Der gerissene Gesprächsfaden

Ich bin gescheitert. Schon wieder. Und in einem gewissen Sinne ist dies die Fortsetzung von „Wie offen darf es sein“. Dort berichtete ich vor kurzem, wie ich mit meinem Gefühl der Verliebtheit gescheitert bin. Er sagte damals, er wünsche sich Freundschaft mit mir. Ich habe einige fürchterliche Tage (und schlaflos durchtwitterte Nächte) zugebracht. Wer meine Tweets in der Zeit vom 23.06.2018 bis zum 01.07.2018 mitverfolgt hat (oder jetzt nachliest) wird das bestätigen können. Aber ab dem Sonntagnachmittag ging es mir besser und ich war – entgegen meiner „üblichen“ Vorgehensweise – bereit, mich auf das Experiment Freundschaft einzulassen.

Freundschaft braucht Gespräche
Es klingt fürchterlich banal, wenn ich hier schreibe, dass Freundschaft Gespräche braucht. Das, was so einfach und banal klingt, war für mich in der Zeit ab dem 23.06.2018 die größte Hürde. Aus einem persönlichen Treffen in Hamburg hatten sich wunderbare DM-Gespräche entwickelt. Wunderbar deshalb, weil diese Gespräche eine geradezu spielerische Leichtigkeit und Themenvielfalt hatten, die mir so noch nicht begegnet ist. Ich hatte das Gefühl mit einem Menschen zu sprechen, der eine wunderbare Seele hat – es war das Gefühl, einer verwandten Seele begegnet zu sein. Und irgendwann schlich sich (ohne dass ich es sofort bemerkt habe) ein Gefühl der Vertrautheit und Verliebtheit ein. Ja, großer Fehler und leider einseitig. Ich habe in den letzten Wochen einen ziemlich hohen Preis dafür gezahlt, dass ich mir meine Gefühle eingestanden habe und auch ihm gegenüber ehrlich war.

Der Inhalt der Gespräche hatte – bis auf minimale Ausnahmen – nie etwas mit diesen Gefühlen zu tun. Eine Freundschaft hätte also auf der Basis dieser spielerisch leichten und guten Gespräche ansetzen können. Wenn es da nicht die Schere im Kopf gegeben hätte…..

Die Schere im Kopf
Ja, die Schere im Kopf. Mit sehr vielen Menschen kann ich auch jetzt locker und leicht plaudern, witzige Gespräche und Diskussionen führen. Aber ihm eine DM zu schreiben war nicht nur schwierig, es war regelrecht eine Qual. Mein innerer Zensor nahm jede angedachte DM präzise auseinander. Zu unwichtig, das interessiert ihn nicht, das geht ihn nichts, warum willst Du ihm das schreiben…… sind nur eine kleine Auswahl der vielen Antworten meines Zensors. Mit jedem Tag wurde es schwieriger, irgendwie überhaupt im Gespräch zu bleiben. Eine Information zu Kafka nach dem Besuch einer Lesung – ja, das ging und daraus entspann sich auch ein kurzes und durchaus gutes Gespräch, an einem anderen Tag eine Information über ein absolut lesenswertes Buch, das ich an dem Tag selbst gelesen hatte – ja, ging für meinen Zensor, führte jedoch nicht zu einem Gespräch. Ich merkte, dass es mir jeden Tag schwerer fiel, im Gespräch zu bleiben. Gleichzeitig wußte und fühlte ich, dass ich einen einmal gerissenen Gesprächsfaden nicht wieder aufnehmen könnte. Ich behalf mir daher mit „nichtssagenden“ Guten-Morgen- und Gute-Nacht-DMs. Und mit nichtssagend meine ich, dass ich an vielen Tagen tatsächlich nur „Guten Morgen“ oder „Gute Nacht“ in die DM geschrieben habe. Mal kamen Antworten, mal nicht, selten kamen kurze Gespräche zustande.

Die Glaswand
Im öffentlichen Bereich von Twitter erlebte ich seine Tweets so eloquent wie eh und je. Nur im DM-Austausch mit mir kam es nicht mehr zu den spielerisch leichten und fröhlichen Gesprächen. Als ich während meiner kurzen Pause (kleiner Kurzurlaub) darüber nachdachte, fiel mir das Buch „Die Wand“ von Marlene Haushofer ein. Die Ich-Erzählerin stellt in der Geschichte fest, dass sie durch eine Glaswand von der restlichen Welt abgetrennt ist, sie muss ab diesem Moment ganz alleine zurechtkommen. So drastisch ist meine Situation glücklicherweise nicht – aber zwischen ihm und mir und befindet sich eine Glaswand, die für mich mittlerweile völlig undurchdringlich geworden ist. Ich plauderte (außerhalb der kurzen Pause) mit vielen Menschen, wenn ich ihn konkret „ansprach“ (sozusagen mit einer DM oder einem Tweet in dem er namentlich erwähnt war an die Glasscheibe klopfte) kam es gelegentlich noch zu einem Austausch, aber eher im öffentlichen Bereich von Twitter mit anderen zusammen, immer seltener als DM-Gespräch. Ich merkte zusehends, dass er mich nie von sich aus ansprach und dass, obwohl er den Wunsch nach Freundschaft geäußert hatte.

Der Riss
Es kam, wie es wohl kommen mußte, der Gesprächsfaden riss. Letztlich war es ein kleiner Tropfen, der bei mir das Fass zum Überlaufen und den Gesprächsfaden zum Reissen brachte. An einem Sonntagmorgen hatte ich mich überwunden ihn zu fragen, was er denn an dem Tag vorhabe. Ja, ich bekam eine kurze Antwort. Es kam aber kein „Und Du?“ und so erzählte ich nichts von meinen Plänen für den Tag. Ich ging an diesem Tag in Düsseldorf in die Ausstellung „Black & White“ und in der (grauen) Installation von Hans Op De Beek wurde mir bewußt, daß ich die Kommunikation mit ihm als einseitig, kalt und völlig desinteressiert empfand. Ich habe die Kommunikation mit einem Menschen, der von sich selbst behauptet, sich eine Freundschaft mit mir zu wünschen, noch nie als so kalt, abweisend, einseitig und desinteressiert empfunden. Und es war so völlig anders als in der Zeit nach dem Treffen in Hamburg.
Da stand ich nun in diesem grauen Zimmer und dachte über graue Kommunikation nach. Mir wurde klar, dass ich keine DMs mehr schreiben wollte – wozu auch, wenn daraus ohnehin kein gutes Gespräch entsteht.
Am folgenden Tag habe ich meine Erkenntnis in einem öffentlichen Tweet mit folgenden Worten zusammengefasst:

„Erkenntnis des Wochenendes: Freundschaft kann nur da entstehen/wachsen, wo beide ein ehrliches Interesse am Leben des anderen haben und zeigen. Einseitigkeit tötet den Gedanken der Freundschaft, dann ist es bestenfalls lose Bekanntschaft, wenn man sich zufällig (zB hier) begegnet.“

Das letzte DM-Gespräch
In diesem Tweet (der auch zu einem spannende Gespräch mit einem anderen Twitterer führte) lag nicht nur meine Erkenntnis, sondern auch meine „Handlungsentscheidung“. Ich habe ihm diesen Tweet zwei Tage später in einer DM verlinkt und daraus ergab sich ein letztes trauriges Gespräch. Er sprach von unterschiedlichen Bedürfnissen, fühlte sich anscheinend völlig mißverstanden und bat mich seine Bedürfnisse (die er vorher nie formuliert hätte) nach wenig Kummunikation/Reaktion zu akzeptieren. Ja, auch ich fühlte mich völlig mißverstanden – und zwar von ihm. Ich hatte tatsächlich gehofft, eine Freundschaft aufbauen zu können.

Und nun?
Nullpunkt. Schweigen, und zwar völliges Schweigen. Ja, ich weiß – von einem Nullpunkt aus kann sich zumindest theoretisch auch wieder ein Kontakt entwickeln. Aber es ist paradoxerweise so, dass ich nichts einfach so von mir erzählen möchte und er nichts fragen wird. So werden wir im Schweigen verharren und vielleicht kann man dann irgendwann ergänzen „und wenn sie nicht gestorben sind, dann schweigen sie noch heute“.
Ich weiß nicht einmal, ob ich dieses Schweigen möchte, ich weiß nur, dass ich es nicht durchbrechen kann – das ist einer der wenigen Punkte, wo ich nicht aus meiner Haut heraus kann…. Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn überhaupt auf diesen Beitrag hinweisen werde.

Warum ich das alles schreibe? Vielleicht liest er das und kann dann wenigstens meine Reaktionen verstehen und vielleicht ist es für den einen oder anderen Leser ja auch einfach so interessant.

Anmerkung: Links werden nach der kurzen Pause ergänzt.

3 Gedanken zu „Der gerissene Gesprächsfaden“

  1. Ich kenne sowas gut, von beiden Seiten.
    Eine tut weh…,
    die andere:
    wenn ich mich so verhalte, hab ich keine Interesse (mehr).
    Meine Meinung:
    Vergiss es, wende Dich anderen, für dich erfreulicheren Dingen zu.
    <3

    1. Danke für den Kommentar. Ja, das war genau mein Eindruck und ich arbeite gerade intensiv daran, diese „Geschichte“ zu vergessen. Leider ist das nicht ganz so einfach, wie ich das gerne hätte, aber irgendwann wird es nur noch eine schlechte Erinnerung sein.

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