Kann denn Lesen Hobby sein?

Manchmal kommen Themen, die mich interessieren, auf ganz spannende Weise „zusammen“.
Schon seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit „Fragen“ – vor allem mit guten Fragen, die Gespräche eröffnen und ermöglichen, die Nachdenken erlauben und einfordern.
Mittlerweile stoße ich auch immer wieder auf den Gedanken/die Frage, ob wir uns zu sehr mit (vermeintlich) „gewinnbringenden“ Dingen beschäftigen und wie das uns und unsere Gesellschaft prägt. Dazu passend habe ich vor ein paar Tagen begonnen das Buch „Von der Nützlichkeit des Unnützen“ (Untertitel: Warum Philosophie und Literatur lebenswichtig sind) von Nuccio Ordine zu lesen. In diesem Buch stellt Nuccio Ordine anhand von vielen literarischen und philosophischen Beispielen die Gedanken der „Nützlichkeit“ und der „Zielorientierung“ in Frage. Ein sehr spannendes Buch. Man kann sich leicht vorstellen, daß mich gestern die nachfolgenden Tweets sofort zu einer Antwort „reizten“:

Ausgangstweet: Kann man (heute) ein Hobby haben, das man nur seiner selbst wegen ausführt und nicht wegen Erfolg oder Anerkennung? Und ist das sinnvoll?

Zweiter Tweet: Ich frage, weil mir keines einfällt, das nicht wenigstens durch ein wenig Drang nach Anerkennung motiviert ist.

Dritter Tweet: Selbst gelesene Bücher landen häufig im Bücherregal für alle sichtbar. Man redet/bloggt über zuletzt gelesene Bücher.

Hier war sie – die spannende Frage! Und ich habe sofort mit einer Gegenfrage geantwortet:

Mein Antworttweet: Ist das denn schlimm? Ist nicht vielmehr entscheidend, ob ich etwas tue (zB Lesen) weil es mir wichtig ist?

Es folgte – und dafür war die Frage ein sehr guter Ausgangspunkt – eine spannende Diskussion über die Definition von Hobbies, über das Verständnis und die Notwendigkeit von Erfolg, Anerkennung und Zielen und die Abgrenzung zu Begriffen wie Zeitvertreib und Interesse. Wer möchte kann die Diskussionen (es gab noch weitere) hier und hier nachlesen.

Ich nehme diese wirklich gute Diskussion nun als Ausgangspunkt für meinen Blogpost!

Was ist denn eigentlich ein Hobby?
Irgendwann im Laufe des Gespräches tauchte die Frage auf, wie man ein „Hobby“ eigentlich definiert. Ich möchte diese Frage hier an den Anfang stellen, weil das eigene Verständnis des Begriffes „Hobby“ auch viel mit den Inhalten, Anforderungen und Abgrenzungen zu tun hat.

So richtig habe ich mir – vor dem gestrigen Gespräch – nie Gedanken über die Definition des Begriffes gemacht. Für mich war es immer etwas, das mit Entspannung und Freizeit zu tun hat, etwas das ich selbst auswähle. Die Definitionen, die ich gefunden habe gehen auch in diese Richtung – spannend ist dabei die Ableitung vom englischen Wort „hobby horse“ (wieder etwas gelernt!).

Schwierig ist auch die Abgrenzung zum Begriff „Zeitvertreib“. „Zeitvertreib“ empfinde ich in einem gewissen Ausmaß als wertenden Begriff, der irgendwie leicht negativ klingt – ich denke spontan an Langeweile, Zeit totschlagen müssen und Ähnliches. Eine richtige Abgrenzung konnte ich nicht finden, interessant fand ich aber, daß als Synonym für „Hobby“ auch „liebster Zeitvertreib“ angegeben wird. Ja, das paßt schon eher.

Brauchen Hobbies ein Ziel?
Eine verstörende Frage! Ich lese viel und gerne – aber in der Regel ohne ein konkretes Ziel und ohne Gedanken an die „Einsetzbarkeit“ oder „Nützlichkeit“ einer bestimmten Lektüre. Wenn ich etwas lese, lesen möchte – dann mache ich das, weil ich neugierig bin, weil mich das Thema oder der Autor/die Autorin interessiert, weil ich mich gerne mit bestimmten Fragen beschäftige. Das unterscheidet das private Lesen (das ich als „Hobby“ oder auch als „Leidenschaft“ ansehe) vom beruflichen Lesen. Wenn ich eine rechtliche Frage prüfe, dann suche ich natürlich zielgerichtet nach bestimmten Antworten – gibt es zu einer bestimmten Situation schon ein Urteil, hat sich die Rechtslage verändert, wie groß ist das Risiko. Privat – also in meiner Freizeit – lese ich anders. Ich nutze die freie Zeit, um aus einer (ziemlich großen) Auswahl von Büchern und Zeitschriften das zu lesen, was mich gerade in dem Moment anspricht. Natürlich können dann auch Inhalte dabei sein, die beruflich interessant sind oder es später werden, das ist aber nicht mein „Leseziel“ – das ergibt sich „nebenbei“.

Aber drehen wir die Frage für einen Moment um: führt das Festlegen eines Ziels dazu, daß eine Beschäftigung kein Hobby mehr ist? Ich zögere, weil mich die „Zielorientierung“ schon stört. Natürlich kann es Hobbies geben, die (auch) mit einem „Ziel“ betrieben werden – Sport, um den Körper fit zu halten, um sich nach einem anstregenden Tag auszupowern oder um Beschwerden (z.B. Rückenschmerzen) vorzubeugen; Fremdsprachen lernen – um sich in anderen Ländern mit Menschen verständigen zu können. Was überwiegt aber? Der prüfende Blick auf das Ziel oder die Leidenschaft an der Aktivität? Das ist für mich die wesentliche Frage für meine Abgrenzung zwischen einem Hobby und anderen Aktivitäten.

Ein Ziel zu haben führt also nicht notwendigerweise dazu, daß etwas kein Hobby mehr sein kann. Das bedeutet aber noch nicht, daß ein Hobby ein (konkretes) Ziel erfordert.

Lernen oder lesen?
Vielleicht wird an dieser Frage, die sich indirekt aus unserer Diskussion ergab eigentlich klar, warum das Hobby Lesen – zumindest für mich – kein Ziel erfordert. Auf eine bestimmte Art und Weise tauchte in unserer Diskussion die Unterscheidung zwischen Lernen (Wissen aus Sachbüchern erweitern) und Lesen (Romane) auf.

Ein weiterer Tweet:
Weil Sachbücher darauf ausgerichtet sind, das Wissen zu erweitern. Romane, in Welten einzutauchen.

Eine Unterscheidung, die ich nicht teile, die aber durchaus mit der Frage nach dem Ziel zusammenhängt. Lese ich, um zu lernen oder lerne ich, weil ich lese? Der Unterschied mag auf den ersten Blick gering erscheinen, er ist aber größer als man denkt. Der für mich größte Unterschied liegt in der Auswahl der Texte, die ich lese. Wenn ich „nur“ lese, um zu lernen, dann werde ich vermutlich (wie in dem Tweet auch beschrieben) eher Texte auswählen, die zu meinem Lernziel passen. Das können thematisch passende Sachbücher sein, Fachzeitschriften oder Blogbeiträge. Natürlich ist dieses zielgerichtete Lesen nicht schlecht, ganz im Gegenteil – ich freue mich immer, wenn Menschen lesen. Aber Lesen hat für mich noch eine andere Komponente: oft finde ich beim Lesen „Dinge“, die ich gar nicht erwartet hätte und die mich zu neuen Themen, neuen Autoren/Autorinnen und auch zu neuen Büchern und Texten führen. Beim Lesen von Texten, die ich nicht „zielgerichtet“ ausgewählt habe, sondern die mir einfach „gefallen“ oder mich „interessieren“ bewege ich mich abseits meiner eigenen Erwartungen. Das Buch von Nuccio Ordine ist ein gutes Beispiel. Titel und Klappentext haben mich damals, als ich es in einer Buchhandlung gesehen und gekauft habe, angesprochen. Ich habe dort kurz in das Buch hineingeschaut, konkrete Erwartungen hatte ich aber nicht. Umso interessanter ist es nun für mich, daß dieses Buch sich sehr stark in kurzen Kapiteln mit anderen Texten auseinandersetzt. Da sind spannende Querverweise – zum Beispiel zu Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“, den ich demnächst sicherlich lesen werde. Ich genieße es, mich mit Fragen und Texten zu beschäftigen, die eben nicht „notwendig“ sind, die ich beruflich gerade nicht „brauche“, die mich und mein Leben aber bereichern!

Interessanterweise kann ich oft Gedanken oder Themen, die aus meinem reichhaltigen Lesefundus stammen, an anderen Stellen wieder einsetzen und mit beruflichen oder persönlichen Themen verbinden. Das ist nicht mein Ziel beim Lesen und bei der Lektüreauswahl, es ist eher ein positiver und manchmal überraschender „Nebeneffekt“. Es bleibt beim Lesen halt mehr „hängen“, als man so denkt.

Sachbuch oder Roman?
Es war eine interessante Annahme, die gestern in dem Twittergespräch indirekt zutage kam. Wir diskutierten über die Abgrenzung von „Hobby“ und „Zeitvertreib“. Dabei stellte ich die Frage, was das Lesen im Zug eigentlich ist. Antwort: Zeitvertreib. Ich fragte nach, ob das am Ort liegt und bekam die Antwort: nein, Romane lesen ist für mich grundsätzlich Zeitvertreib.

Spannend! Denn ich habe während des ganzen Twittergesprächs zu keinem Zeitpunkt geschrieben, was ich im Zug denn überhaupt lese. Die Annahme an sich (Romane) ist natürlich nicht schlimm, sie ist aber so nicht zutreffend. Wenn die Unterscheidung nach Hobby oder Zeitvertreib tatsächlich auf einem Buchtyp beruhen würde, dann wäre eigentlich die Frage „was liest Du denn im Zug?“ naheliegend gewesen.

Es ist diese Einengung auf wichtige und weniger wichtige Werke, die mich wieder an das Buch von Nuccio Ordine erinnert. Wäre es schlimm und weniger sinnvoll, wenn ich „nur“ etwas Schönes lese? Ein Gedicht, eine Novelle, einen Roman?
Es ist meines Erachtens diese Wertung nach Nutzen und Bedeutung, die Kunst und Kultur immer weiter abdrängt. Gleichzeitig glaube ich, daß wir Kunst und Kultur brauchen, um uns mit unseren Werten, unserer Geschichte und damit auch unserer Zukunft auseinanderzusetzen. Ist ein Buch über Marketing wirklich wichtiger als Der Kaufmann von Venedig? Ich finde beides wichtig und möchte diese Vielfalt und die damit verbundene Anregung auch nicht missen.

Was ist mit Erfolg und Anerkennung?
Ich bin froh, daß ich mal wieder einen längeren Blogpost geschrieben habe. Das Thema hat mich inspiriert und natürlich freue ich mich auch, wenn jemand diesen Blogpost liest – vielleicht sogar bis zum Ende. Aber dabei geht es mir nicht um Erfolg oder Anerkennung, sondern eher um das Aufnehmen oder Weiterführen eines Gesprächs und um das Festhalten meiner Gedanken. Es mag sein, daß sich niemand dafür interessiert. Dann ist das halt so. Und wenn es anders ist, dann ergeben sich daraus vielleicht gute Gespräche. Egal wie, mir ist durch das Schreiben deutlich geworden, wie meine Haltung zu diesem Thema ist.

Noch weniger passen die Begriffe von Erfolg und Anerkennung für mich auf das Lesen selbst. Quantitativ mag Lesen durchaus meßbar sein – in der Zahl der gelesenen Bücher oder gar der gelesenen Seiten. Aber was sagt das für mich wirklich aus? Bin ich „erfolgreicher“ wenn ich in diesem Jahr 10 Bücher mehr lese? Habe ich versagt, wenn es 10 Bücher weniger sind? Was ist mit dem qualitativen Aspekt? Manchmal sind es gerade Bücher mit „sperrigen“ Themen oder Fragen, die lange nachwirken, manchmal werden aus Zufallsfunden Lieblingsbücher. Ich will das nicht messen und schon gar nicht will ich messen, was ein Buch in meinem Kopf oder in meinem Herzen bewirkt.

Fazit?
Lesen ist meine Leidenschaft, mein liebster Zeitvertreib, mein Hobby und es ist ein Genuß aus einer Vielzahl vermeintlich „wichtiger“ und „unwichtiger“, „nützlicher“ oder gar „unnützer“ Werke aller Art auswählen zu können. Ich entschwinde dann mal mit einem guten Buch …….

Von Sternen, Herzen und Kröten ….

Twitter hat heute Geburtstag – 10 Jahre wird das Netzwerk schon alt. Ich bin immerhin seit 2009 dabei und habe sogar meinen allerersten Tweet wiedergefunden.

Viele haben sich heute zu Twitter und zum Twittergeburtstag geäußert – in Tweets, in kurzen Filmen und in Blogbeitragen. Muß ich jetzt auch noch ….? Ja, ich muß, denn ich möchte mich einerseits für vieles bedanken, andererseits bin ich aber auch über manches enttäuscht. So ein Jubiläum ist daher ein „guter“ Zeitpunkt, darüber zu sprechen.

Sterne und Sternstunden
Ich weiß noch, daß ich ganz am Anfang die „üblichen Vorurteile“ hatte. Da erzählen die Menschen doch nur, daß sie zum Essen oder zum Kaffeetrinken gehen. Aber im Sommer 2009 überwog dann meine Neugier und ich habe mich angemeldet – gleich mit mehreren Accounts. Ganz langsam und vorsichtig habe ich begonnen, mir eine Timeline aufzubauen, mich mit neuen Themen zu beschäftigen und Sterne zu verteilen.

Die eigentlichen Sternstunden kamen später und hingen mit einer aktiveren Twitternutzung zusammen. Ab Frühling 2012 habe ich relativ intensiv von Twittwochen, Tagungen und Barcamps getwittert. Das schaffte eine doppelte Vernetzung – über die Twitterwall mit den twitternden Menschen vor Ort und über die Entfernung mit denen, die einem Hashtag folgten und Interesse an einer Veranstaltung/einem Thema hatten. Ohne Twitter wäre ich vielen Menschen, die heute mein Leben bereichern, nicht begegnet und ohne Twitter hätte ich auch viele spannende Gespräche und Diskussionen nicht geführt, viele Themen und Veranstaltungen gar nicht mitbekommen.

Für mich ist Twitter nicht nur ein Ort der schnellen Information, sondern vor allem ein Ort des dialogischen Gesprächs, der neugierigen Fragen und des Aufbaus neuer Kontakte. Gerade weil man „einseitig“ folgen kann, ist es möglich, völlig unbekannte Menschen und ihre Themen zu entdecken, ihnen zu folgen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Viele der heutigen Geburtstagstweets haben das auch schön zum Ausdruck gebracht. Sternstunden halt!

Herzen …….
Aber manche Entwicklungen sind auch schwierig. Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als es problemlos einen Feed der neuen Follower und auch der Mentions gab, heute funktioniert nicht einmal die Email-Benachrichtigung und ich muß mir immer wieder Umwege suchen, um Wichtiges irgendwie „abzuspeichern“. Ganz schlimm wurde es für mich, als die Sterne zu Herzchen wurden – völlig ohne Auswahlmöglichkeit. Ich mag Twitter ja wirklich von Herzen gerne, aber Herzen verteilen …. nein, das ist nicht meins.

In meiner Timeline schrieb heute jemand, daß Twitter sich treu bleiben soll. Das ist ein wichtiger Wunsch. Denn die Jagd nach neuen Zielgruppen, die man vielleicht ohnehin nicht erreichen kann (Mario Sixtus hat mir heute in seinem Interview in vielen Punkten aus dem Herzen gesprochen) macht die Plattform nicht stärker, eher im Gegenteil.

Kröten ……
Ja, es ist wichtig, ein Finanzierungsmodell zu finden. Oft genug wurde auch schon vorgeschlagen, daß überzeugte Nutzer ja etwas für eine werbe- oder auch herzchenfreie Version zahlen können. Vielleicht ist der Blick auf Werbung und auf junge Zielgruppen einfach zu eng und führt dazu, daß den „alten“ Nutzern auch manche Kröte vorgesetzt wird. Die Herzchen waren beziehungsweise sind so eine Kröte für mich, die Einstellung der Desktopversion von Tweetdeck für Windows ist ebenfalls eine solche Kröte. Ich bin traurig, weil ich das Gefühl habe, daß Twitter mich manchmal zu einer bestimmten Art der Nutzung zwingen will, die für mich nicht paßt.

Und so bleibt am Jubiläumstag ein leicht bitterer Beigeschmack, der meine Freude über die Sternstunden der letzten knapp sieben Jahre meiner Twitternutzung ein bißchen trübt. Wird auch morgen für meine Art der Twitternutzung noch „Platz“ sein?

Ich wünsche es mir und ich wünsche mir, daß Twitter die Offenheit wiedergewinnt, die es in meinen Augen gerade vor ein paar Jahren noch hatte und die für mich den unverwechselbaren Charme der Plattform ausgemacht hat und irgendwie auch immer noch ausmacht – trotz aller Kröten.

In diesem Sinne: herzlichen Glückwünsch Twitter und alles Gute für die nächsten 10 Jahre!

Innovativ sein?!

Letzten Mittwoch fand in Düsseldorf im Gewächshaus eine Kooperationsveranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung zum Thema Innovation statt. „How to be innovative“ war der Titel der Veranstaltung, der mich so neugierig machte, daß ich mich angemeldet habe und hingefahren bin.

Neugierig auf Innovation?
Ich bin neugierig auf das Thema Innovation aber auch auf den Umgang mit dem Thema. Oft genug wird Innovation als technische Neu- beziehungsweise Weiterentwicklung verstanden. Es geht dann oft um patentrechtliche Fragen, um Fördermöglichkeiten bei Forschung und Entwicklung, um die Markteinführung neuer Produkte. Das ist alles wichtig. Nach meinem Verständnis umfaßt Innovation aber mehr. Es ist eine Aufgabe und Herangehensweise, die für alle kleinen und großen Unternehmen wichtig ist. Wenn sich die „Außenbedingungen“ ändern (zum Beispiel durch die Digitalisierung), dann müssen wir alle schauen, ob/welche Produkte und Dienstleistungen noch „passen“, wie wir unser Angebot verändern und uns und unser Angebot immer wieder „neu erfinden“. Dazu gehört viel Arbeit, viel Austausch, viel Mut, viel Neugier und auch viel Freude am Ausprobieren.
Meistens finde ich bei Veranstaltungen zum Thema Innovation nur wenige dieser Aspekte wieder. Natürlich nehme ich trotzdem Anregungen und Fragestellungen für mich mit – oft aber auch mit dem Gefühl, daß man mehr aus dem Thema machen könnte. Entsprechend neugierig war ich auf die Veranstaltung der Naumann-Stiftung.

Meine Erwartung….
Aufgrund der Einladung (Experten, Diskussion, Minimesse) hatte ich vermutet und erwartet, daß ich vor allem (passiv) etwas hören würde, ein paar Informationen zum Thema sammeln könnte und vielleicht noch ein paar Broschüren mitnehmen könnte. So, wie Veranstaltungen halt oft ablaufen.

…. und wie es wirklich war!
Doch ich wurde positiv überrascht, denn die Veranstalter haben das Thema zum Anlaß genommen, selber etwas Anderes – etwas für sie Neues – auszuprobieren. Das war eine gute Entscheidung! Nach einer kurzen Vorstellung der Experten mit Eingangsstatements und einer wirklich kurzen Diskussion, ging der eigentlich wichtige Teil der Veranstaltung los, die „Mini-Messe“. Jedem Experten wurde ein Stehtisch zugeteilt. Alle Teilnehmer hatten auf ihren Namensschildern einen farbigen Punkt – zum Beispiel gelb oder grün. Jede Farbe stand für eine bestimmte Reihenfolge der Tischbesuche. Ich hatte einen gelben Punkt und habe zusammen mit zwei Menschen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht kannte, zuerst den Tisch von Herrn Professor Burkhardt (Kopfspringer GmbH) besucht, danach den Tisch von Herrn Krause und so weiter bis wir an allen Tischen jeweils ein Gespräch geführt hatten.

Interessant waren dabei zwei Aspekte:
Zum einen war es sehr spannend zu sehen, wie der jeweilige Experte (es waren alles Herren) den Gesprächseinstieg gestaltete. Sehr positiv und auch vernetzend war die relativ einfach wirkende Frage „was machen Sie denn“ – darauf konnte jeder von uns antworten und ich habe so auch gleich in der ersten Runde etwas über die beiden anderen Menschen in meiner „Farbgruppe“ erfahren. Gesprächsanfänge wie „welche Fragen haben Sie an die Politik“ (öhmmm, gerade keine, kann mal jemand anders antworten ….) oder „kennen Sie unsere Förderprogramme“ (ähmm, nein …..) waren schon schwieriger. Bei diesen Fragen habe ich mich stärker zurückgehalten (das meine ich zumindest) und den beiden anderen Tischbesuchern zugehört. Lediglich am letzten Tisch meiner Gruppe kam kein echtes Gespräch mit dem Experten mehr zustande. Vielleicht lag es aber auch einfach an der mittlerweile fortgeschrittenen Uhrzeit.
Der weitaus wichtigere zweite Aspekt: durch die gemeinsamen Gespräche mit den Experten fand auch innerhalb der kleinen Gruppe ein Austausch statt. In meinem Fall führte das sogar zu einem ausführlichen Gespräch (über Innovation, Empathie, Projekte und Bienen) und einer weiteren Vernetzung über Social-Media-Kanäle. Gerade diese „beiläufige“ Art der Vernetzung fand ich sehr ansprechend.

Natürlich sind das alles erst einmal nur kleine Schritte, aber wie ich 2014 schon einmal in dem Blogbeitrag „Neues wagen“ geschrieben habe, sind diese kleinen Schritte extrem wichtig.

Mein Fazit
Schön, daß die Naumann-Stiftung das Thema Innovation aufgegriffen hat und dabei selber etwas Neues probiert hat. Mir hat der Abend sehr gut gefallen – das lag eben auch an den guten Gesprächen, die durch das Veranstaltungsformat möglich wurden – und ich bin auch motiviert, mich wieder stärker mit diesem Thema zu beschäftigen.

Ein Punkt hat sich allerdings nicht verändert – ich habe von der Veranstaltung auch getwittert. Meine Tweets und ein paar „Reaktionen“ habe ich einem Storify zur Veranstaltung zusammengefaßt.

Bleibt zum Abschluß eigentlich nur noch eine Frage: was haben Sie/habt Ihr in den letzten 12 Monaten Neues ausprobiert?

Technikaffin oder ewiggestrig?

Durch Zufall habe gerade ich einen schon älteren aber thematisch immer noch aktuellen Beitrag von Kerstin Hoffmann auf Medium mit dem Titel „Hört endlich auf, euch für eure eigene Rückständigkeit auch noch zu feiern!“ gelesen. Ein spannender Beitrag! An manchen Stellen habe ich genickt, an manchen Stellen gezögert und an manchen Stellen gezuckt – meint sie etwa mich? Es ist schon seltsam, wenn man einen Spiegel vorgehalten bekommt. Daher möchte ich mich hier mit dem Thema und dem Beitrag auseinandersetzen.

Manchmal technik- und medienaffin ……
Wenn ich so ganz grundsätzlich auf die letzten 15 Jahre zurückblicke, dann kann ich sagen, daß Internet und Digitalisierung für mich eine unglaubliche Bereicherung darstellen. Viele Dinge sind heute einfach und selbstverständlich, die „damals“ kaum erreichbar waren. Schon allein die Möglichkeit unterwegs mal eben nach alternativen Bus- oder Zugverbindungen zu suchen, Emails zu lesen oder auch zu beantworten, Nachrichten mitzubekommen, Öffnungszeiten oder Adressen von Museen herauszusuchen – all das sind Dinge, die mein Leben oft genug vereinfachen und bereichern.

Der wesentlichste Punkt ist für mich der praktisch unbegrenzte Zugang zu Wissen. Aber darüber hinaus ist es vor allem die Möglichkeit, sich jederzeit mit Menschen in aller Welt auszutauschen und zu vernetzen. Kommunikation unter Abwesenden ist natürlich nicht immer einfach, aber die vielen Kontakte, die sich „online“ ergeben haben, bereichern mein Leben auch offline – und das nicht nur als Gesprächsthema und ablenkende Beschäftigung.

Manchmal „ewiggestrig“ …….
Ja, und dann gibt es die Bereiche, in denen ich nicht „mitmache“ – mich also verweigere.

Bücher sind da ein wichtiges Thema – aber nicht weil Ebooks für mich keine Bücher sind, sondern weil ich persönlich gedruckte Bücher immer noch bevorzuge. Gedruckte Bücher lassen sich verleihen oder verschenken, es bekommt niemand mit ob und wann ich sie lese und sie sind unabhängig von einem bestimmten Gerät nutzbar. Dafür nehmen sie auch viel Platz in Anspruch und manchmal suche ich dann (leise vor mich hin grummelnd) nach dem Ort, wo das eine bestimmte Buch gerade sein sollte ….. Ja, ich sehe durchaus die Vorteile, für mich überwiegen die Nachteile. Aber: wenn ich mit anderen Menschen über Bücher spreche, dann geht es mir immer nur um die Inhalte und nicht um das Medium. Das ist in der Tat ein wichtiger Aspekt!

Das nächste schwierige Thema: Periscope und Livestreaming. Im Zusammenhang mit Barcamps habe ich mich dazu schon letztes Jahr ausführlich geäußert. Ich selbst bin nicht visuell veranlagt – insofern ist mein Bedürfnis nach Bildern/bewegten Bildern sehr schwach ausgeprägt. Ich kann dabei durchaus den Charme von Live-Aufnahmen oder Videos nachvollziehen und es gibt viele Bereiche, wo das sehr sinnvoll sein kann. Mir macht es aber stark zu schaffen, daß es praktisch keine „bilder- und aufnahmefreien“ Bereiche mehr gibt. Das Gefühl der völligen „Überwachung“ und „Aufzeichnung“ – gerade auch bei digitalen Veranstaltungen – schränkt mich in meiner Teilnahme- und Mitteilungsfreude ein, so daß ich mittlerweile einige Veranstaltungen meide.

Ähnlich schwierig ist es für mich mit Snapchat und anderen visuell ausgeprägten Diensten oder Tools. Ich bin ganz klar textlastig – ich lese gerne Speisekarten und kann lange in der Auswahl schwelgen, aber ich brauche keine Bilder, ich fotografiere mein Essen nicht und ich kann mich auch nicht für Dienste begeistern, wo es vorrangig um Bilder geht. Das mag ein Manko sein, aber das ist halt so.

Zwei Fragen der Perspektive!
Wie sieht es also aus? Es ist irgendwie eine Frage der Perspektive und da drängen sich tatsächlich zwei Richtungen auf: für wie technik- und medienaffin halte ich mich selbst und für wie technik- und medienaffin halten mich „die Anderen“?

Es war gut, über die Frage einmal nachzudenken. Ich schätze mich selbst nicht als technikfeindlich oder ewiggestrig ein, ich nutze relativ viele Tools und Dienste (sogar Hangouts), probiere auch immer wieder Neues aus, aber ich habe nicht wirklich das Bedürfnis überall dabei zu sein.
Aus der Perspektive der anderen ist es schon schwieriger. In meinem digitalen Umfeld bin ich sicher vorsichtig, langsam und vermutlich auch (bezogen auf die Technik- und Mediennutzung) langweilig. In meinem persönlichen und beruflichen Umfeld sieht das schon wieder anders aus. Aus dieser Ecke kenne ich dann auch Kommentare wie „redet Ihr denn noch miteinander“, „was macht man denn überhaupt bei Twitter“ und „ist das nicht nur Zeitvertreib?“. Vielleicht habe ich in einem gewissen Sinne eine „Brückenfunktion“ zwischen den beiden so unterschiedlichen Bereichen.

Neugierig bleiben!
Beim Lesen des Beitrags von Kerstin Hoffmann ist mir klargeworden, daß ein Stehenbleiben für mich am schlimmsten wäre. Ich möchte nicht in zehn oder zwanzig Jahren immer nur wiederholen, wie schön es doch früher bei Twitter, Xing und so weiter war. Andererseits möchte ich auch nicht (mehr) alles ausprobieren. Eigentlich möchte ich neugierig bleiben, immer wieder Neues entdecken und mich für diese Entdeckungen begeistern können. Die wesentliche Frage für mich ist also immer wieder: was habe ich Neues ausprobiert oder entdeckt?

Und bei Euch/Ihnen? Was haben Sie/habt Ihr Neues ausprobiert oder entdeckt?

Schere oder Schublade?

Es ist keine einfache Zeit – weder in der „analogen“ noch in der „digitalen“ Welt. Was auch immer man macht oder nicht macht, kann falsch sein oder falsch verstanden werden. Äußerungen oder Vorgehensweisen, die „gestern“ undenkbar waren, sind denkbar und sagbar geworden; Äußerungen, die „gestern“ bestenfalls ein Kopfschütteln geerntet hätten, führen manchmal zu heftigen emotionalen Reaktionen. Schon die Verwendung einzelner Worte wie Angst, Besorgnis oder besorgt ist nicht mehr harmlos, „Befürworter“ und „Gegner“ legen diese Begriffe gleichermaßen eng aus, urteilen negativ über Menschen, weil sie bestimmte Begriffe verwenden, weil Äußerungen ihnen mißfallen oder ihren eigenen Äußerungen (scheinbar) widersprechen. Dabei spreche ich hier nicht über Politiker oder Prominente, die ohnehin in der Öffentlichkeit stehen, auch nicht über Menschen, die sich beruflich mit Berichterstattung befassen, sondern über die „normalen Menschen“, die sich über Netzwerke wie Twitter informieren und austauschen.

Ich habe lange überlegt, ob ich über meine subjektive Wahrnehmung schreibe (und ja, vielleicht sollte ich das besser nicht tun), aber die Art und Weise, wie wir „online“ miteinander umgehen, beinflußt doch sehr stark die Frage ob und zu welchen Themen ich mich äußere.

Ja, und …… wir bewerten doch täglich!
Jeden Tag treffen wir Menschen viele Entscheidungen. Wir bewerten Situationen und Menschen, ohne groß über diese Bewertung nachzudenken – wohl die meisten dieser Einschätzungen und Bewertungen erfolgen unbewußt. Wir urteilen (unter anderem) auf der Basis unserer Erfahrungen, unserer Vorlieben, unserer Stimmungen. Jedes dieser Urteile ist subjektiv (auch wenn wir es oft anders empfinden und viele unserer Entscheidungen mit – vermeintlich – objektiven Gründen „erklären“ können), doch meistens haben unsere Entscheidungen, unsere Bewertungen wenig Auswirkungen auf andere Menschen. Ob ich jemanden sympathisch finde, jemandem auf Twitter folge (oder auch nicht), ein Geschäft verlasse, weil ich die Bedienung unfreundlich finde oder einer Empfehlung folge, ist – außer für mich – nicht wirklich wichtig. Auch die Frage, welche Kriterien bewußt oder unbewußt zu einer positiven oder negativen Bewertung führen, sind – außer für mich (soweit mir die Kriterien überhaupt bewußt sind) – kaum von Bedeutung.

Wortwahl oder gewählte Worte
Ein Indikator für die Einschätzung von Situationen oder von Menschen kann Sprache und die Verwendung von Sprache sein. Sprachwahl, Wortwahl, Aussprache und Lautstärke können in der analogen Welt Kriterien sein, die mich anziehen oder abschrecken und die damit Einfluß auf meine Einschätzung und Entscheidung über Sympathie oder Ablehnung, dafür oder dagegen, Bleiben oder Gehen haben. Meist entsteht ein Gesamteindruck, der sich in der analogen Welt aus sprachlichen und visuellen Eindrücken ergibt. In der digitalen Welt fehlt uns in vielen Bereichen die visuelle Komponente. Kommunikation und auch die „richtige“ Bewertung und Interpretation von Kommunikation wird damit schwieriger. In der realen Welt kann ich auf einen grimmigen Gesichtsausdruck anders reagieren als auf ein verschmitztes Lächeln oder ein ironisches Grinsen, in der digitalen Welt fehlt mir in stark textbasierten Bereichen (wie zum Beispiel Twitter) diese Möglichkeit, die Gefahr von Fehlinterpreationen und Mißverständnissen steigt mit dieser „Begrenzung“.

Trotzdem entscheidet selten ein einzelner Tweet oder gar ein einzelnes Wort über meine Einschätzung – Ausnahmen können grobe Schimpfworte oder Beleidigungen sein. Die Wortwahl an sich und nicht das einzelne „gewählte“ Wort ist für mich daher meist der Indikator um in einem textbasierten Umfeld zu entscheiden, ob ich mir vorstellen kann, mit jemandem ein Gespräch zu führen. Auch da gilt natürlich – wie überall im Leben – daß ich mich irren kann. Vielleicht übersehe ich manchmal Menschen, denen ich unbedingt folgen sollte, vielleicht folge ich manchmal Menschen, die zu hart urteilen und vielleicht kommt es daher, daß ich immer wieder bei Twitter mitbekomme, daß die Verwendung einzelner Worte oder Begriffe zu Fehlannahmen, Mißverständnissen und irritierenden Tweetaustäuschen von Menschen führt, die ich eigentlich für weltoffen, gebildet und wortgewandt (aus meiner Sicht positive Eigenschaften) halte.

Die Gefahr der Schublade ….
Ganz ehrlich: welchen ersten Gedanken hätten Sie/hättet Ihr, wenn ich im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Lage zum Beispiel von Ängsten spräche, wenn ich erwähnen würde, daß ich besorgt sei? Die Wahrscheinlichkeit, daß ich in einer (möglicherweise falschen) gedanklichen Schublade landen würde, ist wohl groß und da liegt das Problem. Angst und Sorgen sind nicht auf die eine oder andere „Seite“ begrenzt. Ohne eine (vor allem kurze) Äußerung zu hinterfragen und in Verbindung mit anderen Äußerungen zu bringen, ist die Einordnung in die eine oder andere Schublade notwendigerweise „verkürzt“. Die bloße Tatsache, daß wir einen bestimmten Begriff oder eine bestimmte Formulierung (zum Beispiel „besorger Bürger“) als Leser (und im Zweifel unbekannte Empfänger) eines Tweets auf eine bestimmte Art und Weise (zum Beispiel „rechts“) wahrnehmen und einordnen, heißt nicht, daß der Schreiber des Tweets beim Schreiben des Tweets diese Art der Wahrnehmung erreichen wollte.

Kommunikation ist schon zu normalen Zeiten ein schwieriges Feld. Wie oft laufen Gespräche selbst mit Menschen, die man mag, schief? Wie oft wird aus einem Gespräch ein Zerwürfnis? Und wie schwierig ist es oft, kommunikative Gräben zu überwinden?

In der Kombination mit heiklen und hochkomplexen Themen wird Kommunikation unter Menschen, die sich nicht, nur wenig oder nur textbasiert „kennen“ noch einmal schwieriger. Es mag verlockend und vor allem verlockend einfach sein, die Entscheidung über das „gewählte Wort“ als Aussage über die Einstellung des „Senders“ genügen zu lassen. Damit würden aber die (dem Verfasser zumeist unbekannten) Leser eines Tweets jeweils für sich in Anspruch nehmen, daß ihre Wahrnehmung eines Tweets immer richtig ist, daß sie in der Interpretation nicht irren können. Bequem für die Leser, höchst unbequem und problematisch für die Text- beziehungsweise Tweetverfasser – zumal dies beinhaltet, daß nur die Sender/Verfasser die Verantwortung für eine gute und gelungene Kommunikation tragen.

Solange die Sender/Verfasser nichts von den „Schubladen“ mitbekommen, mag das noch relativ „harmlos“sein. Anders wird es, wenn Empfänger/Leser abwertend, angreifend oder verurteilend reagieren oder ihre Wahrnehmung beziehungsweise Interpretation als „die Wahrheit“ (X ist …..) verkünden. Immer wieder eskalieren dann „Twitter-Gespräche“ mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zu verbal vermintem Territorium.

Aus der Perpektive der Betrachterin/nicht beteiligten Leserin läßt sich dies natürlich einfach feststellen und „verurteilen“. Mir selbst geht es oft ja nicht anders: bei manchem Begriff denke ich auch zuerst „wirklich?“ oder „nicht auch noch“ und überlege mir dann erst in einem zweiten gedanklichen Anlauf, ob ich nicht besser nachfragen sollte, ob ich den Sinn/die Botschaft richtig verstanden habe.

Warum das alles wichtig ist? Ganz einfach: die Gefahr der Einsortierung in Schubladen …..

…. führt zur Schere im Kopf
Die Schnelligkeit der Einordnung in „Schubladen“ und die damit oft verbundenen negativen und abwertenden Reaktionen und Diskussionen empfinde ich – auch als Leserin und Betrachterin – als belastend. Einerseits möchte ich mich zu vielen Themen und Geschehnissen äußern, andererseits befürchte ich, vorschnell und ohne Rehabilitationsmöglichkeit in einer aus meiner Sicht unpassenden (für mich negativen Schublade) zu landen.

Belastend ist dabei nicht die Tatsache, daß Texte/Tweets inhaltlich diskutiert werden oder daß inhaltlich ablehnende Rückmeldungen kommen. Im Gegenteil: das gehört zu einer guten Diskussion und ich habe in der Vergangenheit gerade online durch solche Diskussionen viel gelernt – und dies gerade dann, wenn ich völlig anderer Meinung als mein Diskussionspartner war. Ich finde es aber belastend, wenn aufgrund von Tweets die (vermeintliche) Einstellung von Menschen verurteilt und angeprangert wird. Ein „Du bist rassistisch“ empfinde ich als ungleich härter und verletzender als „Das klingt rassistisch. Meinst Du das so?“.

Selbst wenn ich mich noch so sehr bemühe, kann es immer sein, daß jemand meinen Text/meinen Tweet mißversteht. Auch mit diesem Text kann das durchaus passieren. Ich wünsche mir eine inhaltliche Diskussion, gerade auch um die „leisen Stimmen“, die in letzter Zeit so oft erwähnt werden, sichtbar zu machen und gleichzeitig habe ich Bedenken, daß Texte oder Tweets „angeprangert“ werden und ich auch auf der Seite der Menschen, denen die Themen Demokratie, Rechtsstaat und Meinungsfreiheit wichtig sind, alleine stehe. Die Folge ist, daß ich im Moment oft zögere und über manche Themen gar nicht schreibe. Die Alternative zur Schublade ist die Schere im Kopf – sozusagen die „Selbstzensur“. Eine schlechte Alternative – das möchte ich zugeben und deshalb hoffe ich, daß wir es schaffen, anders miteinander umzugehen!

Wie gehen Sie/geht Ihr damit um? Schreiben oder schweigen?

Die Entmündigung des Nutzers …..

Eigentlich wollte ich heute keinen Blogbeitrag schreiben und schon gar nicht zu Twitter. Aber wenn ich es jetzt nicht tue, dann platze ich!

Schon vor ein paar Tagen rauschte durch meine Timeline der Hinweis, daß Twitter mit anderen Darstellungen der Timeline experimentiert. Die Begeisterung der betroffenen Nutzer hielt sich deutlich in Grenzen, ich habe bisher nur Irritation und Verärgerung wahrgenommen. Gerade eben habe ich gelesen, daß eine Twitternutzerin aus meiner Timeline ein ziemlich genervtes und unfreiwilliges „Versuchskaninchen“ ist.

Es ist natürlich wichtig, Dinge immer wieder zu hinterfragen und auch Neues auszuprobieren. Aber: sollte das dann nicht eher mit Menschen passieren, die sich dazu bereit erklärt haben? Sollte es nicht auch für diese unfreiwilligen Versuchskaninchen die Möglichkeit geben, zur normalen Version (also der chronologischen Ordnung) zurückzukehren?

Ich nutze Twitter ziemlich viel und die letzten Änderungen (ich sage nur Herzchen) haben mich sehr genervt. Favs gibt es bei mir jetzt nicht mehr, meine Interaktionen haben deutlich abgenommen. Da wo ein Satz zuviel ist und das Sternchen fehlt, da gibt es jetzt halt „nichts“.

Das, was Twitter für mich wertvoll macht, ist die Tatsache, daß ich mir selbst aussuche, wann ich reinschaue und mitlese und welchen zeitlichen Ausschnitt ich sehe. Das ist „Serendipity“ – das, was für mich wichtig ist, wird mich so erreichen. Und genau da liegt für mich auch das Grundproblem: wenn ein Anbieter entscheiden möchte, was ich sehe, dann entmündigt dieser Anbieter mich. Er meint, daß er besser weiß, was für mich gut ist. Aber: das ist nicht der Fall. Die Vorschläge, die ich bisher von Twitter bekomme sind bestenfalls wenig zutreffend, meistens geradezu abschreckend. Und: mit den glüclichen Zufällen, etwas Spannendes zu lesen, hat die Auswahl von Twitter „wem ich folgen sollte“ oder „was in meinem Netzwerk beliebt ist“ wenig zu tun. Eher im Gegenteil!

Liebes Twitter: ich nutze Euren Dienst bisher gerne. Aber bitte hört doch auf mich als Nutzerin zu entmündigen. Ihr könnt gerne Optionen und Alternativen bieten, aber Ihr wißt nicht besser, was für mich paßt, was ich lesen möchte, was mich interessiert, wie ich Twitter nutze und warum ich Twitter so nutze, wie ich es nutze. Im Moment arbeitet Ihr nur daran, daß ich immer wieder den Kopf schüttele und den Dienst immer weniger nutze und auch weniger empfehle. Ist das Euer Ziel? Wenn ja, dann solltet Ihr weitermachen, wenn nein: dann nehmt mich als Nutzerin ernst und respektiert, daß meine Entscheidungen für mich wichtiger sind als Eure Algorithmen, Eure Vermutungen und Eure Entscheidungen über meinen Kopf hinweg!
Ich wäre dann endlich wieder eine richtig begeisterte Nutzerin.

Ein beherztes Nein!

Herzchen bei Twitter? Nein! Wirklich ein beherztes NEIN!

Es war schon gestern Nachmittag der Aufreger in meiner Twittertimeline. Die Fav-Sternchen werden gegen Herzchen ausgetauscht. Für mich der Fehlgriff des Jahres. Warum?

Gefallen Dir die Tweets Deiner Follower denn nicht?
Eine gute Frage, die Robert Weller mir gestern bei Twitter gestellt hat. Die Änderung bei Twitter beinhaltet für mich zwei Problemfelder – den Begriff „gefallen“ und das Symbol „Herz“.

Gefallen ist für mich erst einmal etwas Äußerliches. Ein Bild kann mir gefallen, ein Foto, ein Haus, eine Straße. Das, was Tweets für mich wertvoll macht, sind die Inhalte. Gerade in den letzten Wochen habe ich oft Twittergespräche zu aktuellen, oft auch heiklen, Themen geführt. Es ging zum Beispiel um Vorratsdatenspeicherung, Überwachung, Netzneutralität und Meinungsfreiheit. Themen, die mir nicht „gefallen“ und Tweets zu diesen Themen, die mir nicht „gefallen“, die mich aber anregen, nachdenklich machen und herausfordern. Ein „Fav“ war oft eher die Kenntnisnahme einer Position, eines Links, einer Anregung zur Vertiefung.

Noch unpassender ist für mich das Herz. Gute Gespräche brauchen oft den Wechsel zwischen Nähe und Distanz. Nähe, weil durch das intensive Gespräch durchaus der Moment einer digitalen Nähe da ist, Distanz, weil ich trotzdem hinterfragen möchte – sowohl meine eigene Position als auch die der anderen. Dieses Spiel von Nähe und Distanz, die Möglichkeit des Zurücktretens und des Perspektivenwechsels paßte zum Sternchen, zum Herzchen paßt es nicht. Das Herzchen biedert sich an und läßt vieles albern und belanglos erscheinen.

Wird die Welt denn besser, wenn wir überall Herzchen verteilen?
Ich bin meistens durchaus optimistisch und positiv eingestellt und wünsche mir oft, daß wir positiver mit Veränderungen umgehen, Chancen sehen und aus einem „dagegen“ eine Vision entwickeln. Das schaffen wir aber nicht, wenn wir wahllos mit Herzchen um uns werfen. Die Herzchen führen eher zu einer rosaroten Zuckerguß-Atmosphäre, die wichtige Themen und Diskussionen überdeckt.

Herzchen für Geschäftsthemen?
Allwöchentlich bekomme ich EMails von Twitter, wie ich Twitter besser für geschäftliche Themen einsetzen könnte. Aber ehrlich Twitter: Herzchen für geschäftliche Themen? Jemand bedankt sich für einen guten Rat und ich soll mich mit einem Herzchen „bedanken“? Wirklich??

Es mag an mir liegen, es mag an meinem Themen und meinen Interessen liegen – aber für mich sind die Herzchen und auch das „gefallen“ (oder „liken“) völlig unpassend. Ich werde das dementsprechend auch nicht nutzen. Wenn Twitter mir kein passendes Symbol zur Verfügung stellt, dann kann und muß ich halt verbal Sternchen verteilen – zum Beispiel wie gestern von Daniel Lücking vorgeschlagen – #Fav.

Und bitte Twitter – hört auf mir zu erzählen, wie genial man Twitter für Geschäftszwecke einsetzen kann. Bis gestern war ich durchaus Eurer Meinung. Aber da ich weder im Familienrecht noch im Bereich Partnerschaftsvermittlung arbeite, paßt Eure Veränderung nicht zu meinem Verständnis von geschäftlichen Vorgehensweisen!

Netzneutralität ……

Herr Oettinger hat gerade über Twitter einen Link geteilt, der enthalten soll, warum die neue Regelung zur der „Netzneutralität“ für Verbraucher gut ist. Der Inhalt?

Netzneutralität

Vermutlich war das nicht der beabsichtigte Inhalt …… Aber schon ziemlich treffend, oder?

Und mittlerweile ist der Fehler auch aufgefallen und es kommt „lesbarer“Inhalt ……

Müssen wir alles aufzeichnen?

Mitte August habe ich mit Sebastian Greiner, Sascha Hüsing und Jan Theofel eine spannende Diskussion über das Thema Livestreaming bei Barcamps geführt. Meine Sicht der Dinge habe ich in einem Blogbeitrag ausgeführt, am gleichen Tag hat auch Sebastian Greiner einen ausführlichen Blogbeitrag geschrieben. Auf diesen Beitrag habe ich bisher noch nicht geantwortet – das möchte ich jetzt nachholen.

Vorweg: Aufzeichnungen in Zeiten der Überwachung?
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich vor zwei oder drei Jahren anders mit dem Thema Livestreaming bei Barcamps umgegangen wäre. Die letzten Jahre haben zu dem Stichwort „Überwachung“ einige negative Facetten gezeigt – nicht zuletzt den Neubeginn der Vorratsdatenspeicherung vor ein paar Tagen. Gerade die Art und Weise, wie die Bundesregierung mit den Grundrechten der Bürger umgeht, bereitet mir Bauchschmerzen. Das habe ich an anderer Stelle auch schon ausführlicher thematisiert. Macht es Sinn, in solchen Zeiten zusätzlich durch Aufzeichnungen „Material“ zu sammeln?

Trotzdem war das Thema Überwachung nicht der Grund meiner ablehnenden Haltung. Vielmehr hatte ich den Eindruck, daß wir von unterschiedlichen „Grundannahmen“ über Barcamps ausgingen und mit diesen „Grundannahmen“ möchte ich mich im Folgenden auseinandersetzen.

Barcamp als Bühne?
William Shakespeare hat die ganze Welt als Bühne und alle Männer und Frauen als Schauspieler bezeichnet. Nach diesem Verständnis ist natürlich auch das Barcamp eine Bühne – aber alle Barcampteilnehmer sind dann Mitspieler. Dieser Gedanke paßt gut zu meinem Barcampverständnis. Auch als Sessiongeberin betrete ich keine Bühne, sondern bearbeite mit den Mitspielern in meiner Session gemeinsam ein Thema. „Bühne“ beinhaltet für mich ganz stark eine Unterscheidung in aktiv und passiv, oben (Bühne) und unten (Publikum), wissend und unwissend. Ja, natürlich präsentiere ich mich oft als Expertin, wenn ich eine Session anbiete. Mir ist es aber wichtig, daß wir auf Augenhöhe miteinander sprechen und ich (auch in meiner Session) von den Erfahrungen und Fragen der Sessionteilnehmer lerne – deswegen ist der „Bühnengedanke“ für mich nicht wirklich zutreffend.

Fertige Vorträge?
Ja, ich weiß – auf vielen Barcamps werden fertige Vorträge als Sessions angeboten – oft auch immer wieder dieselben Vorträge. Das ist ehrlich gesagt ein Punkt, den ich ziemlich enttäuschend finde und auch gelegentlich schon angesprochen habe.. Wir nehmen das Potential eines Barcamps nicht wahr, wenn wir Gespräche in die Pausen verbannen und fertige Vorträge präsentieren. Ich habe Barcamps gerade in den letzten zwei Jahren gerne genutzt, um immer wieder neue Themen und neue Formate auszuprobieren. Eine Aufzeichnung finde ich dabei hinderlich. Ich möchte gerade die Möglichkeit des Scheiterns haben – muß das verewigt werden?

Meine Befürchtung ist auch, daß zunehmende Aufzeichnung auch zu mehr fertig vorbereiteten Vorträgen bei Barcamps führen wird. Für manche mag das eine gute Entwicklung sein, ich sehe das anders – gerade das Spontane, Unfertige und Unperfekte macht für mich einen großen Teil des Charmes von Barcamps aus.

Barcamps sind Gespräche
Ganz richtig hat Sebastian in seinem Beitrag auch festgestellt, daß Abwesende das „Socialising“ vor Ort nicht mitbekommen. Aber: die Gespräche bei guten Barcamps finden eben nicht nur in den Pausen statt, gute Barcamps sind eigentlich ein ununterbrochenes Gespräch. Kai von Lewinski hat auf der Telemedicus-Sommerkonferenz über das Konzept einer gestuften Öffentlichkeit nachgedacht.

Diesen Aspekt finde ich – gerade im Hinblick auf Barcamp-Gespräche – sehr wichtig. Die Unterscheidung privat – öffentlich (also schwarz oder weiß) paßt nicht wirklich auf die tatsächliche Situation. Die „Öffentlichkeit“ des Barcamps bedeutet zunächst, daß jeder Mensch teilnehmen kann – es gibt (außer der zahlenmäßigen Beschränkung über die Anzahl der Tickets) keine Beschränkungen für die Teilnahme. Das ist auch gut so – trotzdem ist das Gefühl der Öffentlichkeit bei einem Barcamp und gerade in einer Session „relativ“. Es sind eben „nur“ zehn, zwanzig oder vielleicht auch vierzig Menschen in einem Raum. Bisher hatte ich in solchen Räumen auch das Gefühl, gut einschätzen zu können, ob beziehungsweise wie ich mich an einem Gespräch beteilige. Manchmal gehören dazu auch provozierende Fragen, Bezugnahmen auf andere Sessions oder Pausengespräche, Berichte über persönliche Erfahrungen. Streaming und Aufzeichnung durchbrechen diese relative Öffentlichkeit des begrenzten Raums und stellen eine absolute Öffentlichkeit her. Das mag für manche Menschen ein Vorteil sein, ich empfinde es als Nachteil.

Von der Barcamp-Session zur TV-Talk-Show?
Denn mit Streaming und Aufzeichnung wird aus der Barcamp-Session plötzlich eine „TV-Talk-Show“ und meine Rolle ändert sich. Ich bin nicht mehr die bloße Barcamp-Teilnehmerin, die Weiterbildung, Austausch und gute Gespräche sucht, sondern öffentliche Darstellerin. Damit muß ich mir plötzlich auch die Frage stellen, ob meine Rolle beim Barcamp zu einer derart öffentlichen Rolle paßt. Das hat viel mit den jeweiligen Rollen und den Erwartungen an die Rollenbilder zu tun. Es war für mich ein Vorteil des Barcamps, daß ich die oft eher formale Rolle der „Anwältin“ (kritische Analyse, klassische Kleidung) auf solchen Veranstaltungen für mich hinterfragen konnte. Gerade die Möglichkeit, mich auch bei (aus der Perspektive der Anwaltsrolle) fernliegenden Themen aktiv einzubringen, war ein unglaublicher Vorteil und eine Bereicherung. Livestreaming und Aufzeichnung empfinde ich persönlich daher als Beschränkung. Eine persönliche Befindlichkeit oder sogar Empfindlichkeit? Ja, definitiv!

Gestaltungsmöglichkeiten?
„Du kannst Barcamps doch mitgestalten“ wurde mir über Twitter vorgeschlagen. Ja, schon richtig. Aber das macht das Problem für mich nicht kleiner, sondern eher größer. Natürlich kann ich das Thema „Öffentlichkeit“ beziehungsweise „Livestreaming und Aufzeichnung“ ansprechen. Damit habe ich dann aber gleich mehrere Probleme: ich torpediere die Session auf der Metaebene (wer will schon über das Thema diskutieren, wenn eigentlich die Session zu einem anderen Thema laufen sollte) und ich muß mich mit der schwierigen Frage auseinandersetzen, wer denn überhaupt entscheiden soll? Der Sessiongeber, die Teilnehmer? Reicht das Veto eines Teilnehmers oder sprechen wir über Mehrheitsentscheidungen? Theoretisch sind das spannende Fragen, praktisch finde ich eine solche Vorgehensweise unfair. Sie ist unfair, weil sie weder meinen Interessen noch den Interessen der anderen gerecht wird. Es fehlt die Balance und es fehlt die Möglichkeit sich „wissend“ zu entscheiden.

Fazit
Auf Twitter hatte ich es schon geschrieben – für mich haben Barcamps ihre Attraktivität verloren. Das ist schade – vor allem für mich, aber der (persönliche) Preis, den ich zahlen müßte, ist mir „so“ zu hoch. Insofern kehre ich jetzt zu klassischen Konferenz- und Vortragsveranstaltungen zurück. Auch da wird mittlerweile oft aufgezeichnet, aber da bewege ich mich in der beruflichen Rolle, außerdem bin ich dort nicht Gesprächspartnerin, sondern in der Regel „nur“ Zuhörende. Und vielleicht entwickelt sich ja irgendwann ein Format, das auch für mich wieder paßt!

Lampenfieber?

Ich ergreife die zeitlich „letzte Chance“ noch an der Blogparade der LVQ zum Thema Lampenfieber und Prüfungsangst teilzunehmen. Der Lars Hahn fragt nach Erfahrungen, Tipps und Tricks zu diesem Thema.

Prüfungsangst und Lampenfieber?
Etwas Aufregung, Anspannung oder Nervosität gehört einfach dazu – zu jeder Prüfung, zu jedem öffentlichen Auftritt, zu jedem Vortrag, Workshop oder Dozenteneinsatz. Das ist wie das Salz in der Suppe – ohne Salz schmeckt die Suppe nicht, zuviel ist aber auch nicht gut.

Zugegeben, meine (formalen) Prüfungen liegen schon ein bißchen länger zurück. Gerade bei wichtigen Klausuren (zum Beispiel im Staatsexamen) war ich natürlich aufgeregt, aber ich würde nicht von Prüfungsangst sprechen wollen. Ein wichtiger Aspekt – vor allem bei den Klausuren – war immer das Thema „Zeitdruck“. Ich weiß heute noch, daß ich im wöchentlichen Klausurenkurs vor dem ersten Staatsexamen meine Klausuren fast immer eine Stunde zu früh abgegeben habe. Meine Noten in den Übungsklausuren sahen dementsprechend aus. Aber: in den wirklich wichtigen Klausuren hatte ich plötzlich das Gefühl wahnsinnig viel Zeit zu haben. Ich konnte es mir zeitlich leisten, über die Aufgabe nachzudenken, meinen Text vor der Abgabe noch einmal in Ruhe durchzulesen und noch zu korrigieren oder zu ändern. Für mich damals ein hilfreicher Weg!

Referate und Vorträge habe ich eigentlich schon immer gerne gehalten. Schon während der Schulzeit habe ich die Chance, durch Referate meine Noten (vor allem in mündlichen Fächern) zu verbessern, gerne ergriffen. Je nach Thema habe ich einige Stunden mit ein paar Büchern aus der Stadtbibiothek verbracht, um mich rundum vorzubereiten. Dabei habe ich natürlich auch immer spannende Dinge entdeckt, die mich persönlich interessierten.

So ist es nicht weiter verwunderlich, daß ich mit Beginn meiner selbständigen Tätigkeit gerne die Möglichkeiten wahrgenommen habe, Vorträge und Workshops zu halten. Am Anfang dominierten Themen rund um Existenzgründung und Selbständigkeit, daraus wurden dann vertragsrechtliche und erbrechtliche Themen und schließlich Themenfelder rund um „Social Media“ – so zum Beispiel mein Urheberrechtsquiz.

Ich habe durch die Vorträge und Workshops sehr viel gelernt – fachlich durch die meistens intensive Vorbereitung, die meine Fachkenntnisse auch immer wieder aktualisiert und vertieft hat und persönlich durch das Feedback der Teilnehmenden.

Tipps und Tricks?
Ein „Rezeptbuch“ für gute und „erfolgreiche“ Vorträge und Workshops habe ich (leider) nicht. Über die Jahre habe ich aber viel ausprobiert und auch viel gelernt und weiß jetzt einigermaßen, was für mich funktioniert oder was gerade nicht funktioniert.

Vorbereitung
Vorträge und Workshops sind eine wunderbare Chance, mich und „mein“ Thema zu präsentieren. Das funktioniert aber nur, wenn ich mit dem Thema etwas anfangen kann. Die Frage, ob ich aus dem Handgelenk sofort einen (inhaltlichen) Vortrag zu dem Thema halten könnte, ist dabei weniger wichtig, als das eigentliche Interesse an dem Thema. Wenn mich das Thema nicht anspricht oder ich es sogar ablehne, dann ist es sehr viel schwieriger etwas „Passendes“ vorzubereiten, als bei „attraktiven“ Themen. Zugegeben, diesen Luxus der Auswahl hat man nicht, wenn man als Angestellte/r etwas vorbereiten muß.

Gerade bei meinen allerersten Vorträgen und Workshops habe ich immer sehr viel Zeit (und Liebe) in die Vorbereitung gesteckt. Das ging so weit, daß ich mit Familienmitgliedern geübt habe (die Erbrechtskenntnisse meiner Mutter sind seitdem deutlich gestiegen ……). Die Idee dahinter: wenn „normale Menschen“ mich und meine Gedankengänge verstehen, dann kann ich das „so“ auch in einem Vortrag oder Workshop darstellen. Überall, wo von meinen Vorbereitungsversuchsopfern Verständnisfragen kamen, habe ich am Inhalt gefeilt. So habe ich nach und nach gelernt, auch relativ komplexe Zusammenhänge halbwegs verständlich zu erkären.
Heute lassen sich Vorträge und Workshops auch gut bei Barcamps oder anderen offenen Veranstaltungen „testen“ – eine Möglichkeit, die ich gelegentlich für neue Themen genutzt habe. Auch einen Testlauf in einem Hangout könnte ich mir gut vorstellen, um so in einem kleinen Kreis etwas auszuprobieren. Ein großer Vorteil solcher „Testläufe“ ist das ehrliche Feedback …..

Bei Vorträgen und Workshops frage ich den Auftraggeber/Veranstalter in der Regel auch gezielt, welche Fragen und Themen aus seiner Sicht wichtig sind. Manchmal habe ich vorher sogar kleine „Fragebögen“ an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschickt (eigentlich verschicken lassen), um mich entsprechend vorbereiten zu können.

Meine wichtigsten Gedanken habe ich meistens in ein „Handout“ gesteckt – eine kleine Zusammenfassung für mich und gleichzeitig ein Mittel für das Selbstmarketing danach (in einem Fall hat mich jemand zwei Jahre nach einem Vortrag angerufen und beauftragt).

PP – ja oder nein?
Am Anfang habe ich oft mit sehr textlastigen Folien gearbeitet. Diese Vorgehensweise hat drei Nachteile – die Technikabhängigkeit, die schlechte Lesbarkeit von Folien mit viel Text und die Tatsache, daß die Zuhörerinnen und Zuhörer, dann eben nicht mehr „zuhören“, sondern nur noch lesen. Mittlerweile bin ich weitestgehend von der Foliennutzung abgekommen. Bei meinem Urheberrechtsquiz nutze ich PP-Folien (wenn überhaupt) zum Mitlesen der Fragen, der eigentliche Workshopteil ist aber „folienfrei“, bei anderen Themen nutze ich oft Blätter mit Stichworten oder Karteikarten mit Stichworten. Der Vorteil der Karteikarten ist, daß ich einerseits nichts Wichtiges vergesse, andererseits aber die Reihenfolge der Themen flexibel ist. Durch die Beschränkung auf Stichworte (ober beim Urheberrechtsquiz auf Fragen) komme ich auch nicht in die Versuchung etwas vorzulesen. Das mag am Anfang ungewohnt sein, aber Übung (siehe oben) macht auch hier den Meister!

Fragen zulassen – ja oder nein?
Natürlich habe ich mir am Anfang oft Sorgen gemacht, ob ich eventuelle Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl beantworten kann. Das hat sicherlich meine Vorbereitung beeinflußt, aber auch mein „Wohlbefinden“ kurz vor dem Vortrag oder Workshop. Für mich war es hilfreich, mich mit der Frage, ob ich während des Vortrags Fragen überhaupt zulassen möchte, auseinanderzusetzen. In Vorträgen mache ich es oft so: Verständnisfragen jederzeit, Diskussionsfragen und weiterführende Fragen nach dem inhaltlichen Teil, in Workshops oder Kursen greife ich Fragen meistens sofort auf.

Und wenn ich die Frage nicht beantworten kann? Ja, das passiert und das ist auch gar nicht schlimm. Der wesentliche Punkt ist nicht, ob man alles weiß, sondern wie man mit der Frage umgeht. Eine Antwort „gute Frage! Leider kann ich Ihre Frage jetzt nicht beantworten, ich schaue das aber gerne nach und liefere die Antwort nach“ ist in der Regel kein Problem. Kein Mensch kann schließlich alles wissen!

Als Anfänger „outen“?
Vermutlich kennen (fast) alle schlaue Sprüche wie „jeder fängt klein an“ und „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“. In diesen Sprüchen steckt sehr viel Wahrheit. Auch bei noch so guter Vorbereitung ist der erste Anlauf manchmal holprig (deshalb ist Üben so wichtig). Wenn ich ein „Format“ oder ein Thema zum ersten Mal ausprobiert habe, dann habe ich das meistens den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch erzählt. Mich hat es meistens entlastet, denn die meisten Menschen haben durchaus Verständnis für kleine Pannen, wenn man etwas zum ersten Mal macht. Die Tatsache, daß man zum ersten Mal einen Vortrag zu einem bestimmten Thema hält, heißt ja nicht, daß man sich vorher nicht mit dem Thema beschäftigt hat. Meistens läßt sich die Information gut verpacken „ich beschäftige mich schon lange mit dem Thema X und freue mich, daß ich heute meinen ersten Vortrag zu diesem wichtigen Thema halten kann“.

D-Day – der Tag selbst!
Vor ein paar Jahren sollte ich einen Vortrag in Bonn halten. Ich war rechtzeitig in Bonn am Hauptbahnhof und habe dann (ich weiß nicht warum) die Straßenbahn in die falsche Richtung erwischt. Ich kam noch rechtzeitig am Vortragsort an, aber es war doch sehr aufreibend. Ja, das war ziemlich unangenehm. Insofern habe ich gelernt, an solchen Tagen immer einen ziemlich großen Zeitpuffer einzuplanen. Lieber trinke ich in der Nähe noch einen Kafee oder Tee oder bummle durch eine Buchhandlung als zu spät zu kommen.

Meistens ist es gut, vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern anzukommen. So kann ich in aller Ruhe auspacken, meine Unterlagen (zum Beispiel Karteikarten) noch einmal sortieren, die Technik – soweit notwendig – prüfen und mit den ersten ankommenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein bißchen plaudern. Das ermöglicht mir meistens einen relativ entspannten Start.

Es ist natürlich schön, wenn man von den Veranstaltern kurz vorgestellt und eingeführt wird. Dann übernehmen die Gastgeber auch das „Zeitmanagement“ und den offiziellen Start. Da, wo das nicht der Fall ist, muß man natürlich selber tätig werden. Ein paar kurze einleitende Sätze gehören für mich dazu – was das Thema ist, wer ich bin, warum ich dafür die Richtige bin und wie ich während der gemeinsamen Zeit vorgehen möchte (Ziel, Inhalt, Umgang mit Fragen). Bei Workshops mache ich auch gerne eine kurze Vorstellungsrunde, in der ich nach schon vorhandenen Fragen oder konkreten Erwartungen frage. So habe ich einen kurzen Überblick, was mich an dem Tag „erwartet“ und mit wem ich es zu tun habe.
Manchmal ist diese erste Runde überraschend – da sitzen Experten unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die den Vortrag/Workshop selber halten könnten oder da werden Stichworte benannt, an die ich nicht mal in meinen kühnsten Alpträumen gedacht habe. Aber das Wissen um die „Überraschungen“ birgt auch eine Chance – ich kann versuchen, die Expertinnen und Experten und ihr Wissen bewußt einzubeziehen und ich kann Erwartungen, die ich nicht sofort erfüllen kann, auch frühzeitig klarstellen (oft mit dem Hinweis, dazu einen Link oder weitere Informationen herauszusuchen).

Wieviel Diskussion möchte ich zulassen?
Im Laufe der Zeit haben sich meine Vorträge und Workshops verändert. Je sicherer ich in einem bestimmten Bereich wurde, desto besser konnte ich mich auf Fragen und Diskussionen einlassen und Formate entwickeln, die Gesprächszeit bewußt einplanen. Natürlich können dann Fragen kommen, die ich nicht/nicht sofort beantworten kann – ich sage das dann ganz offen und ziehe notfalls auch Grenzen („das ist jetzt aber ein ganz anderes Thema“). Ganz klar ist aber, bei diesen Formaten brauche ich in der Regel mehr Vorbereitungszeit als bei einem „normalen“ Vortrag, andererseits machen sir solche Formate aber auch sehr viel Spaß. Wer schon einmal bei einem Urheberrechtsquiz dabei war, wird das vielleicht nachvollziehen können.

Feedback?
Kein Vortrag, kein Workshop ist so gut, daß man nicht noch etwas verbessern könnte. Soweit es zeitlich möglich ist, bitte ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer deshalb am Ende um ein kurzes Feedback. Natürlich ist es dann schön, wenn ich gelobt werde – mir geht es aber vor allem darum zu lernen, was noch nicht gut ist. Ich frage daher einerseits was gut war und andererseits auch, was ich verändern sollte, damit der nächste Vortrag oder Workshop noch besser wird. Gerade aus den Feedbackrunden habe ich sehr viel gelernt. Wichtig ist es aber auch, daß Feedback einfach anzunehmen – egal ob es positiv oder negativ ist. Es geht nicht darum, sich zu rechtfertigen oder etwas unbedingt zu ändern, sondern einfach zu lernen, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Vortrag oder Workshop erlebt haben. In der Feedbackfrage kann dann ein erstaunliches Lernpotential für einen selbst stecken.

Die „Shortlist“ der Tipps und Tricks
1. Fragen, fragen, fragen – wer sind die Teilnehmer, wo kommen sie her, welche Sorgen oder Erwartungen haben sie?
2. Üben, üben üben!
3. Mut zur Lücke – kein Mensch kann alles wissen.
4. Auf das eigene Wohlbefinden achten – was brauche ich, damit ich den Vortrag oder Workshop gut halten kann. Bequeme Kleidung? Eine Tasse Tee vorher? Ablenkung? Ruhe?
5. Rechtzeitig da sein.
6. Meistens: pünktlich anfangen – das ist Wertschätzung für die schon anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
7. Rechtzeitig überlegen, wie man mit Fragen umgehen will!
8. Überlegen, ob und wie Teilnehmer einbezogen werden. Vorstellungsrunde? Feedbackrunde?
9. Technik vorher prüfen und notfalls pünktlich (aber ohne Technik) starten und (ohne Technik) durchführen.
10. Sich danach belohnen!

Lampenfieber als Vorfreude
Es kann durchaus anstrengend sein, Vorträge und Workshops zu halten, aber es kann auch sehr viel Spaß machen. Lampenfieber ist dann das kleine aber sichere Zeichen der Vorfreude und damit gar nicht negativ, sondern die Prise Salz, die den Tag aus dem Alltag heraushebt.