besten Fall ist es eine gelungene Gratwanderung zwischen dem Neuen und dem Vertrauten, im schlimmsten Fall entweder fremd oder langweilig. Aber „richtig schlimm“ war es bisher noch nie!