Die geheimen Regeln der Interaktion….

Bluesky mal wieder und ich bin ehrlich gesagt etwas genervt. Nein, nicht über das Netzwerk beziehungsweise die Plattform an sich, sondern über einige Posts und Diskussionen der letzten Tage. Ich ging bisher davon aus, dass ein freundlich wohlwollender Umgang ausreicht, um grundsätzlich auch in diesem Netzwerk gut zurecht zu kommen. Aber in den letzten Tagen habe ich zuviele Posts gelesen, in denen Menschen andere Anforderungen an andere Menschen stellen. Anforderungen, die für mich nicht erkennbar oder nachlesbar sind und die ich für mich auch nicht nachvollziehen kann.

Bitte kein Quotepost
Es gibt Menschen, die mögen es nicht, wenn ihre Beiträge „zitiert“ werden, also als „Quotepost“ geteilt werden. Das kann man mittlerweile bei den einzelnen Posts einstellen, man muß es allerdings für jeden einzelnen Post (auch für die eigenen Antworten in einem Thread) immer wieder einstellen. Und zwar für die Antworten nach dem Posten, in dem man die Einstellungen ändert. Das ist mühsam und ich verstehe, dass es Menschen, die nicht zitiert werden möchten, stört.

Ich selbst mag Quoteposts und nutze sie durchaus relativ häufig. Oft, wenn ich etwas Schönes finde und darauf deutlicher hinweisen möchte als nur mit einem Repost, oft auch wenn ich zusätzliche Informationen (zum Beispiel einen Hinweis auf einen interessanten Thread) oder etwas Persönliches ergänzen möchte oder wenn ich auf einen inhaltlich interessanten oder wichtigen Post in einer fremden Sprache hinweisen möchte. Natürlich kann man Quoteposts auch für unschöne Zwecke nutzen – zum Anprangern beispielsweise. Das habe ich leider auch gelegentlich gesehen, aber dann kann man entweder noch die Einstellungen für den betroffenen Post ändern oder den-/diejenige blocken. Ohnehin läßt sich die Verwendung eines Bilds vom betreffenden Post nicht wirklich verhindern.

Bitte nur Drüko und keine Antwort
Das „Gegenteil“ von „kein Quotepost“ ist mir vor einigen Monaten schon begegnet. Jemand verbat sich – in einer Antwort – jegliche Antwort zu/unter den Posts und verlangte nur über „Drüko“ (also über „Quoteposts“) zu kommunizieren. An die Begründung kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Problem war halt: ich habe es nicht gemerkt und wurde dann geblockt.

Bitte keine Antwort von Nichtfollowern
Auch die Frage, wer einem antworten kann, läßt sich mittlerweile einstellen. Vermutlich ist dieses Thema seitdem weniger oft ein Problem, zudem man jetzt auch private Nachrichten schicken kann. Ganz grundsätzlich kann ich den Wunsch, sich nur mit Followern auszutauschen nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe sehr viel gelernt und sehr viele interessante und spannende Gespräche geführt, weil ich Menschen antworte, denen ich noch nicht folge.

Kein Repost von persönlichen Fotos
In der letzten Zeit habe ich gelegentlich mitbekommen, dass Menschen Fotos von sich selbst (und durchaus schöne Fotos) bei Bluesky einstellen und gleichzeitig nicht möchten, dass diese Fotos geteilt werden. Zur Zeit kann man einen Repost über die Einstellungen nicht verhindern. Der/die Postende veröffentlich also etwas, was – rein technisch – von allen Nutzer*innen geteilt werden kann. Und an dieser Stelle wird es für mich schwierig. Also grundsätzlich schwierig.
Nach meinem Verständnis ist jeder Post ein potentieller Gesprächsanlaß (im Juli 2018 habe ich dazu sogar einen eigenen Blogbeitrag geschrieben – damals ging es natürlich noch um Twitter) und damit auch eine Einladung zur Interaktion – wobei ich Interaktion eben freundlich wohlwollend verstehe. Eine Interaktion kann ein „Herz“ sein und damit meinen, dass ich etwas gesehen habe, eine Antwort – mit der ich den Post natürlich auch sichtbar mache, ein Repost weil ich etwas schön oder bemerkenswert finde oder – soweit nicht ausgeschlossen – ein Quotepost. Fotos teile ich persönlich eher selten – das hängt zum einen mit der Alttext-Thematik zusammen, zum anderen damit dass ich nur wenig auf Fotos achte. Aber (und das ist mir vorgestern und gestern noch einmal klar geworden): das Reposten eines Fotos weil ich es schön finde und weil ich mir wünsche, dass der/die Postende positive Reaktionen erhält, finde ich absolut nachvollziehbar. Wenn ich im Text zum Foto lese, dass ein Repost unerwünscht ist, dann achte ich natürlich auf diesen Wunsch. Ich merke mir aber nicht (oder nur in sehr wenigen Fällen) wer etwas nicht mag. Wenn ich also etwas nicht machen soll (kein Repost, keine Antwort, kein „was auch immer“), dann muß das tatsächlich im Post oder am Anfang eines Threads stehen. Ich sehe es sonst schlicht und einfach nicht und wenn ich es nicht sehe und ich mich nicht sehr zufällig daran erinnere, dann denke ich da nicht dran und das völlig ohne irgendeine böse Absicht.

Kein Repost von (sehr) persönlichen Inhalten
Wirklich verloren bin ich an dieser Stelle. Wenn ich etwas poste – auch wenn es sehr persönlich ist – dann habe ich mich sehr bewußt dazu entschieden, etwas mit Menschen zu teilen. Vielleicht etwas, das mich traurig macht, das mich belastet, das mir schwer fällt. Vielleicht auch (bei mir eher nicht vorstellbar) etwas Glückliches oder besonders Schönes. Ich treffe also sehr bewußt die Entscheidung, ob und was ich veröffentliche. Und mir ist sehr bewußt, dass Menschen darauf reagieren können. Als ich gestern las, dass man vor einem Repost eines (sehr) persönlichen Posts oder eines persönlichen Fotos nachfragen sollte – also sozusagen eine Zustimmung einholen – habe ich mich mit der Herangehensweise sehr schwer getan. Ich habe mich an Zeiten erinnert, in denen ich froh war, das Schweigen (zum Beispiel zum Thema Einsamkeit) durchbrochen zu haben und in denen ich für jede Reaktion aber auch für jedes Teilen (damals Retweet) dankbar war. Das Schweigen der vielen, die sich nicht mit mir oder mit meinen Themen abgeben wollten und die Antworten im Sinne von „wird schon, Du mußt nur daran glauben“ fand ich persönlich schlimmer als manche Fragen oder Kommentare von komplett Unbekannten. Aber das ist natürlich meine persönliche Sicht der Dinge.
Was ich tatsächlich auch schwierig finde: wann ist etwas so persönlich, dass Ihr tatsächlich Eure Zustimmung geben möchtet, bevor Menschen Euren Post teilen? Für mich gibt es da keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte und die entsprechenden Posts enthalten auch keine Hinweise.

Wir machen alles richtig!
Wirklich verstörend fand ich die Haltung, die in machen Posts zum Tragen kam: „Wir machen alles richtig.“ Und ich fragte mich gestern, woher Menschen diese Sicherheit nehmen? Wie man „richtige“ und „falsche“ Kommunikation so einfach unterscheiden kann? Ich habe gestern versucht, das in einigen Antworten auszuführen – auch weil mich eine der Antworten mit dieser Haltung sehr getroffen hat (ja, mein Problem!). Aber da kam keine für mich nachvollziehbare Antwort, keine Nachfrage, kein Verständnis, kein Interesse an meiner Sichtweise. Einfach nur ein „lassen wir das so stehen“.
Und ja, natürlich kann ich das so stehenlassen. Aber in diesen wenigen Worten liegt auch ein „ich will kein Gespräch mit Dir“. Auch das hat mich getroffen – weil es an dieser Stelle und in diesem Ausmaß unerwartet kam. Es war kein „ich habe jetzt keine Zeit“ oder „gerne ein anderes Mal“ oder etwas Ähnliches. Es war einfach nur ein „kein Gespräch“.
Das ist in diesem Moment erst einmal ein weiterer Einzelfall. Aber es sind zuviele unterschiedliche Einzelfälle. Und natürlich kann ich die Beteiligten muten (was ich auch getan habe), damit ich auf keinen Fall Gefahr laufe, etwas zu reposten oder zu beantworten, das ich nicht reposten oder beantworten sollte. Mein kommunikatives Problem löst das logischerweise nicht. Letztlich empfinde ich diese stillschweigend vorausgesetzten Kommunikationsregeln als willkürlich. Ich kann sie nirgends sehen, nicht nachlesen, aber es folgen „Sanktionen“ (Blocken, unschöne Diskussionen), wenn Menschen sich nicht an diese stillschweigend vorausgesetzten Kommunikationsregeln halten.

Und nun?
Ich weiß es nicht. Mein Umgang mit Kommunikation paßt ganz augenscheinlich nicht zu diesen stillschweigend vorausgesetzten Regeln – ich kenne vermutlich ohnehin nur einen Bruchteil dieser „Regeln“. Damit ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich mich kommunikativ tatsächlich selbst auf Kollisionskurs befinde (gestern habe ich mich zwar geäußert, war aber von den Ereignissen ausnahmsweise selbst nicht betroffen). An einer Stelle schrieb jemand sinngemäß, dass man nur das tun solle, was man für sich selbst auch in Ordnung findet beziehungsweise von anderen erwartet. Das ist genau das Problem: das, was ich in Ordnung finde (und was ich mir in schwierigen Situationen sogar gewünscht hätte), das ist für viele von Euch ein Zeichen mangelnden Respekts und ein großer Faux Pas. Dieses Dilemma kann ich nicht lösen.

Warum Bluesky für mich kein guter Ort ist……

Eigentlich will ich schon seit ein paar Wochen einen Beitrag zu Bluesky schreiben. Oder genauer: zu der Frage, warum Bluesky für mich persönlich ein schwieriger Ort ist. In Gedanken habe ich Anfänge und Gedanken zigmal formuliert und sortiert. In Gedanken …… Es ist kein einfaches Thema, weil es zum einen viel mit mir zu tun hat, mit Dingen, die nicht schön sind und zum anderen auch mit der Frage, ob ich vor der Veröffentlichung in diesem Blog Beiträge „löschen“ oder in einen nicht sichtbaren Bereich verschieben sollte. Ich habe mich nach langem Ringen gegen das Löschen oder Verschieben entschieden, wohl wissend, das es für mich nachteilig sein kann.
Und eigentlich wollte ich bevor ich diesen Beitrag schreibe auch noch ein Buch lesen – nämlich „Sad by Design“ von Geert Lovink (deutscher Titel: Digitaler Nihilismus). Aber im Moment komme ich nicht dazu und ich glaube, dass ich mein Erleben der Plattform und die damit verbundenen Gedanken trotzdem festhalten sollte.

Von Twitter (X) zu Bluesky
Bis Juni 2023 habe ich Twitter genutzt, zuletzt immer weniger und irgendwann im Juni 2023 gar nicht mehr. Es war ein komisches Gefühl, ein Social-Media-Netzwerk hinter mir zu lassen, dem ich 14 Jahre lang ziemlich verbunden war. Es war praktisch meine „virtuelle Heimat“ und ab einem bestimmten Zeitpunkt auch mein „Tor“ zu anderen Menschen. Plötzlich stand ich ohne Gespräche da und es gab keinen Ort, wo ich sie führen konnte. Trotzdem war die Entscheidung richtig.

Ende September 2023 erhielt ich eine Einladung zu Bluesky. Ich war neugierig und habe mich ein paar Tage später registriert. Und für ein paar Monate habe ich mich bei Bluesky tatsächlich wohl gefühlt. Es war spannend, noch einmal bei Null anzufangen, zu versuchen, ein Netzwerk neu aufzubauen. Ich habe mich in relativ kurzer Zeit mit der chronologischen Timeline angefreundet, alte Kontakte von Twitter wiedergefunden und neue spannende Accounts (vor allem zu Büchern und Kultur) entdeckt. Viele Bereiche und Themen fehlen noch, auch sind ausführliche Diskussionen eher selten. Aber bis Mitte April war die „Bluesky-Welt“ für mich einigermaßen in Ordnung. Und ja, das Wort „einigermaßen“ beinhaltet schon, dass ich zu diesem Zeitpunkt auch schon Dinge wahrgenommen hatte, die ich „schwierig“ fand, zum Beispiel die stark von Twitter/X abweichende Blockfunktion.

Ins Gespräch kommen……
Die erste Herausforderung, die ich aus meiner persönlichen Sicht einigermaßen gut gemeistert habe, ist überhaupt mit anderen ins Gespräch zu kommen. Ich habe schon zu Twitterzeiten gerne Fragen gestellt, mich für Antworten bedankt, Menschen zu schönen Ereignissen in ihrem Leben gratuliert, Tröstendes oder Mitfühlendes geschrieben wenn es Menschen nicht so gut ging. Mit dieser Herangehensweise und einer gewissen Neugier (ich habe zum Beispiel nach Stichworten gesucht, außerdem habe ich in den Follower- und Following-Listen von interessanten Accounts nach weiteren interessanten Accounts gesucht) hatte ich relativ schnell eine gut gefüllte Timeline mit sehr interessanten mehrsprachigen Inhalten.
Es war schon ziemlich zeitintensiv, diese Timeline aufzubauen, nach interessanten Inhalten zu suchen und diese zu teilen und tatsächlich Gespräche zu führen. Aber insgesamt fühlte es sich für eine lange Zeit positiv an.

Mute, Block und Blocklisten
Schon in den ersten Wochen folgte mir ein Account, der mich „störte“. Also störte in dem Sinne, das ich den Account nicht blocken wollte, ich wollte aber auch nicht, dass dieser Account meine Posts unmittelbar mitbekommt und in seiner Timeline hat. Ich wollte vor allem keine Interaktion mit diesem Account. Das mag jetzt kleinlich klingen, aber der Unterschied zwischen „folgen“ und „nicht folgen“ war mir in dem Moment sehr wichtig. Ich habe es mit „Block“ und „Unblock“ (der sogenannte Softblock bei Twitter) probiert, der Account folgte mir unverändert. Ich habe dann einen Post an den Account geschrieben und gebeten mir nicht mehr zu folgen. Der Account ist meiner Bitte gefolgt und ich konnte den Post löschen. Diese Softblockfunktion ist tatsächlich etwas, das mir bei Bluesky fehlt.

Die Entscheidung für ein Blocken finde ich bei Bluesky schwieriger, weil die Auswirkungen eines Blocks gravierender sind. Nicht nur ich beziehungsweise der geblockte Account können uns nicht mehr sehen beziehungsweise lesen, auch alle anderen zufälligen Gesprächspartner*innen oder Leser*innen eines Gesprächs sind betroffen, der jeweilige Thread wird praktisch unlesbar. Meistens, wenn mir Inhalte „mißfallen“, mute ich daher eher, um anderen Leser*innen eben nicht den Zusammenhang zu nehmen. Trotzdem habe ich mittlerweile auch einige Accounts geblockt – zum Teil, weil ich von ihnen Beleidigungen gegen andere Accounts gelesen habe, zum Teil weil es sich um Spam-Accounts handelt und zu einem weiteren Teil weil es um Inhalte ging, die ich als undemokratisch empfinde. Und ja, mir ist bewußt, dass die Kriterien für eine Blockentscheidung bei jedem/jeder einzelnen sehr unterschiedlich sein können. Es ist trotzdem immer wieder irritierend, wenn man mitten in einem Gespräch geblockt wird……

Als meine Bluesky-Zeit begann, kamen auch einige Accounts zu Bluesky, die ich von Twitter kannte, denen ich zum Teil gefolgt bin und mit denen ich auch (zumindest gelegentlich) diskutiert habe. Es waren zu einem gewissen Teil Accounts, mit denen ich inhaltlich und politisch oft nicht übereinstimme, die ich persönlich aber ganz klar als demokratisch wahrgenommen habe und deren Posts mich oft zum Nachdenken gebracht haben. Ich bin tatsächlich der Ansicht, dass eine Vielfalt von Ansichten und der Austausch über diese Ansichten mit den sie vertretenden Menschen – solange sie (die Menschen und die Ansichten) demokratisch und nicht populistisch sind – für eine Demokratie wichtig ist. Tatsächlich wurden viele dieser Accounts sehr schnell auf Listen mit „unschönen“ Bezeichnungen gepackt, um sie zu muten (also wirklich zum Schweigen zu bringen) oder gar zu blocken. Da gibt es zum Beispiel Listen von Accounts, die (angeblich) undemokratischen Parteien folgen (wobei dieser Begriff anscheinend fast alle Parteien umfaßt), sogenannte Mitteextremist*innnen und Accounts, die als „Aushilfstrolle“ bezeichnet werden. Der „Phantasie“ und „Kreativität“ sind in diesem Bereich keine Grenzen gesetzt.

Ich kann verstehen, dass Menschen, die einen geschützten Raum brauchen und die sich selbst das Lesen sie belastender Beiträge nicht antun wollen, Mute- oder Blocklisten von anderen Accounts abonnieren. Ich finde das gleichzeitig schwierig, weil im Prinzip hinter jeder Mute- oder Blockliste eine sehr subjektive Entscheidung des Accounts steht, der die Mute- bzw. Blockliste erstellt. Das erfordert ein großes Vertrauen in die Sorgfalt und Redlichkeit des erstellenden Accounts. Ich selber habe deswegen keine Mute- oder Blocklisten abonniert.

Gesehen werden….
Im Prinzip haben soziale Netzwerke ja viel mit einer Promenade zu tun – es geht um das Sehen und Gesehen-werden. Sichtbarkeit bei Bluesky ergibt sich durch eigene Posts, durch Reposts und durch Antworten auf Posts. Tatsächlich ist die Grundeinstellung, dass man die Antworten seiner Follower im Feed sieht (man kann das natürlich ändern, ich finde diese Einstellung aber durchaus spannend). Auf diese Weise bekommt man – sozusagen auf dem Silbertablett – auch die Themen und Diskussionen geliefert, die die eigene Timeline gerade beschäftigen. Das kann ein großer Vorteil sein, es kann aber auch – wenn viele Accounts die Äußerung eines Accounts monieren – ein Nachteil sein. Zusätzlich bekommt man „beliebte“ Themen natürlich auch über den Discovery-Feed mit (die Möglichkeiten sind damit auch noch nicht ausgeschöpft). Diese Sichtbarkeit heißt aber auch, dass im Prinzip sehr viele Menschen Diskussionen mitbekommen – was wiederum dazu führen kann, dass sehr viele Menschen sich an Diskussionen beteiligten. Bei manchen Themen würde ich mir das sogar wünschen, erlebt habe ich es bisher eher dann, wenn es darum ging, jemanden zu kritisieren (und „kritisieren“ ist eine sehr freundliche Bezeichnung für das, was ich meine).

Umgang mit Feedback oder Kritik
Menschen sind nicht perfekt, ich schon gar nicht. Oft ist es das Nichtperfekte, das Menschen sympathisch macht – zum Beispiel, dass sie zu ihren Schwächen oder Fehlern stehen können. Bei Menschen, die man (persönlich oder aus einem längerem Austausch) „kennt“, sind die meisten Menschen freundlicher gestimmt und stehen ihnen eher mal einen Fehler, einen schlechten Tag oder eine unglückliche Reaktion zu. Bei Bluesky jedoch treffen (wie in allen sozialen Netzwerken) Menschen aufeinander, die sich noch nicht positiv und wertschätzend begegnet sind. Ich habe während der Mediationsausbildung mühsam lernen müssen, das es (bis auf wenige Ausnahmen) für jedes Verhalten und jede Handlung einen guten Grund gibt. Die Tatsache, dass ich den Grund nicht kenne oder nicht erkennen kann, heißt nicht, dass es ihn nicht gibt. Oftmals beruhen eskalierende Diskussionen darauf, dass ich eine Äußerung auf eine bestimmte Art „verstehe“ und damit „interpretiere“ ohne nachzufragen, ob meine Annahme richtig ist. Ich frage daher oft nach, wie etwas gemeint ist – wobei diese Frage auch nicht immer gut ankommt, dann beende ich das Gespräch. Wichtig ist mir hier vor allem, dass niemand mir antworten muß. Deshalb finde ich Posts mit „Du mußt nur diese Frage beantworten, dann ist alles ok“ problematisch. Leider habe ich solche Posts in den letzten Wochen häufig bei „schwierigen“ Themen gesehen.

Ein Mensch, der etwas postet, möchte in den meisten Fällen keine Kritik hören oder lesen, auch kein negatives Feedback. Ja, ich vergesse das auch oft (denn ich bin nicht perfekt). Aber ganz ehrlich: wer möchte schon bei einem Foto lesen „das Foto ist aber scheußlich, lern doch endlich mal, wie man gute Fotos macht“. Gleichzeitig ist ein soziales Netzwerk auch ein Ort, um über Dinge nachzudenken und um die eigene Haltung und die eigenen Grundannahmen zu hinterfragen. An diesem Punkt beginnt eine schwierige Gratwanderung: wie kann man andere Menschen darauf aufmerksam machen, dass man ihren Post auch als „problematischen Inhalt“ (ich möchte hier bewußt keine Beispiele benennen) lesen kann. Und vor allem, wer kann das machen? Oft ist es eher eine mißglückte Wortwahl oder fehlendes Wissen, nicht unbedingt Absicht. Dies zu unterscheiden ist natürlich schwierig und oft würde ich mir da mehr Zurückhaltung bei den Antwortenden wünschen. Damit komme ich dann auch zu dem Thema, das meine Auszeit und diesen Blogbeitrag ausgelöst hat: die Alt-Text-Diskussion.

Die Alt-Text-Diskussion
Mitte April bin ich in eine Alt-Text-Diskussion hineingeraten. Ein Account hatte am Abend zuvor einen Post mit einem Bild gepostet, das Bild hatte er ohne Alt-Text veröffentlicht. Zig Accounts haben unter diesem Beitrag jeweils – mehr oder weniger freundlich – geschrieben, dass der Alt-Text fehlt. Der betroffene Account hat die Postenden jeweils geblockt. Der Thread in dem ich (dummerweise!) geantwortet habe, entwickelte sich aus einem Post über diesen Vorfall. Ich habe zu dem Zeitpunkt niemanden geblockt, aber einige Accounts stummgeschaltet – auch weil ich die Wortwahl mancher Posts nicht in Ordnung fand.

Aus dem eigenen Erleben dieser „Diskussion“ kann ich zum Alt-Text sagen: ja, das Thema Alt-Text ist wichtig und ich verstehe durchaus die Notwendigkeit, dass Menschen Fotos nur mit Alt-Text veröffentlichen sollten. Ich selbst hatte in den Wochen vorher auch den größten Teil meiner Fotos mit Alt-Text veröffentlicht. Aber: ich habe nur wenige Tage vorher auch festgestellt, dass ich das bei Ausflügen (also wenn ich unterwegs bin) nicht machen kann. Ich war so ehrlich von meinen Schwierigkeiten zu schreiben. Und ja: mir ist bewußt, dass es ein Privileg ist, keinen Alt-Text zu brauchen und einfach entscheiden zu können. Gleichzeitig hat mich die Vielzahl der Posts und auch die Wortwahl in den Posts getroffen. Als ich meine Schwierigkeiten in einem Post erwähnte, wurde ich gleich von mehreren Accounts geblockt. Ein Gespräch war in dem Thread praktisch nicht mehr möglich, es wurde im Grunde genommen gefordert, dass „man“ (vor allem der andere Account aber letztendlich auch ich) keine Fotos ohne Alt-Text mehr postet.

Mein Umgang mit dem Thema und die Auswirkungen auf meinen Account
Ich habe oben schon geschrieben, dass ich nicht perfekt bin. Wenn ich mich beschreiben müßte, würde ich folgende Worte wählen: alt, häßlich, einsam und langweilig. In dieser Beschreibung steckt gleichzeitig sehr viel Wahrheit und sehr viel Selbstironie. Bluesky war – wie früher Twitter – eine Möglichkeit, die Einsamkeit zumindest virtuell zu überwinden. Wenn ich von Ausflügen und Spaziergängen live gepostet habe – mit Fotos – dann habe ich mich mit den Menschen, die darauf reagiert haben, virtuell verbunden gefühlt. Es war so, als ob sie zumindest für einen kleinen Moment dabei wären. Das ist nicht mehr der Fall, wenn ich Fotos erst zu einem späteren Zeitpunkt poste – dann könnte ich theoretisch auch einen Blogbeitrag schreiben, was ich auch nicht tun werde. Gleichzeitig habe ich aber auch gemerkt, dass ich es nicht schaffe, beim Live-Posten die Fotos mit Alt-Text zu versehen. Ja, das ist mein Problem und ja, das ist gegenüber Menschen, die nicht oder nur schlecht sehen können, nicht fair. Dementsprechend habe ich schon am Tag der Diskussion für mich entscheiden, dass ich keine Fotos mehr posten werde. Daraus folgt dann aber auch, dass ich von Ausflügen oder Spaziergängen nichts mehr posten werde. Und schon ist ein großer Teil der bisherigen Posts nicht mehr möglich – also subjektiv für mich nicht mehr möglich. Letztendlich bleibt dann nichts, was ich von mir und von meinem Leben berichten kann.

Bluesky als Ort der zerbrochenen Spiegel
Es gibt eine sehr schöne Geschichte – den Tempel der 1000 Spiegel. Das Prinzip dieser 1000 Spiegel kenne ich aus dem „normalen“ Leben. Im realen Leben begegnen mir die Menschen meist freundlich, wenn ich sie anlächle und freundlich grüße. Und ja, ich mache das. Bei Bluesky reicht es nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich 1000 zerbrochene Spiegel anbelle und die zerbrochenen Spiegel mir ein schauriges Bild von mir selbst zurückspiegeln. Kein schönes Bild und vor allem auch kein Bild, auf das ich mich freue.

Ich wünsche Euch, dass es Euch besser ergeht und das Ihr Bluesky anders erlebt. Bluesky kann bestimmt ein guter Ort sein – nur halt nicht für mich!