Mein Sommer – ein Drama in drei Akten

Manchmal verändern einen Ereignisse mehr als man denkt. Manches – so schwierig es sein mag – macht uns stärker. Manches, was zum normalen Leben gehört, wirft uns um und läßt uns Dinge an und in uns sehen, die wir nicht sehen möchten, die uns schwach, negativ und angsterfüllt erscheinen lassen. Ich bin in den letzten Monaten durch ein solches tiefes Tal gegangen. Manche haben mich auf einem Teil dieses Weges begleitet.
Mit diesem – noch einmal sehr persönlichen – Beitrag möchte ich versuchen, diese Zeit abschließen. Es ist kein schöner Blick auf mich, aber ich möchte noch einmal offen und ehrlich sein – auch weil ich über Twitter viel Unterstützung gefunden habe. Es war eine Zeit, die für mich viel in Frage gestellt hat – mehr als man von außen vermuten könnte und ich kann die Veränderungen für die Zukunft in vielen Punkten noch gar nicht einschätzen. Darf ich die Leserinnen und Leser um ein wohlwollendes Lesen bitten und daß sie mir – wenn sie sich möglicherweise verwundert die Augen reiben – zugute halten, daß ich es so schildere, wie ich es aus meiner Sicht erlebt und vor allem empfunden habe?

Mein Sommer – ein Drama in drei Akten

Dieser Sommer war für mich kein schöner Sommer und damit meine ich jetzt nicht das Wetter. Es fand leider etwas statt, das ich als Drama in drei Akten erlebt und empfunden habe. Dieses Drama hat auch dazu geführt, daß ich Twitter nicht mehr gerne nutze und als letzten Moment der Offenheit möchte ich diese Geschichte erzählen.

Prolog
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal trifft sich in Hamburg mit obercoolem Twitterer aus Norddeutschland. Das Drama beginnt.

Es war ein völlig normales kurzes Twittergespäch, das zu der Idee eines Treffens führte. Wir sprachen über Eisessen und irgendwann schrieb er ein (ohnehin nicht ernstgemeintes) „komm vorbei“. Da ich kurz danach wegen der Teilnahme an einer Tagung nach Hamburg reisen sollte entstand die Idee eines Treffens in Hamburg.

1. Akt
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal verliebt sich in obercoolen Twitterer aus Norddeutschland. Kein Happy End.

Per DM hatten wir grob den ersten Tag meiner Hamburg Zeit als einzig möglichen Termin für ein Treffen „ausgemacht“, eine konkrete Verabredung gab es nicht. Erst als ich schon im Zug nach Hamburg saß, haben wir uns für den Abend verabredet und auch tatsächlich getroffen. Über dem Treffen lag aus meiner Sicht eine seltene Vertrautheit, geknistert hat es an dem Abend nicht, es war einfach eine schöne Begegnung.
In den Tagen nach dem Treffen fand jedoch (von beiden Seiten) ein sehr reger DM-Austausch statt. Es waren sehr schöne Gespräche mit vielen unterschiedlichen Themen – er sprach (zutreffenderweise) von einem Wollknäuel von Themen. Wir planten (auf seine Initiative) einen gemeinsamen Besuch der Herrenhäuser Gärten, ich sollte ihn in Norddeutschland besuchen und wir haben uns (während er auf einer Geschäftsreise war) kurz in Köln getroffen.
Irgendwann in der Zeit der intensiven DM-Gespräche habe ich mich verliebt. Ich war immer offen und ehrlich und habe gerade an dem Tag vor dem Treffen in Köln aus meinen Gefühlen keinen Hehl gemacht. Leider hat er seine Zweifel und seinen Unwillen, eine Beziehung einzugehen, nie angesprochen. Weiter ging es mit den privaten Nachrichten. Wenige Tage später teilte er mir dann – nach einer kurzen DM-Pause – per DM mit, daß er keine Beziehung wolle. Meine Bitte nach einem Telefongespräch lehnte er rigoros ab. Ich mußte in der DM fürchterlich abgedroschene Sätze lesen. Sätze, die mir heute noch weh tun und die sich in vielerlei Hinsicht (wie zum Beispiel sein Wunsch nach Freundschaft) als inhaltsleer und unwahr herausgestellt haben. Es tat vor allem sehr weh, daß er mich in meinen Gefühlen zunächst bestätigt hat, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon Zweifel hatte. Um sich alle Optionen offen zu halten hat er meinen Schmerz bewußt verstärkt.

2. Akt
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal will sich auf Freundschaft mit obercoolem Twitterer aus Norddeutschland einlassen. Kein Happy End.

Ich konnte mir an dem Abend der „Ich-will-keine-Beziehung-mit-Dir-DM“ keine Freundschaft vorstellen. Ich fand das nach einer Abweisung schon immer schwierig und mir hat seine Entscheidung und seine DM sehr weh getan. Ich konnte in den darauf folgenden Tagen kaum schlafen, ich konnte mich kaum konzentrieren und daher auch kaum arbeiten und ich konnte auch kaum etwas essen. Es war eine sehr traurige und sehr schwierige Zeit, deren Auswirkungen ich sehr lange gespürt habe (ich habe meine nach 2017 ohnehin begrenzten finanziellen Reserven wieder aufgebraucht, ich konnte Aufträge nur schlecht bearbeiten und ich habe stark abgenommen).
Wenige Tage nach der DM bin ich nach Berlin zu einer Konferenz gefahren, die ich jedes Jahr zur eigenen Weiterbildung besuche. Es war fürchterlich. Zu Gesprächen mit anderen Menschen war ich nicht in der Lage, am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst. Wann immer es möglich war bin ich Gesprächen regelrecht aus dem Weg gegangen.
Kurz vor der Rückfahrt nach Wuppertal saß ich bei einer Tasse Earl Grey auf dem Gendarmenmarkt und habe nachgedacht. Ich habe zumindest versucht, mich einen Moment lang in seine Lage zu versetzen. Ich fand die Vorgehensweise definitiv nicht toll, ich hätte mir auch definitiv eine andere Entscheidung gewünscht, trotzdem konnte ich in dem Moment „anerkennen“, daß ihm die Entscheidung nicht leicht gefallen war und er sich in der Situation auch nicht wohlfühlte. Ich war daher bereit, auf seinen Wunsch nach Freundschaft einzugehen.
Am selben Abend schrieb ich ihm vom heimischen Rechner eine DM, daß ich bereit sei, das Treffen in Köln aus meinem Gedächtnis zu streichen und ein Buch der Freundschaft zu öffnen und mit ihm gemeinsam zu füllen. Er antwortete, daß er sich darüber freue.

Freundschaft braucht Gespräche und so habe ich versucht, ähnlich wie zuvor (nur halt in geringerem Ausmaß und mit weniger persönlichen Inhalten) per DM im Gespräch zu bleiben. Das fiel mir nicht leicht, im Gegenteil – aber ich wollte die kleine Chance auf eine Freundschaft wahren. Meist kamen auf meine DMs kurze, knappe Antworten, nie Gegenfragen, nie fing er von sich aus ein Gespräch an. Ja, irgendwann habe ich das gemerkt. Ich habe ein paar Tage gar keine DMs geschrieben und dann habe ich das angesprochen, weil ich offen und ehrlich damit umgehen wollte. Wie weh tat es mir als ich dann lesen mußte, daß er halt ganz anders sei als ich erwartet hätte und daß ich halt falsche Erwartungen habe. Mehr nicht. Der Mensch, der vorher täglich umfangreiche DM-Gespräche mit mir geführt hat, schrieb mir das. Was hieß das für mich? Daß es nie um Freundschaft ging? Daß für ihn Freundschaft komplett ohne Gespräche existiert? Daß er überhaupt kein Interesse an Gesprächen mit mir hatte? Ich weiß es bis heute nicht, denn nach der „Ich-will-keine-Beziehung-mit-Dir-DM“ war ein persönliches Gespräch überhaupt nicht mehr möglich. Und nach diesem Gespräch gab es halt keine DMs mehr.
Wieder etwas, das mir sehr weh tat und mich sehr traurig gemacht hat.

3. Akt
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal versucht wenigstens die flüchtige Twitterbekanntschaft mit dem obercoolen Twitterer aus Norddeutschland zu bewahren. Kein Happy End.

Nach einigen Wochen des Schweigens habe ich versucht, wenigstens die Twitterbekanntschaft zu bewahren. Ich habe auf einen Tweet reagiert und ich habe ihn auch bewußt in einem öffentlichen Twittergespräch erwähnt. Wie von mir vermutet nahm er das Gespräch auf. Das Gespräch war in Ordnung, aber nicht herausragend. Mir fehlte die Freude und Leichtigkeit bei diesem Gespräch. Aber es sah zumindest so aus, als ob öffentliche Twittergespräche weiter möglich seien.
Bald danach sah ich aber, daß er kurz nach dem Gespräch einen Tweet geschrieben hatte, der mich gleich doppelt traf und verletzte. Es ging in diesem Tweet um Menschen für heiße und kalte Nächte und um Menschen, die für immer bleiben. Ich hatte im Juni ja schon verstanden, daß er auf keinen Fall eine Beziehung mit mir wollte. Aber mir noch einmal so deutlich mitzuteilen (ohne mich namentlich zu erwähnen), daß ich für eine Beziehung nie in Frage gekommen war, hat mich sehr getroffen. Ich wußte immer, daß ich bei der Verteilung weiblicher Attraktivität nicht anwesend war, daß ich keine „Esmeralda“ bin. Aber seit diesem Tweet fühle ich mich wie das weibliche Äquivalent von Quasimodo. Und ich wußte auch sofort, daß ich nicht zu den Menschen gehöre, die für immer bleiben. Denn um zu bleiben muß man erst einmal ankommen, muß man irgendeinen noch so kleinen Platz im Leben eines anderen Menschen haben. Diesen Platz hatte ich nie. Mir wurde klar, daß nicht einmal eine Twitterbekanntschaft möglich sein würde.
Es tat wieder sehr weh und ich war sehr traurig.

Epilog
tl;dr: Graue Maus aus Wuppertal zieht sich in ihr Mauseloch zurück. Keine weiteren Nachrichten.

Wenn ich über die letzten Monate nachdenke, dann komme ich immer wieder zu drei Schlüssen.
Der erste Schluß ist: „Wer Hoffnung sät, sollte auch ernten wollen.“ Ich finde diesen Satz unglaublich wichtig. Als ich nach Hamburg fuhr, war ich nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Ich wollte einen netten Abend verbringen, Bekanntschaft oder Freundschaft wären auch in Ordnung gewesen. Mehr wollte ich nicht. Es gab genug Gelegenheiten, den Austausch auf der rein freundschaftlichen Ebene zu belassen. Leider hat er – trotz seiner Zweifel – bei mir eine Hoffnung wachgerufen, die vorher nicht da war, die er aber auch gar nicht erfüllen wollte.
Damit komme ich zu dem zweiten Schluß: „Nie wieder“. Abweisungen und Verletzungen sind nicht schön. Davon direkt drei in kurzer Zeit zu erleben ist noch einmal schlimmer. Und letztlich stehen diese Abweisungen und Verletzungen mit den Abweisungen und Verletzungen der Vergangenheit in einer Reihe. Die Botschaft des Schicksals ist eigentlich ganz einfach: Liebe und Beziehung stehen in meinem Leben nicht zur Verfügung. Ich hatte das auch früher schon verstanden, die Erfahrung dieses Sommers wäre dafür nicht notwendig gewesen. Es ist besonders grausam, daß die Hoffnung für ein paar Tage geweckt wurde und ich sie jetzt mühsam und langwierig wieder begraben muß. Das ist ein langer Prozess und ich habe sie diesmal hoffentlich tief genug begraben.
Der dritte Schluß: jemand hat einmal auf Twitter geschrieben „Es sind niemals nur Worte“. Das ist wahr. Worte können uns tiefes Glück schenken und zutiefst Hoffnungen zerstören. Ich habe beides innerhalb kürzester Zeit erlebt.

Seit Ende August folge ich ihm nicht mehr bei Twitter. Ich vermute, daß er das bemerkt hat. Trotzdem folgt er mir immer noch und ich verstehe nicht warum. Soll das ein (falsch verstandenes) Zeichen freundschaftlichen Mögens sein? Soll es Mitleid sein? Soll es die heimliche (oder gar un-heimliche) Freude sein, sich richtig entschieden zu haben? Ich weiß es nicht und ich werde es wohl auch nicht mehr erfahren. Was auch immer der Grund ist – über ein Gespräch oder zumindest einen ernsthaften persönlichen Gesprächsversuch hätte ich mich mehr gefreut. In der ganzen Zeit seit Ende Juni gab es von seiner Seite leider nur zwei halbherzige öffentliche Gesprächsversuche, irgendein Bemühen um die angeblich von ihm gewünschte Freundschaft konnte ich zu keinem Zeitpunkt erkennen.
Besonders unangenehm fand ich, daß er (als ich ihm schon nicht mehr folgte) in einem relativ banalen Gespräch die Tweets meiner Twittergesprächspartnerin favte (meine natürlich nicht). Ich hatte plötzlich das Gefühl beobachtet zu werden, diese Vorgehensweise fühlte sich für mich verdammt falsch an. Ich habe das nur durch Zufall mitbekommen und mich danach komplett von Twitter zurückgezogen, um in Ruhe nachdenken zu können. Es fühlt sich insgesamt falsch an, daß jemand der jedes persönliche Gespräch verweigert und der nur durch Abweisungen, Kälte und Desinteresse „glänzt“, mir noch folgt.

Weitere Aufführungen?
Nein. Die graue Maus geht zwar gerne ins Theater, sie liest auch gerne Dramen, aber für weitere Rollen in irgendwelchen Dramen steht sie nicht zur Verfügung.

2 Gedanken zu „Mein Sommer – ein Drama in drei Akten“

  1. Ein sehr berührender, zu Herzen gehender Bericht, liebe Astrid.
    Ich verstehe jetzt Deine Äußerungen auf Twitter zu dem Thema sehr viel besser!
    Allein die Vorstellung solcher Erfahrungen sind unendlich peinvoll.
    Mutig, so darüber zu schreiben und sich zu offenbaren – und richtig!

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